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IRLANDS „WILD ATLANTIC WAY“ IST VOLLER FARBEN UND MUSIK

Irlands „Wild Atlantic Way“ ist voller Farben und Musik, 31.08.2014

 Irlands Atlantikküste ist zunächst mal ein Fest fürs Auge. Hier bizarre, Meer umtoste Felswände und glatt geschliffene Gesteinsplatten, dort Sandstrände und sanftgrüne Uferstreifen mit friedlich grasendem Vieh. Eine Region unter einem schier endlosen Himmel, aus dem Sonne, Wind und Regen in oft schnellem Wechsel eine Farbsymphonie in die Landschaft zaubern.

 Am Wild Atlantic Way
Am   Wild Atlantic Way. Foto: Ursula Wiegand

 An solchen Eindrücken sollen die Irland-Besucher mehr denn je teilhaben. Das Resultat ist der neue, 2.500 km lange „Wild Atlantic Way“ von Derry und Malin Head im Norden bis nach Kinsale im Süden.

 Wild Atlantic Way, Wegweiser
Wild Atlantic Way, Wegweiser. Foto: Ursula Wiegand 

 Allenthalben weisen Schilder mit einer blauen Welle den Weg in diese unerwartet abwechslungsreiche Küstenregion und damit auch in Gegenden, die selbst Irland-Fans kaum genauer kennen. Darüber hinaus wird der „Wild Atlantic Way“ mit seinen Städten und Dörfern am Wegesrand zu einem Ensemble aus Natur, Geschichte, Kultur und Essgenuss, zu einem Erlebnis für alle Sinne. Das  Herzstück ist die mittlere Westküste. Denn dort, im Nordwesten der Grafschaft Clare, liegt der Burren mit den weltbekannten Cliffs of Moher.

 Den Burren schützt eine Felswand vor den Atlantikwogen, doch das Plateau dort oben wirkt erstmal wie eine Mondlandschaft. „There is not water enough to drown a man, no wood enough to hang one, nor earth enough to bury them,“ notierte 1651 ein Offizier aus Oliver Cromwells Armee.

 Wild Atlantic Way, Burren-Wanderung
 Wild   Atlantic Way, Burren-Wanderung. Foto: Ursula Wiegand

 Dass es aber zwischen den Felsplatten süßes und nahrhaftes Gras und entsprechend fettes Vieh gab, fiel ihm ebenfalls auf. Also Viehhaltung im Nowhere, wo es nicht genug Wasser gibt, um einen Menschen zu ersäufen? Ja, und das an bestimmten Stellen nach wie vor.

Der Burren birgt also Geheimnisse, und Expertin Mary Howard kennt einige.

Der allenthalben dominierende Kalkstein sei vor rd. 340 Millionen Jahren der Boden eines warmen Meeres gewesen. Daher ließen sich in ihm versteinerte Überreste von Schellfischen und Korallen finden, erklärt sie (in deutscher Übersetzung). Tektonische Beben, die Eiszeiten und der Regen
taten das Ihrige und haben vielerorts einen Plattenparcours geformt.

 Burren-Wanderung, Vorsicht Spalten!
 Burren-Wanderung, Vorsicht Spalten! Foto: Ursula Wiegand

 „Be careful“, warnt Mary und weist auf die zahlreichen Spalten. In denen sollten wir uns bei der Suche nach Pflänzchen, sogar solchen aus dem Mittelmeerraum, bitte nicht die Knöchel verrenken. Ab und zu brechen hohl liegende Platten mit einem leisen Knack  unter den Füßen weg. Tief sind solche Löcher aber zumeist nicht.

Darüber hinaus birgt der Burren auch Kirchen- und Schlossruinen oder jungsteinzeitliche Dolmen aus einer vermutlich lebensfreundlicheren Periode, von der noch einige Seen, Quellen und Grasstücke künden. Ein Nationalpark schützt dieses trotz aller Härte empfindliche Gebiet. Unterstützung kommt auch von der UNESCO. Die hat den Burren und die dazugehörigen Cliffs of Moher in die Weltliste der Geoparks aufgenommen.   

