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Ingeborg Zechner: FRANZ WAXMAN:

Am Ende siegte immer das Kino

21.07.2025 | buch, CD/DVD/BUCH/Apps

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Ingeborg Zechner:
FRANZ WAXMAN:
Zwischen Filmmusik und Konzertsaal
432 Seiten, Verlag Böhlau, Wien, 2024

Am Ende siegte immer das Kino

Filmmusik hat ihre ausgesprochenen Fans, nicht nur im Kino, sondern auch, wenn sie – was immer öfter der Fall ist – im Konzertsaal erklingt. Gewiss besteht ihre allererste Aufgabe darin, das, was der Film an Bildern liefert, durch Musik gewissermaßen emotional zu illustrieren. Eine „dienende“ Kunst, gewiss – und doch eine sehr selbständige, auch wenn sie so selbstverständlich richtig sein sollte, dass man sie gewissermaßen nicht bemerkt…

Aber „Programm Musik“ dieser Art ist letztendlich auch in der Klassik vertreten, da wird die Natur mit Noten „gemalt“ (die Pastorale) oder auch dramatische Ereignisse (Also sprach Zarathustra). Und je besser die Filmmusik ist, umso intensiver wird das Kinoerlebnis sein.

Die Musikwissenschaftlerin Ingeborg Zechner, die an der Universität Graz u.a. einen Forschungsschwerpunkt auf Filmmusik setzt, hat die Person von Franz Waxman (1906–1967) für ihre mit Förderungspreisen bedachte Habilitationsarbeit gewählt. Und nun liegt das Ergebnis als umfangreiches Buch von über 400 Seiten vor.

Geboren wurde er als Franz Wachsmann (noch mit zwei „n“ am Ende) am Weihnachtstag 1906 in Oberschlesien. Sein Leben war kurz, schon 1967 starb er, 60jährig an einer Krebserkrankung in Hollywood. Bis dahin hatte er allerdings nicht nur quantitativ Unglaubliches geleistet.

Aus jüdischer Familie stammend, sollte Franz einen kaufmännischen Beruf ergreifen, aber er liebte das Klavier und zog zu Studienzwecken nach Dresden und Berlin.  Seinen Lebensunterhalt verdiente er als Klavierspieler. Er fand den Weg nicht nur zum Jazz, sondern auch zum deutschen Film, wo er für die Musik des längst legendär gewordenen „Der blaue Engel“ sorgte. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten konnte er seine vielversprechende Karriere nicht fortsetzen und ging über Frankreich nach Amerika.

Hier konnte man diesen Franz Waxman, wie er sich nun nannte, sehr gut brauchen, er arbeitet für Metro Goldwyn Mayer und schrieb deren Titelmelodie. Er arbeitete für Hitchcock, für das Genre des Film Noir, schuf die Musiken zu Klassikern, wie man sie heute versteht – ob „Sunset Boulevard“, ob „Prinz Eisenherz“. Leitmotive a la Wagner und eingängige Symphonik nach großen europäischen Vorbildern machten seine Musiken ungemein ansprechend. Er bewegte sich, was Regisseure und Darsteller seiner Filme betraf, in den „höchsten Kreisen“ Hollywoods. Sein Fleiß war ungeheuer, oft vertonte er während eines Jahres fünf bis sechs Filme. Von zwölf Oscar Nominierungen trug er die begehrte Statuette zweimal heim.

Das umfangeiche Buch analysiert nun auf biographischer Grundlage soziologisch die Situation von Filmkomponisten, wobei der ungeheure Aderlass bekannt ist, den der deutschc Film durch die Abwanderung von jüdischen Künstlern aller Sparten erlitt. Unter denen hatten es die Musiker, die keine Sprachbarrieren kannten, am leichtesten, wenn sie imstande waren, die Populärkultur des Kinos zu bedienen, was Waxman auf hohem Niveau tat.

Dennoch hat ihm diese Sparte seines Schaffens nicht genügt, wie ein Ausspruch zeigt: „Movie music is played once and it is heard once. It must be immediately effective or it has no value. There is no time or opportunity for study and contemplation.“ Mehre erhoffte sich Waxman, der in den fünfziger Jahren auch an einer „Dr. Jekyll und Mr. Hyde“-Oper arbeitete, die nie fertig wurde, vom Konzertsaal. Er gründete 1947 das Los Angeles Music Festival, wo er oft dirigierte – unter anderem konzertante Versionen seiner Filmmusiken.

Tatsächlich hat Waxman, wie die Autorin ausführt, zahlreiche Karrieren in sein kurzes Leben geprest – er war Jazz-Musiker, Arrangeur, Filmkomponist, ,Konzertveranstalter, liebäugelte als Komponist und Dirigent mit der Oper.  Dennoch sind es seine Filmmusiken, die überlebt haben, nicht nur, wenn die Filme (darunter zahllose hochrangige Klassiker) immer wieder laufen, sondern auch in „Soundtrack-Alben“, wie sie lange populär waren.

Bei all seiner stupenden Vielfältigkeit – das Filmgeschäft hat Männer wie ihn gebraucht. Nicht, dass es Franz Waxman geschadet hätte – warum hätte er nicht tun sollen, was er am besten konnte?

Renate Wagner

 

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