Jon Mathieu
MOUNT SACRED
Eine kurze Globalgeschichte der heiligen Berge seit 1500
192 Seiten, Verlag Böhlau, 2023
Weltreligionen und Naturreligionen haben in enger Verbundenheit mit der Natur manche Orte mit der Magie der „Heiligkeit“ belegt. Das gilt vor allem für die berühmten „Heiligen“ Berge, die für Gläubige geistig-spirituelle Heimat und Einheit mit den Göttern bedeutete.
Der Schweizer Historiker Jon Mathieu, dessen Forschungsschwerpunkt lebenslang die Berge (vor allem die Alpen) waren, wirft einen nicht alltäglichen Blick auf das Phänomen.
Der Autor wandert zwar einige dieser heiligen Berge ab, vor allem natürlich den Mount Kailash in Tibet, den er den „Modellberg“ der Heiligkeit kennt, oder den Tai Shan der Chinesen, den Paektusan an der chinesisch-koreanischen Grenze, den amerikanischen Mount Rushmore, den afrikanischen Kilimanscharo, den australischen Ayers Rock.
Andere heilige Berge wie der Fujiyama beispielsweise werden nur am Rande erwähnt. (Auch die Bebildung ist für ein Thema, das so viel Optisches zu bieten hätte, äußerst mager.)
Es ist auch nicht das übliche Reisebuch mit historischen Verweisen, vielmehr durchziehen ein kritischer Duktus und heutige Denkansätze das ganze Buch. Interessant die Überlegungen des Autors dazu, dass das Christentum (offenbar nicht ähnlich naturverbunden wie andere Religionen) keine vergleichbaren Heilige Berge kannte, dies im Zuge der Kolonialisierung kennen lernte und dann Kreuze auf Anhöhen setzte und Gipfel „christianisierte“.
Für Jon Mathieu haben heilige Berge, zu denen Gläubige oft unter großen Opfern und Anstrengungen pilgern, vor allem politische Aspekte und führen von der Theologie zur Religionswissenschaft. Der Kailash bietet ihm Gelegenheit, sich mit Bergsteigern wie Reinhold Messner kritisch auseinander zu setzen („Beliebige Heiligkeit?“ nennt der dieses Kapitel). Und am Ende geht es nicht mehr um die „Heiligkeit“ von Bergen, sondern um Kolonialismus, gesellschaftliche Diversität und Umwelt- und Klimaschutz-Fragen.
Man wird sich daran gewöhnen müssen, dass auch Betrachtungen, von denen man eher eine religiöse und kulturhistorische Betrachtung erwartet hätte, heute den ganz neuen, modernen Gesichtspunkten der Betrachtungsweise folgen.
Renate Wagner