Cliffs of Moher, Wanderer 
Cliffs of Moher, Wanderer. Foto: Ursula Wiegand

 Diese bis zu 214 Meter hohen Cliffs sind die eigentliche Attraktion und faszinieren  jährlich rund 1 Million Menschen aus aller Welt. Pat Sweeney, ein drahtiger Mann, begrüßt uns am Besucherzentrum, das sich umweltschonend in einem Grashügel versteckt. Von hier führen bequeme Treppen zum ersten Aussichtspunkt, der selbst Nichtwanderern einen Blick auf die senkrecht abstürzenden Felswände ermöglicht.  

Doolin Cliff Walk mit Crazy Pat
Doolin Cliff Walk mit Crazy Pat. Foto: Ursula Wiegand

Den anschließenden „Doolin Cliff Walk“, einen 8 km langen Wanderweg oberhalb der Steilküste, haben wir jedoch bald für uns. Dass der nun ein offizieller Pfad und besser gesichert ist als vor Jahren, ist dem Landwirt Pat zu verdanken. 2008, mitten in der tiefsten Rezession, sei ihm diese Idee gekommen, sagt er, und hat 48 weitere Farmer zum Mitmachen animiert. Sie alle haben ein Stückchen Land zur Schaffung dieses Cliff-Weges abgetreten. „Crazy Pat“ wird er seitdem genannt und freut sich über diesen Spitznamen. 

Cliffs of Moher, bäuchlings fotografieren
Cliffs of Moher, bäuchlings fotografieren. Foto: Ursula Wiegand

Mit kräftigen Schritten geht er, Vater von drei Söhnen, mal an der Spitze, mal am Ende der Wandergruppe, plaudert kenntnisreich über Traditionen und Geschichte und steckt alle mit seiner Begeisterung an. Und immer wieder ein Stopp und ein Heranrobben an den Klippenrand, mal um eine junge Möwe im Nest zu sehen oder um einen noch genaueren Blick auf die drunten tosenden Wellen zu werfen.

Während der Winterstürme attackieren sie die rd. 350 Millionen Jahre alten Felswände, und mancher Hang hier oben ist unterhöhlt. Pat passt auf, dass wir nicht zu nahe an die Kante herantreten und geleitet uns bis ins Dorf Doolin. Ein kräftiger Händedruck zum Abschied – auf ihn warten jetzt seine 80 Rinder. (www.doolincliffwalk.com )

7,3 m langer Stalaktit in der Doolin Cave
 7,3 m langer Stalaktit in der Doolin Cave. Foto: Ursula Wiegand

Ist der „Doolin Cliff Walk“ zu toppen? Bestenfalls unterirdisch,  nämlich in der Doolin Cave. Von der Höhlendecke hängt ein schimmernder, 7,3 Meter langer Stalaktit herab, der längste frei hängende in der nördlichen Hemisphäre, gebildet Tropfen für Tropfen in Jahrtausenden. Ein kühles Vergnügen, nach dem wir uns im rappelvollen Gus O’Connor`s Pub bei einer kräftigen Mahlzeit wieder aufwärmen.

Music Makers in West Clare
Music Makers in West Clare. Foto: Ursula Wiegand

Schon zur Mittagszeit gibt’s dort irische life Musik, doch noch bodenständiger und von imponierender Qualität erleben wir sie in Dörfern und kleinsten Städten. So bei den „Music Makers in West Clare“ in Milltown Malbay. Nach anfänglicher Schüchternheit spielen sich die drei jungen Leute beherzt frei. Hier wird nicht gestümpert.

Musizieren in Lisdoonvarna
 Musizieren in Lisdoonvarna. Foto: Ursula Wiegand

Auch nicht im Burren Smokehouse in Lisdoonvarna. Dort sind zwei ältere Herren kundig zu Gange. Der rechte gibt den Rhythmus auf der traditionellen Bodhran-Trommel vor, der linke entlockt der nur 6-löchrigen Tin Whistle (auch Pocket Whistle genannt) erstaunlich farbreiche Melodien. Früher als leicht erlernbares Kinderinstrument bekannt, gehört diese Flöte schon seit Jahrzehnten zur irischen Folklore.  

