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INNSBRUCK/Tiroler Landestheater: DAS SCHLAUE FÜCHSLEIN und DIE TOTE STADT (Doppelrezension)

07.04.2013 | KRITIKEN, Oper

Innsbruck: „DAS SCHLAUE FÜCHSLEIN“ 5.4.2013 / „DIE TOTE STADT“ 6.4. –2013

Von tierischer Liebe und übersteigertem Totenkult

Gerade einmal vier Jahre liegt die Entstehung dieser beiden Werke auseinander – das eine orientiert sich musikalisch wesentlich am Rhythmus der Worte und überlässt die atmosphärische Komponente dem Orchester, die andere greift bei aller expressionistisch anmutenden Expansion des Apparates als wohl letzte deutsche Oper auf das süffige Melodiengebot der (Spät-)romantik zurück. Beide gründen auf Novellen und ziehen ihren Reiz aus dem Changieren zweier Ebenen. Bei Janaceks (Märchen-)Oper ist es die wechselnde Perspektive von Mensch und Tier, bei Korngold das folgenreiche Ineinanderfließen von Traum und Wirklichkeit.


 „Schlaues Füchslein“  (Susanne Langbein) und Fuchs (Lysianne Tremblay). Foto: Rupert Larl

Beide hat das Tiroler Landestheater innerhalb von sechs Wochen bemerkenswert griffig und dabei werkdienlich realisiert. Die Geschichte vom Füchslein Schlaukopf entfaltet sich in des Intendanten Johannes Reitmeiers mit seiner Vorgängerbühne Kaiserslautern koproduzierten Inszenierung in einem aus Holz-Materialien gebastelten Wald sowie vielen naturverbundenen Details, die sich auch in den phantasievollen Kostümen ( Hannes Neumaier ) wieder finden, auf wohltuend unaufgesetzte Weise, weder überzeichnet noch kindisch einfältig.

Die leichte Abwandlung des Schlusses kippt des Försters Versöhnung mit der Natur aus reiner Nachdenklichkeit zur herzhaften Erkenntnis, wenn er dem jungen Füchslein einen Klaps auf den Hintern gibt und es in die Freiheit entlässt.

Die „Kirche des Gewesenen“, wie der seit dem Tod seiner Frau ganz der Vergangenheit nachhängende Paul sein Erinnerungs-Refugium der Gestorbenen nennt, erhält in Ernö Weils aufs Wesentliche konzentrierter Einrichtung durch die entscheidenden Requisiten des Bildes der Toten, ihrem blonden Zopf, entzündeten Kerzen und diffuses Licht die gewünschte Stimmung. Unaufdringlich aussagekräftig sind auch die Kostüme, zumal die den zwanziger Jahren nachempfundenen Gewänder der Komödianten im zweiten Akt ( Karin Fritz ). Spannend sind die weitgehend mittels Projektionen statt real inszenierter Aufmärsche erzielten Traum- und Wahnvorgänge des Protagonisten. Dessen letztendliche Läuterung und seinen verkündeten Versuch des Beginns eines neues Lebens zeigt ihn zuletzt im grell warmen, in den Zuschauerraum gerichteten Scheinwerfer-Licht – fürwahr ein blendender Schluss, eine Metapher der Hoffnung.

An beiden Abenden leitete Alexander Rumpf das Tiroler Symphonieorchester Innsbruck mit großer Übersicht, in beiden Fällen den stilistischen Besonderheiten Rechnung wie auch den sängerischen Bedürfnissen Rechnung tragend. Dass die Musiker der großzügigen Klangmalerei Korngolds trotz aller Üppigkeit und Verschlungenheit leichter Herr werden als der speziellen Kombination von Schroffheit und Seelenton, macht wieder einmal die technischen Herausforderungen von Janaceks unverkennbarem Instrumentations-Stil bewusst.

Fast komplett aus dem eigenen Ensemble sind alle Hauptpartien besetzt. Als Füchslein Schlaukopf bringt Susanne Langbein ihren inzwischen deutlich größer gewordenen lyrischen Sopran mit gebotener Herzhaftigkeit und Frische zum Klingen, unterstützt von ihrem tierisch beweglichen Spiel, gipfelnd in der berührenden Vereinigung mit dem von Lysianne Tremblay betörend dunkel leuchtend intonierten Fuchs.


 „Die Tote Stadt“ – Expressiver Kampf um eine Tote: Susanna von der Burg und Wolfgang Schwaninger. Foto: Rupert Larl

Ihre Vornamens-Kollegin Susanna von der Burg legt sich in der Doppel-Rolle Marie/Marietta mit an Richard Strauss orientierter Leuchtkraft vollsaftig in Korngolds strömenden, mal auch aufschäumenden und aufwühlenden orchestralen Teppich und vermag über weite Strecken bei aller geforderten Ausdrucks-Vehemenz den von ihr bekannten Herzenston durchklingen zu lassen. Als selbstbewusst beweglicher Darstellerin wäre ihr Spiel vor allem auf der verführerischen Seite noch natürlicher ausgefallen, wenn ihr ein vorteilhafteres Kostüm gewährt worden wäre.

Wolfgang Schwaninger entspricht als Typ genau dem psychisch gebeutelten Charakter Pauls und findet mit seinem nicht sonderlich individuell ausgeprägten, aber über einigen Glanz, Höhenstabilität und Tragfähigkeit verfügenden Tenor, auch dank differenzierter Textbehandlung und situationsgemäß passend fahlen oder gebrochenen Tönen zu einer gesamtheitlich rühmenswerten Leistung.

Joachim Seipp zeigt an beiden Abenden seine Gestaltungs-Vielfalt, wobei sein Bariton sowohl beim Förster als auch bei Frank, dem Konkurrenten um Mariettas Gunst, bei aller Prägnanz im Forte, zumal in der Höhe, zur Härte und schwankender Tonqualität neigt.

Anna Maria Dur lässt als Haushälterin Birgitta mit ihrem pastosen Alt aufhorchen, Daniel Raschinsky als Pierrot mit vielversprechendem, kultiviert geführtem Bariton.

Die Wiltener Sängerknaben erfüllten sowohl tierische Aufgaben bei Janacek als auch die rein akustische, stimmungsvolle Kulisse des dritten „Tote Stadt“-Aktes. Wandelbar in Spiel und Gesang!

 Udo Klebes

 

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