Alberto Allegrezza als alte Amme mit Francesca Lombardi Mazzulli in der Rolle der Arsinoe (Foto: Rupert Larl)
Innsbrucker Festwochen der Alten Musik 2019: „La Dori“ von Pietro Antonio Cesti (Vorstellung: 26. 8. 2019)
Die Innsbrucker Festwochen der Alten Musik 2019 warteten im Tiroler Landestheater mit einer weiteren Opernrarität auf: „La Dori“ von Pietro Antonio Cesti. Die Uraufführung dieses Werks, das als eine der erfolgreichsten Opern des 17. Jahrhunderts galt, fand im Jahr 1657 am Innsbrucker Hoftheater statt und wurde 1980 in einem Pasticcio im Rahmen der Innsbrucker Festwochen gezeigt. Im heurigen Jahr, dem 350. Todesjahr Cestis, erfolgte die erste vollständige Wiederaufführung der turbulenten Tragikomödie (in italienischer Sprache mit gut lesbaren deutschen Übertiteln).
Pietro Antonio Cesti (1623 – 1669), der dem Franziskaner-Orden angehörte, zählte zu den berühmtesten Musikern seiner Zeit. Er war Domkapellmeister in Volterra und wurde 1652 Kapellmeister in Innsbruck, ehe er zehn Jahre später Vizekapellmeister am Hof in Wien wurde. Seine erste Oper L’ Orontea, die 1649 in Venedig herauskam, wurde vor zwei Jahren in Innsbruck mit großem Erfolg wiederaufgeführt. Dass die Innsbrucker Festwochen der Alten Musik mit dem Komponisten Cesti besonders verbunden sind, zeigt sich auch an dem nach ihm benannten Gesangs-Wettbewerb – er wurde 2010 von Alessandro De Marchi ins Leben gerufen – , an dem in diesem Jahr mehr als 200 Sängerinnen und Sänger teilnahmen.
Die verwirrende Handlung der Oper „La Dori“, deren humorvolles Libretto Giovanni Filippo Apolloni schrieb, spielt in den beiden Königreichen Nikäa und Persien. Deren Herrscher haben kurz nach der Geburt der Prinzessin Dori in Nikäa und des Prinzen Oronte in Persien beschlossen, die beiden als Erwachsene miteinander zu verheiraten, um die Freundschaft zwischen den beiden Reichen zu sichern. Da Dori aber als kleines Kind Piraten in die Hände gefallen und seitdem verschollen war, sollte Oronte später Doris jüngere Schwester Arsinoe heiraten. Dori war mittlerweile an den Hof von Ägypten gelangt, wo eine ägyptische Prinzessin mit dem gleichen Namen als kleines Kind auf tragische Weise gestorben war und Arsete, der sich für den Tod des Kindes verantwortlich fühlte, Dori als ägyptische Prinzessin ausgab. Oronte kam als junger Mann nach Ägypten und verliebte sich in Dori, was dazu führte, dass er Arsinoe nicht wie vertraglich vereinbart heiraten wollte. Dori folgte ihm aus Liebe nach Persien, tarnte sich allerdings als Mann, fiel erneut Seeräubern in die Hände und landete in Nikäa, wo sie von Arsinoe gerettet wurde. Fortan begleitete Dori sie als Sklave Alì. Gemeinsam mit Arsinoe gelangte sie nun nach Babylon, um die Einhaltung des Ehevertrags zwischen Oronte und Arsinoe einzufordern. Der ägyptische Prinz Tolomeo begab sich auf der Suche nach seiner vermeintlichen Schwester Dori ebenfalls nach Persien, verliebte sich in Arsinoe und verkleidete sich als Dienerin Celinda, um Arsinoe nahe sein zu können. Danach erst beginnt die Opernhandlung.
Die folgenden drei Akte sind ein munteres Verwirrspiel, bei dem das Regie-Team um Stefano Vizioli auf die Komik der Vorlage und die Kraft der Musik vertraut und auf Modernisierung verzichtet. Die opulenten Kostüme von Anna Maria Heinrich weisen mehr auf die Entstehungszeit der Oper als auf den Zeitpunkt der Handlung hin. Das Bühnenbild von Emanuele Sinisi zeigt auf den beiden Bühnenseiten zwei hohe antik anmutende Stadtmauern, hinter denen man das tosende Meer sieht, was vielleicht die innere Unruhe der einzelnen Figuren widerspiegelt. Einige Felsen im Hintergrund und auf der linken Seite deuten eine leicht unwirtliche Gegend an. Szenenwechsel werden mit vereinzelten Requisiten und einem Zwischenvorhang angedeutet. Der Übergang zwischen den einzelnen Akten ist fließend wie auch die musikalischen Nummern, die von bewegten Rezitativen in ariose Strukturen und Ensembles übergehen. Damit ist Cesti der durchkomponierten Form der Opern des 19. Jahrhunderts musikalisch beinahe näher als der Barockoper des 18. Jahrhunderts mit ihren Da-capo-Arien. Auch sind die Affekte der Figuren nicht auf die Arien beschränkt, sondern entfalten sich ebenso in den Rezitativen, was sich vor allem in deren musikalischen Ausarbeitung zeigt.