„Hier muss ich wohl mal meine beiden Töchter hinschicken,“ lacht unser Begleiter Will Collins, aber aus einem anderen Grund. Der nur 800 Einwohner zählende Ort ist berühmt für sein Lisdoonvarna Matchmaking Festival. Zu diesem Heiratsmarkt an den September-Wochenenden suchen rund 40.000 Anreisende bei Musik, Tanz, Pferderennen und weiteren Bespaßungen den Mann oder die Frau fürs Leben.    

Chinesen am Loop Head
 Chinesen am Loop Head. Foto: Ursula Wiegand

Wer stattdessen lieber die stille Halbinsel Loop Head an der Shannon-Mündung aufsucht, hat sein Glück vielleicht schon gefunden. Eine attraktive Felsküste gibt es hier ebenfalls, dazu einen weißen, seit 2011 für Besucher zugänglichen Leuchtturm.

Leuchtturm des Loop Head
Leuchtturm des Loop Head. Foto: Ursula Wiegand

Außer uns stapft kein Mensch auf den schmalen Wegen durch das struppige Küstengras, obwohl die „Irish Times“ dem Loop Head aufgrund seiner unberührten Schönheit und seines umweltverträglichen Tourismus im Vorjahr den Preis als bestes Urlaubsziel Irlands verliehen hat.

Wer’s noch einsamer mag, setzt über nach Scattery Island, einem unbewohnten Eiland in der Mündung des Shannon. Dort hat der Mönch St. Senan im frühen 6. Jahrhundert ein Kloster gegründet. Ein Engel habe ihn auf diese Insel getragen und ihm beim Kampf gegen eine bösartige Schlange beigestanden, lautet die Legende.

 Scattery Island, Kirche der Toten
Scattery Island, Kirche der Toten. Foto: Ursula Wiegand

 Im 9. Jahrhundert besetzten die Wikinger das Inselchen und zerstörten das Kloster und die Kirchen. Die aber wurden in späteren Jahrhunderten wieder aufgebaut. Nun streicht der Wind durch die mehr oder minder erhaltenen bzw. restaurierten Relikte. Und gleich am Ufer fällt  die Kirche der Toten mit ihrem Friedhof auf.

Scattery Island, Runder Turm u. Marien- Kathedrale 
Scattery Island, Runder Turm u. Marien- Kathedrale. Foto: Ursula Wiegand

 Den Mittelpunkt früherer Frömmigkeit bildet jedoch das ehemalige Kloster mit dem 26 Meter hohen Runden Turm und der dazugehörige Marien-Kathedrale aus dem 10./11. Jahrhundert. Ein Stück weiter ist der St. Senan-Brunnen zu sehen, dessen Wasser als heilend gilt.   

 Harfenistin in Cloghane
Harfenistin in Cloghane. Foto: Ursula Wiegand

 Nach soviel geschichtsträchtiger Stille holt uns erneut die Irische Folklore – diesmal in Cloghane auf der Dingle-Halbinsel – munter ins Heute zurück. Die pensionierte Polizistin des Dorfes stellt die Gruppe vor. Von jung und alt wird hier geflötet, gegeigt und mit herrlich hellen Stimmen gesungen. Eine Dame zupft die Harfe, das irische Traditionsinstrument. Die Harfe ist Irlands Wappen, findet sich auf Regierungsdokumenten und Münzen, aber auch auf den Guinness-Flaschen. Liebe zur Musik, Liebe zum Bier. Unzähligen Kneipen mit live Musik bieten diese Gute-Laune-Kombination.

 Dingle gibt sich bunt
Dingle gibt sich bunt. Foto: Ursula Wiegand

 Ob Bier, Wein, Tee oder Wasser, ob tagsüber oder nächtens – in Dingl auf der gleichnamigen Halbinsel steigt das Stimmungsbarometer in noch weitere Höhen. Die kunterbunten Häuschen mit ihren Läden und gemütlichen Restaurants sind eine sofortige Verlockung.

