Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

INGOLSTADT: GINEVRA DI SCOZIA von Johann Simon Mayr

14.06.2013 | KRITIKEN, Oper

Jubiläumskonzert in Ingolstadt: „Ginevra di Scozia“ von Simon Mayr (Aufführung: 14. 6. 2013)

 
Der Komponist Johann Simon Mayr (1763-1845)

 Nicht nur Richard Wagner und Giuseppe Verdi werden in diesem Jahr gefeiert, auch Johann Simon Mayr (geb. 1763 in Mendorf in Bayern, gest. 1845 in Bergamo), dessen Geburtstag sich am 14. Juni zum 250. Mal jährte. Aus diesem Grund führten an diesem Tag die Internationale Simon Mayr-Gesellschaft und die Stadt Ingolstadt, wo er am Jesuitenseminar seine Ausbildung erhielt, in Kooperation mit dem Bayerischen Rundfunk seine Oper „Ginevra di Scozia“ im Theater Ingolstadt konzertant auf.

 Das Dramma eroico per musica in zwei Akten, dessen Libretto Gaetano Rossi verfasste, wurde im April 1801 in Triest uraufgeführt und bereits am 22. Oktober des gleichen Jahres in Wien gezeigt, wo es 1810 zu einer Wiederaufführung kam. Die letzte verbriefte Aufführung war 1831 in Palermo, danach geriet es genauso in Vergessenheit wie die meisten Werke von Simon Mayr, der in Italien unter dem Namen Giovanni Simone Mayr – nicht zuletzt als Lehrer von Gaetano Donizetti – berühmt wurde.

 Erst in den letzten Jahren trat eine Renaissance seiner Opern ein, was vor allem ein Verdienst der rührigen Simon Mayr-Gesellschaft ist. So wurde in den vergangenen zwei Jahren von der Bayerischen Theaterakademie von seinen etwa siebzig Opern „Amore non soffre opposizioni“ und „Adelasia ed Aleramo“ aufgeführt und zuletzt „Medea in Corinto“ an der Bayerischen Staatsoper in München in einer allerdings heftig umstrittenen Neuenfels-Inszenierung gezeigt. Die Hamburger Kammeroper brachte heuer seine Komödie „Lauter Verrückte“ („Che originale“) zur Aufführung.

 Grundlage der Handlung von „Ginevra di Scozia“ ist eine schottische Sage aus Orlando furioso von Ludovico Ariosto, das bereits einer stattlichen Reihe von Barockopern als Vorlage gedient hatte. Die Oper spielt in der Hauptstadt des Königreichs Schottland, das sich im Krieg gegen Irland befindet. Der italienische Ritter Ariodante soll die Schotten zum Sieg führen und dafür Ginevra, die Tochter des Königs, die Ariodante liebt, zur Frau bekommen. Eine Intrige von Polinesso, dem Oberkommandierenden des Heeres, die er mit dem Edelfräulein Dalinda einfädelt, lässt Ariodante glauben, dass Ginevra ihn betrügt. Er stürzt sich aus Verzweiflung in einen Fluss – und Ginevra soll auf dem Scheiterhaufen sterben. – Als Dalinda die Intrige reuevoll aufdeckt und Ariodante zwar verletzt, aber lebend wieder auftaucht, wendet sich das Schicksal. Als schwarzer Ritter verkleidet, besiegt Ariodante im Duell den Verräter Polinesso und wird vom Volk bejubelt. Klassisches Happyend: Ariodante und Ginevra sind vereint.

 Für die hohe musikalische Qualität der konzertanten Aufführung sorgte neben dem internationalen Sängerensemble das hervorragend disponierte Münchner Rundfunkorchester, das von vielen Kennern der Musikszene seit der Leitung durch den leider früh verstorbenen Dirigenten Marcello Viotti (von 1998 bis 2004) in die vorderste Reihe der Klangkörper der bayerischen Hauptstadt gestellt wird. Unter der umsichtigen und sehr sängerfreundlichen Leitung des jungen griechischen Dirigenten George Petrou, der auch am Hammerklavier spielte, gelang es dem Orchester, die musikalisch exzellente Partitur des Komponisten von den dramatischen bis zu den zartesten Piano-Tönen in allen Nuancen wiederzugeben.

 In der Titelrolle brillierte die griechische Sopranistin Myrtò Papatanasiu, die als Königstochter Glück und Leid ihrer Rolle stimmlich hervorragend auszudrücken verstand. Ihr ebenbürtig die italienische Mezzosopranistin Anna Bonitatibus, die als Ariodante mit großem Einsatz ihre Hosenrolle bewältigte und ihre Gefühle äußerst dramatisch ausdrückte. Bemerkenswert, dass beide Sängerinnen in der Pause ihre Kleidung wechselten. So zeigte sich Ginevra im ersten Teil in einem bunten Kleid, Ariodante in einem weißen Anzug und danach beide in dunklen Gewändern. Eine weitere Hosenrolle, Ariodantes Bruder Lurcanio, wurde von der Mezzosopranistin Stefanie Irányi gesungen.

 Als König von Schottland sprang der Bariton Peter Schöne kurzfristig für den erkrankten Kay Stiefermann ein. Mit sonorer Stimme war er bereit, die Gesetze des Landes konsequent zu befolgen, die den Tod seiner Tochter vorschrieben. Die zwielichtige Figur des Oberkommandierenden Polinesso gestaltete der griechische Tenor Mario Zeffiri mit seiner kräftigen und dennoch lyrischen Stimme äußerst eindrucksvoll. Durch seine imposante Erscheinung wäre er auch für eine szenische Aufführung eine Idealbesetzung dieser Rolle. Das Edelfräulein Dalinda, das bei der Intrige gegen die Königstochter mitspielt, wurde von der Sopranistin Magdalena Hinterdobler mit breitgefächerter Stimme gesungen. In zwei kleineren Rollen ergänzten das ausgewogene Ensemble der kroatische Tenor Marko Cilic als Ariodantes Knappe Vafrino und der aus Berlin stammende Bariton Virgil Mischok als Vorsteher des Templerordens.

 Häufig zum Einsatz kam der Männerchor des Heinrich-Schütz-Ensembles Vorbach, der mit außergewöhnlicher Stimmkraft aufwartete (Einstudierung von Martin Steidler, dem Gründer des Ensembles, das u.a. beim Chorwettbewerb in Spittal an der Drau ausgezeichnet wurde).

 Das begeisterte Publikum im voll besetzten Festsaal des Theaters Ingolstadt sparte nicht mit Szenenbeifall – die Vorstellung dauerte fast vier Stunden – und applaudierte am Schluss allen Mitwirkenden minutenlang. Es ist den Verantwortlichen der Simon-Mayr-Gesellschaft, deren Präsident Rainer Rupp vor der Vorstellung eine längere Begrüßungsrede hielt, in der er unter anderen Staatsminister Dr. Ludwig Spaenle in Vertretung des Schirmherrn Horst Seehofer willkommen hieß, für diese Ehrung des fast schon in Vergessenheit geratenen Komponisten Simon Mayr zu danken.

 Udo Pacolt, Wien

 

 

Diese Seite drucken