Johannes Sachslehner:
WIENER HOTELS
UND IHRE GEHEIMNISSE
240 Seiten; Verlag Styria, 2024
Häuser, Menschen und Geschichten
Wenn es um Wiener Hotels geht, so gibt es drei, die in dieser Stadt jedermann ein Begriff sind, auch wenn man selbst vielleicht noch nie einen Fuß hinein gesetzt hat: das Sacher, das Imperial, das Bristol. Luxus und Geschichte am Ring und im Bannkreis der Oper – man ahnt ja, dass sich rund um Hotels nicht nur das „Offizielle“, sondern auch das Geheime begibt.
Johannes Sachslehner, als Wiener Lokalhistoriker vielfach bewährt, hat schon mit seinem Buch über Wiener Villen gezeigt, wie viel Geschichte Häuser erzählen können. Noch mehr die Hotels, wo ein Kommen und Gehen der oft interessantesten Persönlichkeiten zu verzeichnen ist, denn die Geschichte der Hotels ist auch, wie Sachslehner richtig betont, jene ihrer Gäste.
Der Autor breitet das Netz der Wiener Hotels in seinem neuesten Buch aber noch viel weiter über die Luxustempel hinaus aus (einzig ein Stadtplan, wo alle erwähnten Häuser eingezeichnet wären, fehlt). Und alle der Ausgewählten erstehen nicht nur in den aktuellen Fotos von Harald Jahn, wo sie in farbiger Pracht gegenwärtigen Luxus oder einfach den aktuellen Stil entfalten. Darüber hinaus gibt es auch, und das ist besonders reizvoll, viel historisches Material mit alten Dokumenten, Zeitungsausschnitten, Reklameanzeigen und Fotos, darunter auch solche, die für den Wien-Kenner neu sind. Manches Foto allein zeigt das, was man als die „Magie der Hotelhalle“ bezeichnen kann.
Das große, aufwendige Hotel wurde flächendeckend erst im Laufe des 19. Jahrhunderts erfunden, als das Reisen modern wurde und reiche Leute es sich leisten konnten. Großereignisse wie Weltausstellungen befeuerten die Entwicklung. Bis dahin ist man in Gasthöfen und Herbergen eher unspektakulär untergekommen – Bauboom und Tourismus änderten das.
Nun war davor schon mancher Wiener „Einkehrgasthof“ bekannt, zumal, wenn Giacomo Casanova dort genächtigt hatte – das war 1753 im „Goldenen Ochsen“, und die Beamten Maria Theresias hatten ihm gleich einen Keuschheitskommissar ins Quartier geschickt, um nachzufragen, ob er mit einer Dame in einem Bett geschlafen habe… An solchen Anekdoten ist das Buch reich, und der Autor hat sich sichtlich ausführlich mit den Quellen befasst.
Als ältestes Hotel Wiens listet Sachslehner das heute noch existierende „Hotel Stephanie“ in der Taborstraße auf, wobei man das mit der Aussage relativieren muss, dass es das einzige aus der Frühzeit noch aktive Hotel der Stadt ist. Ursprünglich ein Gasthaus namens „Zur weißen Rose“ . expandierte es, wurde 1888 anlässlich der Kronprinzenhochzeit nach der, wie man meinte, künftigen Kaiserin Stephanie benannt, und ist bis heute viel frequentiert.
Um die Jahrhundertwende spielte die Tatsache, dass man sich in der Leopoldstadt, dem „jüdischen Viertel“ von Wien, befand, auch dahingehend eine Rolle, als das berühmte „Budapester Orpheum“, eine beliebte jüdische Kabarett-Truppe, erst in einem Hotel vis a vis auftrat und dann von 1896 bis 1903 ins Hotel Stephanie übersiedelte…
Solche Vernetzungen zwischen Hotel und Stadtgeschichte lassen sich für so gut wie jedes Etablissement festmachen. Es gibt die Tragödien, wenn Oberst Redl gezwungen war, sich im Hotel Klomser das Leben zu nehmen, und viel schlimmer noch, wenn aus dem Luxushotel „Metropol“ die Gestapo-Zentrale wurde, der Stefan Zweig in der „Schachnovelle“ ein so schauerlich-grandioses literarisches Denkmal setzte.
Von berühmten Gästen ist zu erzählen, jene, die von auswärts kamen, oder jene, die (wie Arthur Schnitzler, dessen „Mädel“-Geschichten der Autor ja schon in einem eigenen Buch nachgegangen ist) in den Hotels ihre Schäferstündchen pflegten. Und natürlich muss das Hotel Sacher mit seiner legendären Frau Sacher breiten Raum einnehmen, auch weil sich daran einiges von Glanz und Untergang erzählen lässt – wobei heute die Monarchie für viele Wiener Hotels noch unerlässlich wichtig ist, wollen die Touristen doch das Flair von Sisi und den Habsburgern erleben.
Das Fazit des Autors steht im Vorwort, wenn er meint, ein Hotel biete eben „mehr als ein Bett zur Nacht. Es beschwört Nostalgie und imperiales Flair, ist ein Ort, der im besten Fall verzaubern und verwandeln kann.“ Dieser Reiz überträgt sich auch auf das Buch,
Das ist ein Nachtkastl-Werk, so richtig geeignet, jeden Abend ein Kapitel zu lesen, Geschichten, in denen sich Menschenschicksale und Wiener Kulturgeschichte süffig mischen.
Renate Wagner