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INGEBORG BACHMANN: EINE HOMMAGE

08.01.2023 | buch, CD/DVD/BUCH/Apps

buch bachmann hommage

Hg. Michael Hansel / Kerstin Putz
INGEBORG BACHMANN
EINE HOMMAGE
292 Seiten, Paul Zsolnay Verlag, 2022

Heuer ist Bachmann-Jahr

Üblicherweise interessiert man sich bei lebenden Autoren mehr für das Werk als für die Person. Bei Ingeborg Bachmann (1926 bis 1973) war das anders. Kaum in der literarischen Szene aufgetaucht, riß das Interesse an ihr und ihrem Privatleben nicht ab. Dass eine junge Schriftstellerin am Titelblatt des „Spiegel“ erschien, am  18. August 1954 als Achtundzwanzigjährige  – das schaffte außer ihr nur Francoise Sagan…1991 erschien sie dann am Cover der „Emma“, lange nach ihrem Tod immer noch präsent.

Das Interesse an der Bachmann steigerte sich noch nach ihrem Tod, diesem schrecklichen Verbrennungstod im römischen Bett, besonders, da er von unlösbaren Rätseln umgeben ist, was stets zur Mythenbildung beiträgt (Selbstmord, Unfall, selbst verschuldet, Versagen der Ärzte…?) Alles will man seither über die Bachmann wissen, so dass es nicht verwundert, dass der Buchmarkt mit biographischer Sekundärliteratur und der Edition ihrer diversen Briefwechsel gesättigt ist (dass jetzt jener mit Max Frisch dazu kam, war die letzte Sensation).

Und doch gibt es, wenn sich ihr Todestag am 17. Oktober 2023 zum 50. Male jähren wird und das Bachmann-Jahr schon Ende vorigen Jahres eingesetzt hat, Neues. Als Begleitbuch zur Ausstellung, die das Literaturmuseum in Wien veranstaltet, hat der Paul Zsolnay Verlag einen Band herausgebracht, der als „Hommage“ betitelt wurde – und der nicht nur zeitlich über die Ausstellung hinaus gehen wird, sondern es auch ermöglicht, sich über die Dauer eines Live-Besuchs hinaus intensiver mit dem gebotenen Material zu befassen.

Ingeborg Bachmann hat ein großes Werk hinterlassen, weil Schreiben für sie die essentielle, ihre Existenz bestätigende Tätigkeit war. „Ich existiere nur, wenn ich schreibe, ich bin nichts, wenn ich nicht schreibe, ich bin mir selbst vollkommen fremd, aus mir herausgefallen, wenn ich nicht schreibe“, formulierte sie einmal eine Art von Grundsatzstatement. Anfangs berühmt für ihre Gedichte, Hörspiele und meisterhafte Erzählungen, kulminierte ihr Schaffen wohl in dem Roman „Malina“. Aber was die Ausstellung und damit das Buch bieten können, geht weit über das Bekannte hinaus.

Wenn die Österreichische Nationalbibliothek den Bachmann-Nachlass zählen würde, käme man auf insgesamt rund 20’000 Blatt beschriebenen Papiers. Das Buch enthält also in erster Linie „Material“, darunter viel Handschriftliches, viel Getipptes mit Korrekturen. Diesen nachzuspüren, würde allerdings ein dezidiert germanistisch-wissenschaftliches Interesse voraus setzen.

Die Bachmann war eine ungewöhnlich produktive Briefschreiberin, die NB verzeichnet rund 6000 Briefe von mehr als 1000 Korrespondenzpartnern. Man findet außerdem Entwürfe für Literarisches, autobiographische Aufzeichnungen und solche, die ihr Interesse über Literatur hinaus für Philosophie, für Musik dokumentieren (für Henze schrieb sie Opernlibretti).

Was man Devotionalien nennt, ist vorhanden, was ein Alltagsleben bunt macht – eine leere Schachtel für Nil-Zigaretten (die es längst nicht mehr gibt). Vor allem ist da aber ihre Olympia-Schreibmaschine (kein Laptop könnte je so „persönlich“ sein wie dieses Schreibgerät), mit der sie noch in Rom ihre Nachbarn nervte, weil sie unaufhörlich in der Nacht zu klappern pflegte. Man sieht so Persönliches wie Notizbücher, Bücher aus ihrem Besitz, Zeitungsausschnitte über sie, die immer so viel Beachtung fand.

Man kann ihr auch anhand der Fotos nachspüren, der Frau, die so schüchtern wirkte und dabei so exzentrisch war, so offen für viele Beziehungen ihres Lebens, darunter so Berühmtheiten wie Paul Celan, Hans Werner Henze und schließlich jener Max Frisch, mit dem sie das Image des funkelnden Literatenpaares ausstrahlte. Man sieht Fotos aus ihrer Kärntner Kindheit, Bilder ihrer Wiener Wohnungen, Schnappschüsse aus dem römischen Alltag. Und daneben auch Fotos, wo sie sich selbst nicht uneitel in Szene setzte, zweifellos am eigenen „Bild“ arbeitend – sie war zu klug, um nicht zu wissen, was sie tat.

Kommt einem die Bachmann, die Mysteriöse, hier näher? Mit den Objekten ihres Lebens ist man in diesem Buch ziemlich nahe an ihr dran. Dass man sie „verstehen“ könnte, hätte sie wohl selbst nicht gewollt. Die Artikel des Buches, die die Dokumente begleiten, nehmen sich in wissenschaftlicher Manier Einzelfragen vor.

Renate Wagner

 

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