 Dingle, Fischer  Pat Begley
Dingle, Fischer Pat Begley. Foto: Ursula Wiegand

 Die Möglichkeit, bei einer Bootsfahrt den Delphin Fungie, einen freiwilligen Zuwanderer, springen zu sehen, oder bei einer Angeltour reiche Beute zu machen, ist eine weitere Attraktion. Fischer Pat Begley braucht gar nicht weit hinauszufahren und hat bald alle Hände voll zu tun. Denn er löst die Fische vom Angelhaken und lässt sie nicht lange leiden.

Andreas ist besonders tüchtig und fängt einen großen Pollock, einen rd. 4,5 kg schweren Ling und einen schlanken Pouting, die man uns später im Restaurant freundlich zubereitet.

 Dingle, ein Cuckoo Wrasse
Dingle, ein Cuckoo Wrasse. Foto: Ursula Wiegand

 Den Schönheitspreis gewinnt jedoch der kleine, fast tropenbunte Cuckoo Wrasse (Labrus mixtus). Laut Meereslexikon sind diese Hübschen besonders vielseitig und wechseln sogar mal das Geschlecht.

 Mit ihrer unterschiedlichen Natur und dem kulturell-religiösen Erbe zeigt sich die Dingle-Halbinsel ebenfalls als vielseitig und ist daher als Wohn- und Feriengebiet sehr beliebt. Auch US-Ex-Präsident Bill Clinton ist hier öfter zu Gast. Das Magazin National Geographic bezeichnet diese Halbinsel sogar als den schönsten Ort auf der Welt. Das klingt etwas übertrieben, doch schön ist es hier wirklich, und eine Entdeckungstour lohnt sich.  

 Dingle-Halbinsel, Gallarus Oratory
Dingle-Halbinsel, Gallarus Oratory. Foto: Ursula Wiegand

 Denn mit dem Gallarus Oratory nordwestlich der Stadt Dingle, einer ganz aus Stein gefügten Kapelle (vermutlich aus dem 6./7. Jahrhundert), besitzt die Dingle-Halbinsel einen geheimnisvollen altchristlichen Schatz.

 Dingle-Halbinsel, das Blasket Center
 Dingle- Halbinsel, das Blasket Center. Foto: Ursula Wiegand

 Fast noch mehr erstaunt das im Jahr 2006 eröffnete Blasket Center, ein verblüffend modernes Museum, das wir in dieser Größe und Güte in Irlands äußerstem Westen nicht erwartet hätten. In eindrücklicher Weise berichtet es über die Familien und Schriftsteller, die bis 1953 auf der vorgelagerten Großen Blasket-Insel lebten. Die Story vom „Iron Man“ wurde dort drüben geschrieben. – Ihre Geschichte zu bewahren, das zeigt sich an dieser Atlantik-Ecke, liegt den erst 1949 politisch selbständig gewordenen Iren besonders am Herzen.     

 

Infos, Urlaubsberatung und Broschüren bei der Irland-Information, Tel. 0049-(0)69-66800950, Mail: info.de@tourismireland.com. Neu und auf Deutsch: www.ireland.com. Direktflüge mit Aer Lingus ab 7 deutschen Städten sowie ab Wien und Zürich (www.aerlingus.com). Bahn von Dublin nach Sligo, Galway und Cork. Neue Autobahn Dublin-Galway.

Bei den Info-Zentren gibt es Gratis-Pocket-Guides mit Adressen und vielen Tipps zu den einzelnen Abschnitten des Wild Atlantic Way, außerdem eine Landkarte mit Infos zu geschichtsträchtigen Stätten und Museen (Heritage Sites, www.heritageireland.ie).  

 Cathleen Connole im Burren Fine Wine & Food
Cathleen Connole im Burren Fine Wine & Food. Foto: Ursula Wiegand

 Selbst in kleinen Restaurants haben wir gut gegessen und im Lahinch Golfhotel, südlich von Doolin, mit Golfplatz und Strand (www.lahinchgolfhotel.com) sowie  im Dingle Skelling Hotel (www.dingleskelling.com) tief und fest geschlafen. (U.W.)   

 

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