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INNSBRUCK: LES DIALOGUES DES CARMÉLITES

21.01.2012 | KRITIKEN, Oper

Packender Opernabend am Tiroler Landestheater: „Les dialogues des carmélites“ von Francis Poulenc (Vorstellung: 20. 1. 2012)


Foto: Rupert Larl

 Die in der Saison 2010 / 11 erfolgreiche Produktion der Oper „Die Gespräche der Karmeliterinnen“ von Francis Poulenc (1899 – 1963) wurde am Tiroler Landestheater in Innsbruck im November 2011 wieder in den Spielplan aufgenommen (in französischer Sprache mit deutschen Übertiteln). Dieses zu den interessantesten Opern des 20. Jahrhunderts zählende Werk, dessen Libretto der Komponist gemeinsam mit Emmet Lavery nach dem Drehbuch von Georges Bernanos für den Film Opfergang einer Nonne verfasste, wurde 1957 an der Mailänder Scala uraufgeführt. Es fußt auf Gertrud von Le Forts Erzählung Die Letzte am Schafott und schildert die Kompromisslosigkeit der Karmeliterinnen in der Französischen Revolution.

 Der historische Hintergrund: Am 14. September 1792 wurden sechzehn Nonnen aus dem Kloster Karmel von Compiègne in der Nähe von Paris vertrieben und lebten fast zwei Jahre verstreut in der Stadt Compiègne. Obwohl es durch einen Erlass verboten war, versammelten sie sich weiterhin zu Gebet und Gottesdienst. Am 22. Juni 1794 wurden sie verhaftet, drei Wochen später in den Kerker der Pariser Conciergerie geworfen und am 17. Juli sofort nach der Gerichtsverhandlung zum Schafott geführt. Während sie es bestiegen, sangen sie das Laudate Dominum, omnes gentes. Am 27. Mai 1906 wurden sie von Papst Pius X. selig gesprochen.

 Die Handlung der Oper kurz zusammengefasst: Blanche de la Force, seit ihrer Kindheit von Panikattacken gequält, versucht im Kloster der Karmeliterinnen zur Ruhe zu kommen. Das äußerst karge Leben, die strengen Regeln, die fast alles ausschließen, und die existenziellen Gespräche der Nonnen verschaffen ihr zwar Haltung, aber keinen Frieden. Vergeblich versucht ihr Bruder, sie aus dem bedrohten Kloster herauszuholen. Das qualvolle Sterben der Priorin, der als Karmeliterin Schmerzmittel versagt bleiben und die in ihrer Todesangst den Glauben verliert, verstört Blanche zusätzlich. Als die Schwestern das Märtyrergelübde ablegen und aus dem Kloster vertrieben werden, flieht Blanche aus der Gemeinschaft. Sie sucht im elterlichen Palast Zuflucht und erfährt, dass ihr Vater inzwischen hingerichtet wurde. Schließlich wird sie Zeugin, wie die Nonnen, das „Salve Regina“ singend, das Schafott besteigen. Blanche stimmt in den Gesang der Schwestern ein, überwindet ihre Todesangst und schließt sich ihnen an.

 Marina Wandruszka schuf eine atmosphärisch dichte Inszenierung mit stringenter Personenführung. Besonders eindrucksvoll die Schlussszene, bei der sich der Eiserne Vorhang, auf dem die bürgerlichen Namen der sechzehn hingerichteten Nonnen mit Altersangabe (zwischen 27 und 79 Jahren) geschrieben standen, in der Form einer Guillotine langsam senkt.  Äußerst karg die Bühnengestaltung, die mit ganz wenigen Requisiten auskam, historisch korrekt die Kostüme aus der Zeit der Französischen Revolution (Bühne und Kostüme: Claudia Spielmann-Hoppe). Hervorragend die Lichtregie von Johann Kleinheinz, die stark auf Hell-Dunkel-Kostraste setzte.

 Als Blanche de la Force, die sich beim Eintritt ins Kloster Schwester Blanche von der Todesangst Christi nennt, bot die Sopranistin Christine Buffle eine herausragende Leistung.

Ihre sie peinigenden Ängste stellte sie sowohl schauspielerisch wie auch stimmlich ausdrucksvoll dar. Stark ihre Szene mit ihrem Bruder, dem Chévalier de la Force, der sie aus dem von den Revolutionären gefährdeten Kloster herauszuholen versucht. Er wurde vom jungen Tenor Thomas Paul exzellent dargestellt. Erschütternd die Sopranistin Susanna von der Burg als Madame de Croissy in ihrer Sterbeszene als Priorin. Die strenge Mère Marie wurde von der Mezzosopranistin Anne Schuldt in barschem Ton gespielt, während die zur neuen Priorin gewählte Madame Lidoine von der Sopranistin Maud Darizcuren als warmherzige Äbtissin dargestellt wird.

 Eine eindrucksvolle Leistung bot Sophie Mitterhuber als junge, lebenslustige Schwester Constance, die so gar nicht nonnenhaft über die Bühne wirbelte und mit ihrer hellen, frischen  Sopranstimme einen köstlichen Gegensatz zu den ehrwürdigen „Müttern“ darstellte. Zu nennen sind noch der Tenor Ansgar Matthes als Beichtvater des Klosters, die beiden Mezzosopranistinnen Kristina Cosumano als Mère Jeanne, die Älteste der Schwestern, und  Lysianne Tremblay als Sœur Mathilde sowie der Bariton Damon Nestor Ploumis als Vater von Blanche und der Tenor Dale Albright als Erster Kommissar. Sie alle trugen zur guten Ensembleleistung bei.  

 Das Tiroler Symphonieorchester Innsbruck, von Alexander Rumpf anfangs ein wenig zu „stürmisch“, bald jedoch sehr subtil geleitet, brachte die Partitur des Komponisten, die teils von stimmungsvoller Leichtigkeit, teils von bitter-süßer Melancholie durchsetzt ist und erst gegen Schluss Pathos und Dramatik widerspiegelt, mit allen musikalischen Facetten zum Erklingen.

 Das von der Aufführung ergriffene, atemlos lauschende Publikum spendete am Schluss frenetischen Beifall, unter den sich für die Sängerinnen immer wieder Bravorufe mischten. Für mich bemerkenswert war, dass die Zuschauerinnen und Zuschauer noch an der Garderobe sich begeistert über die Aufführung äußerten und dabei besonders die Inszenierung lobten.

 Udo Pacolt, Wien – München

 

 

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