JAHRBUCH DER OPERNFREUNDE 2023
Gesamtredaktion Rainhard Wiesinger
166 Seiten plus 34 Seiten Anhang
Im Eigenverlag, 2023
Alle Jahre wieder zu Saisonbeginn erwarten Wiens Opernbesucher das Jahrbuch, das die Opernfreunde für die vergangene und kommende (eigentlich dann schon gegenwärtige) Saison auflegen. Nach bewährtem Muster, das man nicht ändern sollte (und wenn man es im Detail tut, ist es ärgerlich, aber davon später).
Ein Buch – es mutet, sagt der Präsident der Opernfreunde, Heinz Zednik, im Vorwort „fast schon überholt“ an, auf Papier Gedrucktes anzubieten, aber man kann ja nicht sein Leben lang ins Smartphone starren. Andererseits zeigt sich schon auf Seite 11, dass das Internet auch Vorteile bietet: Denn da hätte man das Foto von Carlos Alvarez, der sich leider, leider, leider aus der „Trittico“-Premiere zurückgezogen hat, längst durch die Bilder der beiden Ersatzmänner Volle und Maestri ersetzt.
Aber das mindert nicht den Vorzug der Vorschau-Artikel, vor allem in einer Saison wie dieser, wo mit Ligetis „Le Grand Macabre“ und gar mit „Animal Farm“ von Alexander Raskatov zwei Werke am Spielplan der Staatsoper stehen, die wohl einem Großteil des Publikums unbekannt sind. Für die Autoren der Beiträge ist es dabei fast schwieriger, für das Bekannte (Turandot, Lohengrin, Cosi – über die Notwendigkeit, gerade diese Opern neu zu machen, wäre natürlich zu diskutieren) neue Aspekte zu finden.
Zum interessantesten Teil der Opern-Jahrbücher zählen stets die Mitschriften der Live-Gespräche, die im Lauf einer Saison für die Mitglieder geführt wurden. Beim Nachlesen gibt es dann immer wieder bemerkenswerte Details – wer hätte gedacht, dass Ioan Holender seine eigene Sängerkarriere (fünf Jahre habe sie gedauert, darauf besteht er) so wichtig war? Die Bösewichte in „Hoffmann“ hat er immerhin gesungen, und an der Seite von Helga Roswaenge den Escamillo… Fünf Jahre hat er als Sänger gelebt – wenn auch nicht ganz so gut wie als Staatsoperndirektor…
Benjamin Bernheim kann sein Geheimnis kurz und bündig erklären, „Eleganz und die richtige Atemtechnik.“ Nina Stemme sinniert, wann sie einem Regisseur nachgibt, auch wenn sie es eigentlich nicht einsieht… immer in der Hoffnung, das Publikum werde wissen, dass sie nicht „schuld“ sei. Und vielleicht muss man ein so großer Star sein wie sie, um zu erkennen, dass ein einzelner Sänger nur ein winziger Teil einer Produktion ist. Außerdem witzelt Harald Schmid, der die Eröffnungspremiere von Lotte de Beers Volksopern-Saison geschmückt hat, Michael Volle, Tomasz Konieczny und Kate Lindsey sind auch dabei – und Leo Nucci, dem (nach der Staatsoper) nun auch die Opernfreunde die Ehrenmitgliedschaft verliehen haben.
Zu Einzelwerken haben die „Opernfreunde“ auch einen „Salon“ veranstaltet, wo mehrere Künstler zum Thema diskutieren. Alles interessant und aufschlussreich.
Und schließlich die gewohnte Chronik, wo zuletzt nicht so entsetzliche Verluste zu verzeichnen waren wie davor (Christa Ludwig, Edita Gruberova). Man liest viel lieber über Geburtstage und Ehrungen…
Das Buch ist, wie immer, unabdingbar für Opernfreunde, hat aber diesmal eine evidente Schwäche. Offenbar, um Platz zu sparen, hat man im Rückblick auf sämtliche Aufführungen der voran gegangenen Staatsopern-Saison die Besetzungen diesmal nicht übersichtlich untereinander, wie auf einem Programmzettel, aufgeführt, sondern fortlaufend, was es für den Leser schwieriger macht. Vielleicht kann man nächstes Jahr wieder auf die bewährte Form zurück greifen. Im übrigen ist natürlich alles, auf bewährte Art, bestens.
Renate Wagner