Während bei der Uraufführung 1657 in Innsbruck wahrscheinlich auch die weiblichen Rollen von Kastraten gesungen wurden, treibt die Inszenierung bei den Festwochen das Spiel mit den Geschlechtern noch weiter. So werden nicht nur die beiden Prinzessinnen Dori und Arsinoe von zwei Frauen gesungen, sondern auch die Rolle des Tolomeo, der sich als Frau verkleidet und in den sich dann auch noch Orontes Hauptmann, der Bass Erasto, verliebt. Der Prinz Oronte wird von einem Countertenor interpretiert, dessen Stimme höher als die der von ihm geliebten Dori ist, so dass auch hier in gewisser Weise ein Rollentausch vorliegt und man Dori durchaus als den aktiveren Part in der Liebesbeziehung deuten kann, selbst wenn sie sich im Laufe des Stücks aus Liebeskummer permanent das Leben nehmen will und daran stets von anderen gehindert werden muss. Dass die alte Amme Dirce von einem Tenor dargestellt wird, ist für die Oper des 17. Jahrhunderts eigentlich keine Besonderheit. Frauen, die ihren weiblichen Reiz verloren haben, wurden häufig in komischen Rollen mit Männerstimmen besetzt. Hier ist Dirce aber nicht nur eine lüsterne Alte, die erfolglos Orontes Diener und Hofnarr Golo nachstellt und sich wunderbar mit dem Eunuchen Bagoa streitet, sondern auch noch Doris Retterin ist, da sie deren Gifttrank gegen ein Schlafmittel austauscht. So klärt sich nach zahlreichen Verwirrungen alles auf, und Oronte darf schließlich doch noch seine geliebte Dori heiraten, während Arsinoe mit dem ägyptischen Prinzen Tolomeo vermählt wird.
Mit einer beeindruckenden Leistung wartete das Sängerensemble auf. Oronte, der Prinz von Persien, wurde vom britischen Countertenor Rupert Enticknap stimmlich und darstellerisch sehr ausdrucksstark gespielt. Ihm nicht ganz ebenbürtig zeigte sich die italienische Altistin Francesca Ascioti in der Titelrolle. Als Sklave Ali sang sie oftmals zu zurückhaltend, möglicherweise trugen daran die vielen Lamento-Arien die Hauptschuld.
Emöke Baráth als Prinz von Ägypten und Konstantin Derri als Eunuch Bagoa (Foto: Rupert Larl)
Exzellent hingegen die ungarische Sopranistin Emöke Baráth als ägyptischer Prinz Tolomeo, die sowohl stimmlich wie schauspielerisch in der Hosenrolle, aber auch als junge Celinda brillierte. Ebenso eindrucksvoll agierte die italienische Sopranistin Francesca Lombardi Mazzulli als Doris Schwester Arsinoe. Sie punktete durch ihren expressiven Gesang wie auch durch ihre starke Bühnenpräsenz. Den persischen Regenten Artaxerse stattete der italienische Bass Federico Sacchi mit wohlklingend-tiefer Stimme und autoritärem Gehabe aus.
Mit komischem Talent agierten der italienische Tenor Alberto Allegrezza als Orontes alte Amme und der italienische Bass Rocco Cavalluzzi als Orontes Diener und Hofnarr Golo. Sie brachten in vielen Szenen das Publikum zum Lachen, ohne in Klamauk zu verfallen. Mit angenehmer Stimme spielte der italienische Bassbariton Pietro Di Bianco die Rolle von Orontes Hauptmann Erasto, der sich in Celinda verliebt.
Zum Erfolg der Vorstellung trugen in zwei kleineren Partien noch der britische Tenor Bradley Smith als Doris alter Lehrer Arsete und der ukrainische Countertenor Konstantin Derri als Eunuch Bagoa, Hüter des Serails in Babylon, bei.
Schlussszene der Oper – alle sind glücklich (Foto: Rupert Larl)
Dem Orchester Accademia Bizantina gelang es unter der einfühlsamen Leitung von Ottavio Dantone, die zart klingende Partitur von Cesti sehr nuancenreich zum Erklingen zu bringen. Das begeisterte Publikum, das auch mit Szenenbeifall nicht geizte, dankte am Schluss allen Mitwirkenden mit lang anhaltendem Applaus und vielen Bravo-Rufen.
Udo Pacolt