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JEAN-BAPTISTE LULLY: ARMIDE

31.03.2017 | cd, CD/DVD/BUCH/Apps

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JEAN-BAPTISTE LULLY:
ARMIDE
Les Talents Lyriques; Christophe Rousset

apartemusic 2 CDs

Live Mitschnitt aus der Philharmonie de Paris, 10.12.2015

Bewundert und angehimmelt von Zeitgenossen des ausgehenden 17. Jahrhunderts, war Armide als letzte Oper des Gespanns Lully/Quinault zum Modell, Mythos und perfekten Kanon der musikalischen Tragödie avanciert. Von Jean-Jaques Rousseau beschimpft, von Jean-Philippe Rameau verteidigt, war es kein geringerer als Diderot, der Armide als das chef d‘oeuvre Quinaults ansah. Das Libretto basiert natürlich auf der berühmten epischen Vorlage Torquato Tassos “Das befreite Jerusalem.“

Wie auch immer, Armide, die auch Gluck zu einer Oper auf Basis desselben Textbuches inspirierte, ist zweifelsohne eine der stärksten französischen Barockopern überhaupt. Im vorliegenden Mitschnitt aus Paris sorgt Dirigent und Cembalist Christophe Rousset mit seinem Orchester Les Talents Lyriques und dem Choeur de Chambre de Namur für eine die Musik als Wortausdeuterin begreifende sehnig packende Interpretation. Kunstreiche Rezitative, Chöre, Tänze und mitreißende Monologe der Zauberin Armide samt Beschwörung des Hasses bieten dem Hörer ein Kaleidoskop barocker Affekte, ein Pandämonium der Gefühle zwischen Liebe und Hass, die Pflichtversessenheit Renauds inklusive.

Sonderlich sympathisch waren ja die Zeitumstände nicht, passte das von Louis XIV. persönlich ausgesuchte Sujet doch zu den nach der Aufhebung des Edikts von Nantes aufflammenden Verfolgungen der Hugenotten durch einen neu auftrumpfenden Katholizismus. Da reimt sich doch der pflichtversessene Kreuzzügler Roland ganz gut zur damals vorherrschenden Staatsraison.

Eine überaus starke Besetzung mit der auch vokal magisch wandlungsfähigen Marie-Adeline Henry als Armide und dem verführerischen Tenor Antonio Figuoera als Renaud an der Spitze bereitet in allen Arien und Rezitativen ein ungetrübtes Hörvergnügen. Als besonders eindringliche Beispiele fallen mir spontan die Arien der Armide aus dem 2. oder 3. Akt sowie der berühmte Schlussmonolog „Renaud! ciel! o mortelle peine!“ ein. Dazu kommt noch, dass Rousset im Vergleich zu einigen seiner Kollegen, die Tempi oder Schärfe der Akzente auf die Spitze treiben, die Musik aus sich heraus wirken lässt und nicht noch glaubt, dem etwas hinzufügen zu müssen, was der so treffliche Lully ohnedies in der Partitur so wunderbar zum Ausdruck brachte. In weiteren Partien sorgen Judith van Wanroij (La Gloire, Phénice, Melisse), Marie-Claude Chappuis (La Sagesse, Sidonie, Lucide und Bergère), Marc Mauillon (Arionte, La Haine), Douglas Williams (Hidraot), Cyril Auvity (Le Chevalier danois, un Amant fortuné), Emiliano Gonzales Toro (Artémidore) und Etienne Bazola (Ubalde) für vokalen Glanz und eine idiomatisch lupenrein geglückte Wiedergabe.

Von Lully‘s Armide gibt es bislang etwa eine Handvoll Einspielungen, drei davon sind erhältlich. Die neue Aufnahme ist sicherlich die neue Referenz dieser Oper auf Tonträgern.

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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