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INNSBRUCK/ Tiroler Landestheater: PARSIFAL

07.04.2014 | KRITIKEN, Oper

   INNSBRUCK/ Tiroler Landestheater: PARSIFAL am  06.04.2014

 Das Tiroler Landestheater hat sich  – nach dreißigjähriger Enthaltsamkeit – wieder über das Bühnenweihfestspiel „PARSIFAL“ von Richard Wagner gewagt. Positive Voraussetzung für dieses mutige Vorhaben war, dass Johannes Reitmeier, der Intendant des Hauses den Parsifal im Pfalztheater Kaiserslautern vor zwei Jahren sehr erfolgreich inszeniert hat und somit auf einem bewährten Konzept aufbauen konnte. Er verlegte die Handlung ins Zentrum der katholischen Macht – in den Vatikan – mit eindrucksvollen Bühnenbildern (Thomas Dörfler) und  passenden Kostümen (Anke Drewes). Bei der Pfälzer Premiere im Feber 2012 mußte er für das Konzept mit den beiden Päpsten Titurel und Amfortas noch Spott und Häme über sich ergehen lassen – „eine unmögliche Situation“! Nun – heute wissen wir es besser –  die Wirklichkeit hat nachgezogen; die Abgrenzung von der katholischen Kirche ist durch die verschobenen Realitäten natürlich teilweise verloren gegangen. Dass Parsifal kein rein-christliches Stück ist, ist heute unbestritten; zu viele buddhistische, germanische und gregorianische Elemente sind  – besonders in der Musik – vorhanden und Wagner selbst sah den Parsifal als persönliches Resumee lebenslanger Überlegungen und als Vermächtnis – sein religiöses Weltbild: Liebe zu Mensch und Umwelt, Mitleid und Erlösung mit den Mitteln der Kunst! Diese Vorgaben wurden in der Innsbrucker Inszenierung  respektvoll und gekonnt umgesetzt; die Schlüsselszenen sind detailliert und schlüssig gestaltet. Die versäumte Frage nach der Wunde und die Rückeroberung des Speeres sind klug und ohne Peinlichkeit gelöst; der Auftritt des Titurel im ersten Akt ist eindrucksvoll und symbolisiert den Niedergang der katholischen Amtskirche, weil man Vorschriften und Rituale über die Liebe und das Mitleid gestellt hat. Wenn sich ein guter Regisseur in den Dienst des Stückes stellt wird deutlich, wie stark dieses Werk ist  – selbstdarstellerische Regiegags wie z.B. in der Wiener Mielitz – Inszenierung sind hingegen meist unlogisch, störend, oft auch peinlich.

 Dass das erfolgreiche Konzept auch in der Praxis gekonnt umgesetzt werden konnte, ist zum großen Teil dem Tiroler Symphonieorchester Innsbruck unter der umsichtigen Leitung von Alexander Rumpf zu danken. Es gelang vom ersten Moment an, die besondere transzendente Stimmung aufzubauen und über vier Stunden – mit nur unwesentlichen Blechschäden und Ungenauigkeiten – zu halten. Der Chor des TLT und die Wiltener Sängerknaben klangen überzeugend und waren auch mit guter Personenregie geführt.

 Den Gesangssolisten generell möchten wir vorab ein Kompliment für die Wortdeutlichkeit und für die engagierten schauspielerischen Leistungen machen. Offensichtlich hat sich im Laufe mehrerer Vorstellungen eine Perfektion  – wir sahen die 6. Aufführung der Serie – ohne den gefürchteten Schlendrian –  eingestellt.

 Als Gurnemanz wurde  – wie schon in Kaiserslautern – der bewährte Wagner – Bassist Guido Jentjens aufgeboten, der schon in namhaften Opernhäusern und in Bayreuth die anspruchsvollsten Partien gesungen hat. Sein nicht ganz schwarzer Bass ist für diese  Rolle optimal geeignet, klingt wunderschön und bewältigt die riesige Aufgabe ohne Ermüdungserscheinungen.

 Der zweite Stimmgigant des Abends war Joachim Seipp, der bei dieser Vorstellung den Amfortas und den Klingsor sang. Man hätte verstanden, wenn er unter diesen Voraussetzungen etwas verhalten agiert hätte. Spätestens beim „Erbarmen“ hörte man aber, dass er die beiden anspruchsvollen Rollen kompromisslos gestaltete – es ging gut, das Ergebnis war hervorragend. Beeindruckend war, wie er die Stimmfärbung an den jeweiligen Charakter der beiden doch so unterschiedlichen Personen anpasste – Bravo!

 Erstaunt waren wir, die ja seit Jahren mit der Wiener Inszenierung leben müssen, wie präsent und eindrucksvoll ein Titurel klingen kann, wenn er nicht am hinteren Bühnenrand verkümmert, sondern mitten im Geschehen agiert. Johannes Wimmer überzeugte mit einem wohlklingenden,mächtigen schwarzen Bass und gestaltete den Alt – Papst so authentisch, dass wir nachträglich überrascht waren, welch junger Mann sich in dem Kostüm verbarg.

 Tilmann Unger  – ein junger Künstler mit riesigem stimmlichen Potential – sang den Parsifal als kräftiger, höhensicherer Heldentenor; die lyrischen Passagen waren (noch) nicht seine Stärken.

 Die kanadische Mezzosopranistin Jennifer Maines gestaltete die Kundry temperamentvoll, verführerisch und enorm wandlungsfähig. Stimmlich beeindruckte die Präsenz in den tiefen Lagen ebenso wie die sicheren Höhen ohne Schärfe. Eine souveräne Leistung ohne Makel.

 Wenn der „Welser-Möst-Ausspruch“, dass man die Güte eines Opernhauses an der Qualität der Nebenrollen erkennt, stimmt, muss man dem Tiroler Landestheater gratulieren. So wurden als erste Blumenmädchen die Sängerinnen der weiblichen Hauptrolle (Susanne Langbein, Sophie Mitterhuber) der parallel laufenden Don Pasquale Serie aufgeboten; als Gralsritter hörten wir Marc Kugel, den wir vor kurzem in den „Perlenfischern“ als Nourabad erlebten.

Somit konnten wir uns über eine Vorstellung ohne Schwachpunkte freuen und die mystische Stimmung ungestört genießen.

 Unser euphorischer Bericht soll nicht suggerieren, dass Innsbruck jetzt der Nabel der Wagner – Welt ist und natürlich gibt es in jeder Position eine noch bessere Interpretation: die Wiener Philharmoniker unter Peter Schneider sind sicher eine andere Kategorie, ebenso ein Johan Botha als Parsifal – das Gesamtpaket ist aber, speziell dank dieser genialen Inszenierung, nur sehr schwer zu toppen.

 Maria und Johann Jahnas

 

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