Johannes Willms:
LOUIS XIV
DER SONNENKÖNIG UND SEINE ZEIT
536 Seiten, Verlag C.H.Beck, 2023
Der im Vorjahr verstorbene Journalist und Sachbuchautor Johannes Willms galt als Frankreich-Fachmann und hat dies mit einer stattlichen Anzahl von Biographien bewiesen. Als die drei Männer, auf denen Frankreichs Selbstverständnis als „Grand Nation“ bis heute ruht, nannte er im Vorwort Ludwig XIV., Napoleon und Charles de Gaulle. Die Biographien über die Letztgenannten hat er schon vorgelegt, und zu seinem Glück konnte er jene über Ludwig XIV. noch vor seinem Tod vollenden.
Voluminös bekommt man nun in deutscher Sprache (und nicht aus glorifizierender französischer Sicht) ein Leben, das wohl seinesgleichen suchte. Ein kleiner Prinz, geboren am 5. September 1638, als buchstäblich jahrzehntelang erwarteter Sohn von König Ludwig XIII. und dessen spanischer Habsburger-Gattin Anna Maria, war fünf Jahre alt, als sein Vater starb. In Europa herrschte der Krieg, den man später als den „Dreißigjährigen“ bezeichnen würde, und seine Mutter, die für ihn regierte, und Kardinal Mazarin erzogen den Prinzen zum König.
Als er als 16jähriger gekrönt wurde, wusste er, was er wollte, und erledigte es in einer schier überlangen Herrschaft – als er am 1. September 1715 in dem von ihm geschaffenen Schloss Versailles knapp vor seinem 77. Geburtstag starb, hatte er seinen Sohn und seinen Enkel überlebt und erst einer seiner Urenkel trat als fünfzehnter Ludwig seine Nachfolge an.
Wer immer Ludwig XIV. schilderte, betonte das Selbstbewusstsein dieses Königs. Ruhmsucht und wohl auch Eitelkeit waren die Motive seines Handelns, um sein Volk ging es da kaum. Ludwig „machte“ sich tatsächlich selbst – alle seine Reformen der Verwaltung und des Staates liefen auf das Resümee „L’état c’est moi“ hinaus. Sein Hang zur Selbstdarstellung, der Zwang, als der Größte anerkannt und bewundert zu werden, zeigte sich nicht zuletzt im Bau des Schlosses Versailles und den dort veranstalteten Festen, von denen ganz Europa sprach und die ihn zum „Sonnenkönig“ machten. Die Protestanten, die er gnadenlos verfolgte, so dass viele Frankreich verließen, sahen das wohl anders.
Allerdings war er, wie Johannes Willms schreibt, in einer Hinsicht ein schlechter Schüler des großen Staatsmannes Mazarin, der ihn so viel gelehrt hatte. Dass man eher auf Diplomatie denn auf Kriege setzen sollte, daran hielt sich Ludwig XIV. nicht, im Gegenteil. Fast sein ganzes Leben lang führte er aggressiv Kriege zur Erweiterung seines Staatsgebietes (deutsche Regionen spürten das besonders) und brachte mit seinem riesigen Heer die Finanzen des Landes oft bis an den Rand des Kollaps.
Vor allem war er eisern entschlossen, den Habsburgern Spanien abzujagen, was ihm ja auch gelang – er hatte seine Cousine, die Nichte seiner Mutter, die ältere Tochter von König Philipp IV. von Spanien geheiratet. Kaiser Leopold I, bekam die jüngere Tochter und war folglich sein Schwager, was nicht zu einer friedlichen Lösung führte Als nach dem Tod von Karl II. die Erbstreitereien ausbrachen, entschied Frankreich den Spanischen Erbfolgekrieg für sich . Gerade diesen Aspekt von Ludwigs Kriegsbesessenheit kann man heute nur kritisch sehen – Wilms tut es, in langen Schilderungen.
Dass der König „nebenbei“ noch Zeit für die Weiblichkeit fand, mit seiner Gattin Kinder zu zeugen, seine Favoritinnen oft zu wechseln (und auch noch gut zehn uneheliche Kinder in die Welt zu setzen), grenzt ans Unglaubliche.
Diese Biographie, die ein Kapitel richtig „Im Rausch der Macht“ nennt, hilft dabei sich vorzustellen, welches Ego hinter all dem stand, welches Pensum an persönlicher Entschlossenheit, Arbeit und Organisation nötig waren, all das zu erreichen. Dabei fand dieses Leben in einem Ausmaß, wie es selbst das Zeitalter der Sozialen Medien nicht kennt, in der „Öffentlichkeit“ des Hofstaates statt. Bei allem, was er tat, beobachtet, spielte Ludwig XIV. schon von Kindheit an ganz zweifellos eine Rolle. Und schmückte sie aus, passte sie an, sorgte (etwa durch seine Darstellungen als „Sieger“ auf Gemälden) für den eigenen Ruhm und Nachruhm.
Das Buch ist leider nur dürftig bebildert, und Zwischentitel würden die langen Textpassagen der einzelnen Kapitel für die Leser etwas übersichtlicher gliedern. Auch fehlt eine Stammtafel, die die Vorfahren und Nachkommen (am besten bis zum Ende der Bourbonen – in deren Mittelpunkt Ludwig XIV. stand) aufgelistet hätte: Angesichts der Personenfülle wäre dies durchaus hilfreich gewesen.
Renate Wagner