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JOHANN SEBASTIAN BACH: MARIMBA / PERCUSSION

25.08.2017 | cd, CD/DVD/BUCH/Apps

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JOHANN SEBASTIAN BACH: Die MARIMBA als wundersam klingendes Soloinstrument statt Klavier oder Cembalo – das hölzerne Schlagstabspiel aus Guatemala erobert das Allerheiligste deutscher Musiktradition

Die Marimba gilt als das Xylophon Afrikas. Schön geformte edle Holzstäbe, die in einer Ebene in Längsrichtung zum Spieler angeordnet sind, werden mit speziellen Holzklöppeln geschlagen. Das Instrument mit präzisem Anschlag und einem rasch verklingenden Ton wie beim Cembalo, weist einen enormen Tonumfang auf. Durch Sklaven kam die Marimba nach Mittelamerika und wurde dort ein wichtiges Instrument der Tanzmusik. Jetzt scheint die Marimba auch in der klassischen Musik ein aufgehender Stern zu sein, wie dies zwei herausragende CD-Neuerscheinungen belegen.

Bach-Konzerte: THE WAVE QUARTETT, L’ORFEO BAROCKORCHESTER; SONY CD

Vier Bach-Konzerte sind auf dem neuen schwung- und lustvollen Album des renommierten Wave Quartetts zu hören: Das Cembalokonzert Nr. 1 in D-Moll BWV 1052, die Konzerte für zwei Cembali in C-Dur BWV 1061 sowie in C-Moll, BWV 1062 und das Konzert für vier Cembali in A-Moll, BWV 1065. Die vier Musiker (Christoph Sietzen, Bogdan Bacanu, Emiko Uchiyama, Vladimir Petrov) beleben auf ihren Konzerten schon seit Jahren die Programme mit eigenen Arrangements von Konzerten Johann Sebastian Bachs für das geheimnisvoll bronzen-schokoladen klingende Schlaginstrument. Der Star des Unterfangens ist der Gründer des Ensembles, Bogdan Bacanu, seit seinem 23. Lebensjahr Professor für Marimba an der Anton Bruckner Privatuniversität in Linz. Von ihm stammen die kulinarischen Bearbeitungen, nach ihm ist eine vom niederländischen Instrumentenbauer Adams konstruierte Marimba benannt. Bacanus Anschlag, seine mitreißende Energie und das choreographisch ästhetische Musizieren zu rühmen, hieße Eulen nach Athen tragen. Von der ersten Sekunde des Allegros aus dem D-Moll bis zum finalen Allegro des A-Moll Konzertes halten die Schlagzeuger aus Österreich, Luxemburg, Bulgarien und (als einzige Frau des Ensembles) aus Japan die musikalischen Fäden fest in der Hand. Die Musik klingt im Vergleich zum Cembalo weniger ätherisch, salonhaft und ziseliert, dafür archaisch-tänzerischer. Zum saftigen Barockerlebnis tragen zudem uneingeschränkt die ausdruckskühnen Streicher des L’Orfeo Barockorchesters unter der Leitung von Michi Gaigg bei.

Interessant ist, dass – um den Originalcharakter der Kompositionen zu bewahren – eine Marimba jeweils die Hand eines Cembalisten übernimmt. Das bedeutet, dass bei den Werken für zwei Cembali vier Marimbas, und beim Konzert für vier Cembali sogar acht Marimbas (mit entsprechender Verstärkung des Quartetts) zum Einsatz kommen. Das A-Moll Konzert selbst ist eine Bearbeitung, die Bach von Musik Vivaldis angefertigt hat. Die Tonqualität der im September 2016 im Großen Saal der Anton Bruckner Privatuniversität Linz aufgenommenen CD ist exzellent, durchwegs opulent und überwältigt mit akustischem „Cinemascope-Format“.

Konzert-Stationen des Wave-Quartetts in Berlin und Wien am 30.11.2017 und 12.04.2018 (jeweils Konzerthaus).

IMMORTAL BACH: SIMONE RUBINO Percussion; GENUIN CD

Der Turiner Schlagzeuger Simone Rubino, Begründer des ESEGESI (=Exegese) Percussion Quartetts, legt nun sein erstes Soloalbum vor, bei dem neben Teilen der 3. Suite in C-Dur für Violoncello solo und Basso continuo, BWV 1009 von Johann Sebastian Bach (arrangiert für Marimba vom argentinischen Lautenisten Eduardo Egüez), auch zeitgenössische Kompositionen von Roberto Bocca, Carlo Boccadoro, Knut Nystedt, Iannis Xenakis und John Cage zu Gehör kommen. Sogar zwei CD-Weltpremieren sind dabei, das „Esegesi für Vibraphon“ von Bocca und die „Power Station von Boccadoro. Bei den Stücken „Immortal Bach für vier Marimbas“ von Nystedt und „Third Construction for percussion quartett“ von Cage assistieren Sergey Mikhaylenko, Christian Felix Benning und Patrick Stapleton.

Bachs sechs hier präsentierte Sätze aus den Solosuiten für Cello (Prélude, Allemande, Courante, Sarabande, Bourrée I und II, Gigue) sind für den Interpreten geistiger Leitfaden und musikalisches Kraftfeld, in das sich die anderen, vielfältig mit Bach korrespondierenden Kompositionen hängen. Dementsprechend sind die Musik des barocken Meisters und der zeitgenössischen Avantgardisten wild gemischt. Natürlich gerät das CD- Debüt des jungen italienischen Schlagzeugers schon wegen des Programms weniger “mundgerecht“ wie das oben vorgestellte Album des Wave Quartetts. Keine Streicher umschmeicheln hier den Marimba-Sound, alles ist auf den Solisten zentriert, der mit der Wahl seines Repertoires goldrichtig liegt. Dies deshalb weil Rubino dem Schlagzeug gibt, was des Schlagzeugs ist. Folgerichtig gesellen sich zu Bachschen Impressionen noch Reminiszenzen an Jazz und lateinamerikanische Rhythmen. Neben der Marimba sind Trommel- und Beckenklänge, grelle Pfeiftöne oder scheppernde Konservendosen zu vernehmen. Das Album ist von extremen Stimmungen und Gegensätzen getragen, der experimentelle Charakter und das Ausloten der Möglichkeiten eines Schlagzeugs stehen im Vordergrund.

Im Rahmen des Lucerne Festivals gab Rubino sein Debüt mit den Wiener Philharmonikern, an dessen Anschluss ihm offiziell der mit 75.000 Franken dotierte Credit Suisse Young Artist Award verliehen wurde. Die neue CD ist seinem 2016 überraschen gestorbenen Schlagzeuglehrer Pater Sadlo gewidmet. Der wäre sicher stolz auf seinen Schüler gewesen, dessen mutiges und spirituelles Musizieren schlichtweg phänomenal ist.

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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