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Josef Gabriel Rheinberger: LIEDER

05.12.2016 | cd, CD/DVD/BUCH/Apps

CD Rheinberger Lieder

Josef Gabriel Rheinberger
LIEDER
Clemens Morgenthaler / Bernhard Renzikowski
ORF CD

Prächtige Lieder zu entdecken

„Ich suche dich im Weltgewühl, sehn‘ mich nach deinem Blick. Du sprichst so klug, du sprichst so kühl – wann kehrt deine Liebe zurück?“

Unvorstellbar, dass von den 30 hier vorgestellten Gesängen 13 Weltersteinspielungen darstellen. Der liechtensteinische Komponist (ja sowas gibts) Rheinberger, den manche Plattenfreaks vielleicht von der Aufnahme „Der Stern von Bethlehem“ mit Rita Streich und Fischer-Dieskau kennen, erfährt mit diesem Album eine wahre Rehabilitation als Liedkomponist. Im besten Fall braucht er keinen Vergleich mit Brahms, Schumann oder Schubert zu scheuen.

„Sangbarkeit und Klangschönheit“, so hat der in München ausgebildete Tonsetzer und Organist selbst sein ästhetisches Credo benannt. Wie Elisabeth Schmierer im Booklet schreibt, „stehen Rheinbergers Lieder damit in Kontinuität zum Liedideal, wie es in der zweiten Hälfte des 18. Jhdts. geprägt und in der Gattungstheorie während des ganzen 19. Jhdts. aufrecht erhalten wurde.“ Was bei den Liedern sofort auffällt, ist der kunstvolle Klavierpart. Die Lyrik von Lenau bis Eichendorff, von Heine bis Goethe, von Geibel bis Burns ersteht nicht nur melodiös strophisch, sondern mit einer „unendlichen“ Klavierstimme, harmonisch stets originell, unterlegt. Dem ganz und gar hervorragenden Pianisten und Begleiter Bernhard Renzikowski ist es zu danken, dass das „Schubert‘sche Momentum“ so recht zur Geltung kommt. Mit welcher Selbstverständlichkeit, enormer Anschlagskultur und poetischem Händchen Renzikowski diesen unbekannten Werken Leben einhaucht und „rote Wangen malt“, ist eine Klasse für sich.

Clemens Morgenthaler nimmt sich mit samtenem Bariton ausdrucksstark der Lieder an. Man höre sich etwa den balladesken „Im Sturm“ (Julius Hammer) an, wo Morgenthaler die Naturgewalten und seelischen Abgründe zu einem onomatopoetisch deklamatorischen Miniaturdrama formt. Aber auch die rein lyrischen Strophenlieder variiert der Sänger mit Sinn und imaginativer Lust. Die CD endet mit Ausschnitten aus Rheinbergers Op. 136, einem Zyklus nach Gedichten von Franziska von Hoffnaaß aus dem Jahr 1883. Der krönende Abschluss einer mutig und gescheit zusammengestellten Anthologie. Wesentlich lohnender als die zehnte Winterreise im Regal!

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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