INNSBRUCK: „AUFSTIEG UND FALL DER STADT MAHAGONNY“ – wenn‘ s am Biss fehlt….(Premiere 21.6.2014):
Als letzte Musiktheaterpremiere vor der Sommerpause präsentierte das Tiroler Landestheater die an diesem Hause noch nie gezeigte, bei der UA wegen ihrer krassen Thematik und der den damaligen Machthabern nicht genehme Musik als „Skandaloper“ bezeichnete Werk des kongenialen Teams Kurt Weill / Bert Brecht. Eine ausschließlich aus versierten Opernsängern bestehende Crew, ein vom Opernchef (Alexander Rumpf) persönlich geleitetes, sehr motiviertes, vom hochgefahrenen Bühnenhintergrund spielendes Orchester (Tiroler Symphonie-Orchester Innsbruck), ein schon mehrfach wegen seiner ideenreichen, zumeist üppigen Bühnenlösungen gelobter Experte seines Faches (Thomas Dörfler), ein Ausstatter, dessen Kostüme stets Werk plus Darsteller dienen (Michael D. Zimmermann) und ein an vielen deutschen Bühnen als Intendant und Regisseur tätiger Gast, Ulrich Peters – die Vorgaben waren denkbar gut für einen bombigen Abend. Jedoch – der Funke wollte (zumindest bei mir) nicht zünden, das Geschehen auf der Bühne wirkte zu brav, ohne jegliche Schärfe und Konturen. Hübsche Bilder, flotte Weisen – in diese Produktion kann man getrost seinen Erbonkel, die nette Nachbarin von nebenan mitnehmen. Aufregung ist nicht angesagt. Für denjenigen, der sich mehr als nur einen gefällig-durchgestylten Abend erwartete, zogen sich die knapp 2 ¾ Stunden (samt sehr langer Pause!) ziemlich.
Ein elegant gekleideter Schauspieler (Jan-Hinnerk Arnke) kündigte in knappen Worten die einzelnen Szenen an. Auf der Bühne ein Ensemble, das vermutlich von Vorstellung zu Vorstellung das Opernhafte ablegen und den Weill-/Brecht-typischen Stil finden wird. Aufhorchen ließ die sehr aparte, mit einem leuchtenden Prachtsopran aufwartende Jennifer Davison. Was ihrer Jenny jedoch fehlt ist das Laszive, Lulu-nahe. Wolfgang Schwanningers rollenbewährter Jim Mahoney überzeugte mit tenoraler Standfestigkeit und glaubwürdiger Darstellung. Sein Schicksal, kein Geld für eine Zeche zu besitzen, wird mit einer Art Kreuzes-Tod bestraft. Die Gründer von Mahagonny, das sinistre Trio Leokadja Begbick – Fatty – Dreieinigkeitsmoses war mit Jennifer Maines, Dale Albright und Johannes Wimmer besetzt. Maines, diese Bühnentigerin, wirkte diesmal sehr gezähmt – keine Spur von Verruchtheit und Verschlagenheit. Stimmlich liegt ihr diese Rolle, die einen saftigen, 100 %igen Mezzo / Alt verlangt, nicht durchgehend. Albrights an sich typengerechter Fatty litt unter permanentem vokalem Höhenstress – warum plagt man ihn mit derartigen Gesangsrollen? Wimmer hingegen reüssierte in allen Punkten und machte als Meisterboxer gute Figur. Verlässlich wie immer Innsbrucks junge Herrengarde: Florian Stern als sich zu Tode fressender Jack, Marc Kugel als im Boxring zu Tode kommender Joe, Daniel Raschinsky (Bill) sowie Joshua Lindsay (Tobby). Die flotten Mädels von Mahagonny wurden von den Chordamen Monika Duringer, Renate Fankhauser, Claudia Heuel, Heidi Jochmus, Saiko Kawano, Su-Jin Kim, Doris Moser und Ana Paula Queiroz auch stimmlich reizvoll dargeboten, während aus den Reihen des Herrenchores nicht nur Tonschönes zu vernehmen war (Einstudierung Michel Roberge).
Animierter, lange währender Schlussapplaus im nicht ausverkauften Haus.
Dietmar Plattner