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INNSBRUCK/ Tiroler Landestheater: „PAGLIACCI“ (Leoncavallo)/“VON HEUTE AUF MORGEN“ (Schönberg). Premiere

Tiroler Landestheater Innsbruck

„PAGLIACCI“ (Leoncavallo)/“VON HEUTE AUF MORGEN“ (Schönberg) – Pr. 10.5.2025

Der mitunter krampfhafte Versuch, die siamesischen Opernzwillinge „Cavalleria rusticana“ und „Pagliacci“ unbedingt trennen zu müssen, ist nicht neu. Auch am TLT spielte man in den 80ern „Cavalleria“ mit der „Florentinischen Tragödie“ von Zemlinsky, in späterer Folge wurden „Pagliacci“ mit „Il tabarro“ gekoppelt. Alles ein Versuch wert, so richtig gezündet haben diese Produktionen allerdings nicht. Nun also einen weiterer Anlauf, den veristischen Klassiker mit der ersten Zwölftonoper der Musikgeschichte zu vereinen. In beiden Einaktern geht es um Beziehungsprobleme, Eifersucht und zwischenmenschlichen Machtkämpfe. Obwohl die beiden Werke gerade 40 Jahre trennen, hat sich die Musiksprache enorm weiter entwickelt, auf vertraute Töne folgen ungewohnte, disharmonische, die nicht nur von den Ausführenden alles abverlangt. Regisseurin Jasmina Hadziahmetovic und ihre Bühnenbildnerin Susanne Gschwender verorten beide Opern in einem geschmäcklerischen Mehrzwecksaal mit Bühne (die aber erst im 2. Teil des Abends als Spielstätte Verwendung finden wird). Während einer dort stattfindenden Hochzeitsfeier mischt sich die Komödiantentruppe unter das festlich gekleidete Volk, die schlussendlich tragisch endende Handlung nimmt vor deren Augen ihren Lauf. Mit Vorliebe lässt die Regisseurin die Protagonisten aus dem Zuschauerraum heraus die Bühne betreten. Irgendwie wirkt alles konstruiert, so richtig packen konnte Leoncavallos Meisterwerk in diesem Ambiente und unter der unausgewogenen, mit verschleppten Tempi nicht geizenden musikalischen Begleitung (Gerrit Prießnitz leitete das solide TSOI mit bleiernem Dirigierstab) nicht. Selten wurde das nahende Ende sehnsüchtiger herbeigewünscht als bei diesen „Pagliacci“.

Dabei stand eine sehr gut ausgewählte Besetzung zur Verfügung. Den stärksten Eindruck hinterließ Aris Argiris (als Wotan im Sofioter Ring in bester Erinnerung und aktuell in Linz als Holländer zu bewundern) mit prachtvoll kernig-virilem Bariton als intriganter Tonio. Xabier Moreno, im schweren italienischen Heldenfach international sehr gut gebucht, prunkte mit beeindruckenden Tenorspitzen, schien sich aber in diesem Umfeld nicht so richtig wohl zu fühlen. Marie Smolka, die mit Saisonende das TLT leider verlassen wird, war eine temperamentvolle, sinnliche Nedda, bei der verständlich ist, dass in die Männer in ihrer Gegenwart unruhig werden. Schade, dass die ansonsten so fesselnde Auseinandersetzung mit Tonio derart spannungsarm ausfiel wie in dieser Neuinszenierung. Mit gutem Aussehen, aber leider immer härter werdendem Bariton versuchte Dorfpfarrer (!) Silvio (die „Dornenvögel“ lassen grüßen) alias Jacob Phillips Nedda zur gemeinsamen Flucht zu überzeugen. Jason Lee gab einen gewitzten Beppe, Junghwan Lee und Julien Horbatuk (zwei Bauern) ergänzten zufriedenstellend. Auffallend, dass der wie immer von Michel Roberge bestens einstudierte Chor und Extrachor des TLT und der Dirigent einfach nicht zusammenfinden konnten. Viel Jubel für die Sänger, gedämpfterer Applaus für Regie, Ausstattung und Orchesterleitung.

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Von heute auf morgen“. Benjamin Chamandy, Mojca Erdmann. Foto: Birgit Gufler

Nach der Pause, vor nach wie vor gut gefülltem, aber bei weitem nicht ausverkauftem Haus, Schönbergs „Von heute auf morgen“. Und plötzlich war alles im Lot, was vorher nicht zusammenfinden wollte. Ein blendend aufspielendes Orchester, eine psychologisch ausgefeilte Personenregie und ein exzellentes Sängerquartett. Arnold Schönbergs Einakter wurde 1930 uraufgeführt, das zugegeben geschwätzig-ausufernde Libretto stammte von seiner Frau Gertrud, die ihre Arbeit als „Max Blonda“ unterzeichnete. Worum geht es diesem knappen Einstünder? Nach einem gesellschaftlichen Ereignis kehrt ein Ehepaar heim, der Gatte hat nichts Besseres zu tun als fortwährend über die unlängst angetroffene Freundin zu schwärmen. Er reizt sie, die „biedere Hausfrau“, so lange mit Vorwürfen, bis diese den Spieß umdreht und von einem Verehrer, einem Tenor, berichtet. Der theoretische Streit spitzt sich zu, bis die Frau in mondäner Aufmachung erscheint und die Diva „rausläßt“. Der Mann ist verwirrt, zudem tauchen auch Tenor und Freundin in der Wohnung auf, es wird wild diskutiert. Nach dem Abgang der unerwarteten Gäste stellt das Ehepaar fest, dass alles doch rechtens ist, wie es immer war.

Schönberg schrieb dazu eine expressionistisch aufgeladene, mit Saxophonen, Mandoline und Klavier angereicherte atonale Musik, die sich bei jedem Personalzuwachs verdichtet. Nachdem die ursprünglich für die „Frau“ vorgesehene Sängerin nicht mehr zur Verfügung stand, übernahm die international geschätzte und gefragte Sopranistin Mojca Erdmann (Markenzeichen: absolutes Gehör) in weniger als zwei Monaten diese schwierige Aufgabe und bewältigte diese enorme Herausforderung bravourös. Eine bildhübsche Erscheinung mit toller Ausstrahlung und einer in allen Lagen perfekt durchgebildeten Stimme – ein Erlebnis! Aber auch der junge hauseigene Bariton Benjamin Chamandy als in Gedanken seitenspringender Ehemann machte seine Aufgabe hervorragend und beeindruckte mit seiner ausdrucksstarken, biegsamen Stimme und eleganten Erscheinung. Qualitätsvoll auch die stimmlich vertrackten Beiträge von Anastasia Lerman (die Freundin) und Jason Lee (der Tenor). In beiden Einakter wirkte ein Kind in Hasenkostüm mit – bei „Pagliacci“ unklar, bei Schönberg schon schlüssiger, hängt doch an der Wand der elterlichen Wohnung ein Bild mit einer Hasenschar. Die durchwegs sehenswerten Kostüme entwarf Aleksandra Kica, Florian Weisleitner steuerte Lichtspiele bei. Verdient große Begeisterung nach diesem Einakter.

Täuscht der Eindruck, dass das Haus „Pagliacci“ als Selbstläufer einstufte, bei „Von heute auf morgen“ aber entschieden mehr Herzblut investiert wurde?

Folgetermine: 23.5., 1.6., 12.6., 15.6. und 18.6.

Dietmar Plattner

 

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