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INNSBRUCK: IL PARIDE von Giovanni Andrea Bontempi. Premiere

25.08.2012 | KRITIKEN, Oper

Innsbruck – noch eine Opernrarität: „Il Paride“ von Giovanni Andrea Bontempi (Premiere: 24. 8. 2012)


Der Countertenor David Hansen brillierte in der Titelrolle als Paris (Foto: Rupert Larl)

Im Rahmen der Innsbrucker Festwochen der Alten Musik kam es am 24. 8. 2012 als Koproduktion mit den Musikfestspielen Potsdam Sanssouci zu noch einer sehenswerten Opernpremiere: „Il Paride“ von Giovanni Andrea Bontempi (1624 – 1705). Dieses Werk soll die erste in Norddeutschland gespielte italienische Oper sein. Die Uraufführung im Jahr 1662 fand im Riesensaal des Dresdner Schlosses anlässlich der prunkvollen Hochzeit der Prinzessin Erdmuthe Sophie von Sachsen mit Christian Ernst Markgraf von Brandenburg-Bayreuth statt und wurde ausschließlich von Männern – unter ihnen der Komponist selbst – dargeboten. Sie wurde im Rahmen der vierwöchigen Festlichkeiten zur Feier der Fürstenhochzeit aufgeführt und war Teil eines großen Welttheaters, das an den folgenden Abenden als Schauspiel mit dem Kampf um Troja und dem Tod Hectors weiterging.

Giovanni Andrea Bontempi, der eigentlich Giovanni Andrea Angelini hieß, sang als Kastrat von 1643 bis 1650 unter Monteverdi an der Markuskirche in Venedig und trat 1650 in die Dienste des sächsischen Hofs in Dresden, wo er als Kapellmeister tätig war und mehrere Opern schrieb.

Das Libretto der Opera musica „Il Paride“ in fünf Akten, das er selbst verfasste, erzählt in Spiegelung der tatsächlichen Begebenheiten in Dresden von der Hochzeit zwischen Paris und Helena, wobei es ausführlich auf die Vorgeschichte eingeht. Es berichtet von dem Streit der drei Göttinnen Pallas, Juno und Venus, wer die Schönste im Olymp sei und wie Jupiter, um Querelen aus dem Weg zu gehen, den Hirten Paris zum Richter macht. Nachdem Paris Venus gekürt hat, verspricht sie ihm sie schönste aller Frauen, worauf er seine Geliebte Enone verlässt, um Helena zu entführen und zu ehelichen. Enone wartet sieben Jahre lang vergeblich auf Paris, ehe sie auf der Suche nach ihm an den Hof von Troja kommt. Als sie Helena und Paris in inniger Umarmung erblickt, geht sie in den Tod.

In der sehr stimmungsvollen Inszenierung von Christoph von Bernuth wechselt das höfische Leben mit turbulenten Stegreifszenen ab, die zum Teil im Stil der Commedia dell’ arte gehalten sind. Durch seine gute Personenführung und die subtile augenzwinkernde Komik hatte die Aufführung eine hohe Qualität. Bestechend seine Idee, nach der letzten Szene die Bühnenverkleidung etwa einen Meter anheben zu lassen und alle Darsteller der Vorstellung auf der Bühne zu versammeln. „Seht her, es war alles nur ein Spiel“, war wohl seine Aussage.

Eindrucksvoll das Bühnenbild, das mit nur wenigen Requisiten auskam und eine mit Sternen übersäte „Himmelswand“ zeigte, aus deren Luken so manche Gottheit auf das Geschehen herunterblickte. Immer wieder wurden auch die technischen Möglichkeiten des Schnürbodens und der Unterbühne effektvoll genutzt: Bäume wachsen aus dem Bühnenboden, Betten klappen aus der Wand und Tiere beleben die Bühne. Die phantasievollen Kostüme waren ein Mix aus der Barock- bis in die Jetztzeit (Bühnenbild & Kostüme: Oliver Helf).

Für die hohe musikalische Qualität der Aufführung, die in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln stattfand, sorgte neben den exzellenten Sängerinnen und Sängern vor allem das Ensemble L’Arpeggiata unter der Leitung von Christina Pluhar, die – auf der Theorbe spielend – „dirigierte“. Sie hatte das Ensemble im Jahr 2000 gegründet und ist mit ihm auf vielen bedeutenden Festivals in Europa und Südamerika aufgetreten und stellte in Innsbruck ihre Leidenschaft für die Barockmusik unter Beweis.

Die Titelrolle war bei dem australischen Countertenor David Hansen in besten Händen. Er beeindruckte durch seine technisch ausgereifte Stimme und durch sein ausdrucksstarkes Spiel – sei es als Schafhirte oder als Prinz von Troja. „Diese schöne Stimme ist einfach berückend“, hörte ich in der Pause eine Besucherin schwärmen. Zu Recht widersprach ihr niemand. Brillant die Mezzosopranistin Luciana Mancini als seine Geliebte, die Nymphe Enone. Sie legte alle ihre Gefühle – von Liebe über Enttäuschung und Verzweiflung bis hin zur Rache – in ihre in vielen Farben schillernde Stimme und berührte besonders in ihrer Selbstmordszene. Viele Sängerinnen und Sänger mussten mehrere Rollen spielen. So stellte die spanische Sopranistin Raquel Andueza nicht nur die Göttin Pallas dar, sondern auch die schöne Helena, wobei sie allerdings in dieser Rolle etwas blass blieb.

Glänzend die argentinische Sopranistin Mariana Florès als Discordia, Göttin der Zwietracht, die ihre Zornesarie am Beginn der Oper inmitten des Publikums sang, und als Helenas Zofe Argenia in einigen Szenen ihre komödiantische Begabung voll ausspielen konnte. Mit augenzwinkernder Komik stattete der französische Countertenor Dominique Visse seine beiden Rollen als Juno und Hekuba, Königin von Troja, aus. Gleich vier kleinere Rollen hatte der portugiesische Tenor Fernando Guimarães zu singen: den Gott Apollo, den Boten Oronte, Hirseno, einen Höfling in Troja, und den Gärtner Draspo, den er sehr humorvoll darstellte.

Ebenso vier Rollen spielte und sang Emiliano Gonzales Toro: den Götterboten Merkur, den Jäger Melindo, den stotternden Koch Ancrocco und den Mönch Ergauro, der seinem Herrn Wein bringen soll, aber nicht widerstehen kann, eine Flasche nach der anderen selbst zu trinken. Als stark angeheiterter Mönch begeisterte der chilenische Tenor das Publikum mit köstlicher Komik, ohne in Klamauk zu verfallen! Zu nennen sind noch der Bariton Fulvio Bettini als Jupiter, König Priamus und als trojanischer Höfling Ermillo sowie die Sopranistin Hannah Morrison als Venus und Amor. Diese Rolle war überdies noch mit der Schauspielerin Katrin Hansmeier besetzt, die den Liebesgott fast bühnenbeherrschend auf entzückende Art und Weise darstellte, wobei sie sich mit tänzelnder Grandezza als treibende Kraft für den Ablauf der Handlung erwies. Reizend ihre beiden Szenen mit dem Seepferd und dem Bären!

Nach drei Stunden Spielzeit bejubelte das begeisterte Publikum minutenlang alle Mitwirkenden. Viele Bravos gab es für David Hansen, „Brava“-Rufe für Luciana Mancini und Mariana Flores sowie „Bravi“-Rufe für Christina Pluhar und ihrem Ensemble L’Arpeggiata, aber auch für das Regieteam!

Udo Pacolt, Wien – München

 

 

 

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