Jan Turovski:
CHICAGO-PIZZA
GESCHICHTEN AUS AMERIKA
320 Seiten, edition andiamo. 2023
Der deutsche Schriftsteller Jan Turovski blickt auf eine beachtliche Zahl von Veröffentlichungen zurück, Lyrik, Romane und jüngst wieder ein Band mit Erzählungen unter dem Titel „Chicago Pizza“. Die 41 „Short Stories“ spielen in Amerika, dabei vermerkt der Lebenslauf Turovskis vor allem Studien in England und Paris (wobei er auch darauf Wert legt zu erwähnen, dass er „Student trainee“ bei Selfridges war, bekanntlich nach Harrods das größte und eleganteste Kaufhaus Londons).
Aber er ist er ein intimer Kenner der USA, in der die neuesten Geschichten spielen. Dabei gibt es bei vielen der teils kurzen, teils längeren, aber nie wirklich langen Texte am Ende Anmerkungen, in denen amerikanische Begriffe (von „Big Apple“ bis „God’s own Country“) erklärt werden, die er mit aller Selbstverständlichkeit einfließen lässt. Hier findet man auch den Hinweis, den der Autor mit leisem Stolz fallen lässt, niemand habe im deutschen Sprachraum so viele „amerikanische“ Geschichten geschrieben wie er. Weil er sich auskennt, kann er vieles auch topographisch genau verorten.
Die meisten Geschichten schaffen es, auf Anhieb zu interessieren – blickt man dann auf die Gesamtheit des Erzählten zurück, das nach den vier Jahreszeiten geordnet ist, fällt auf, dass der Autor gerne Randexistenzen in den Fokus stellt, Tragik, Täuschung, Einsamkeit, Berufsprobleme, Beziehungskrisen stehen oft im Mittelpunkt. Er spezialisiert sich auf ungewöhnliche Menschentypen, die unerwartet und ungewöhnlich reagieren, Das erzielt vielfach eine gewisse Spannung, wirkt aber gelegentlich auch eher gewollt und übertrieben,
Was von Anfang an als Besonderheit auffällt, ist die Bemühungen um einen Stil, der sich von einer schlicht realistischen Erzählweise abhebt. Schon in der ersten Geschichte stößt man auf die „blass-blonde Brille neben ihm“ und er hört „kräftige Sohlen abrollen“. Daran muss man sich gewöhnen und tut es auch, allerdings schlägt der Stil dann auch Purzelbäume („Der Sonntag lag im unentschlossenen Licht des Wartens“ „Die Stille, die herrschte, war brüchig wie ein Mürbekuchen“ oder „In seinem grauen Bart schwitzt mühsam Heiterkeit“). Dergleichen kann dann auch tatsächlich mühsam werden, mag aber mit der lyrischen Vergangenheit des Autors zusammen hängen.
Also begibt man sich mit ihm in ein Amerika, das mit ganz besonderen und jedenfalls nicht alltäglichen Augen betrachtet wird.
Renate Wagner