Die Regie-Arbeiten von Andreas Homoki am Opernhaus Zürich während seiner Intendanz
Prem. Datum Werk / Dirigent /Hauptrollen
09.Dez. 2012 Der fliegende Holländer/Altinoglu Kampe/Terfel/Salminen/Jentsch
07.Apr. 2013 Lady Macbeth von Mzensk/Currentzis Serjan/Rydl/Jovanovich
08.Dez. 2013 Fidelio/Luisi Kampe/Gantner/Jovanovich/Fischesser
21.Sep. 2014 Lohengrin/Young
Vogt/van der Heever/Gantner/Lang
14.Feb. 2015 Juliette/Luisi
Dasch/Kaiser
13.Sep. 2015 Wozzeck/Luisi Gerhaher/Jovanovich/Barkmin
19.Jun. 2016 I Puritani/Luisi Yende/Florez/Petean/Pertusi
22.Jan. 2017 Médée/Christie d’Oustrac/van Mechelen/di Piero
18.Jun. 2017 Das Land des Lächelns/Luisi Beczala/Kleiter/Olvera/Lang
04.Mär. 2018 Lunea/Holliger Gerhaher/Banse
27.Mai. 2018 La Forza del destino/Luisi Gerzmava/Lee/Petean/Fischesser
09.Dez. 2018 Sweeny Todd/Abell Terfel/Kirchschlager
23.Jun. 2019 Nabucco/Luisi Volle/Naglestad/Zeppenfeld/Bernhei
02.Feb. 2020 Iphigénie en Tauride/Capuano Bartoli/Dégoût/Autour/Lapointe
06.Dez. 2020 Simon Boccanegra/Luisi Gerhaher/Rowley/Fischesser
11.Apr. 2021 Les Contes d’Hoffmann/Fogliani Pirgu/Galka/Bakanova/Fagan/Foster
12.Sep. 2021 Salome/Young Stikhina/Schuste/Smoriginas/Ablinger
30.Apr. 2022 Das Rheingold/Noseda Konieczny/Bardon/Klink/Howarth
18.Sep. 2022 Walküre + Cutler/Köhler/Fischesser/Nylund
05.Mär. 2023 Siegfried + Vogt/Ablinger/Purves/Danik
05.Nov. 2023 Götterdämmerung + Schmutzhard/Leigh/Fagan/Rehlis
07.Apr. 2024 Carmen/Noseda Viotti/Pirgu/Tanasii/Golinski
22.Sep. 2024 Ariadne auf Naxos/Poschner Köhler/Dai/Jovanovich
09.Jun. 2025 Elias/Noseda Gerhaher/Kleiter/Peter/Lehmkuhl
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Nachdem sich nach Andreas Homokis‘ Abschied der Weihrauch verflüchtigt hat und der geflossene Himbeersirup aufgewischt wurde, ist es Zeit einen kritischen Blick auf seine 24 Regiearbeiten zu werfen.
Natürlich durch meine subjektiv-objektive Brille, basierend auf rund 2’500 besuchten Opernabende.
Generell gilt, dass Homoki kein Regie-Berserker war, eher einer, der traditionelle Sichtweisen hinterfragt.
Bei FIDELIO, den Homoki mit der Konfrontation Leonore-Pizarro und Florestan im Kerker beginnen liess, entfernte er sich allerdings am weitesten vom Original. Danach wurde die Geschichte sozusagen aus Leonores Erinnerung erzählt. Zusätzlich gab es aus dem Off eine
nüchtern-sachliche Stimme, die die biedermeierlichen Dialoge überflüssig machte.
Ich empfand sie live interessant, die Aufführung hatte Drive. Im Nachhinein hatte ich Einwände, ich habe sie kein zweites Mal besucht.
Nun aber sofort zu den drei besten Arbeiten des Hausherrn:
– LADY MACBETH VON MZENSK ging unter die Haut, kam frech daher, war intensiv, laut, überwältigend.
– WOZZECK mit Gerhaher als geschundener Kreatur in Höchstform, Barkmin und Jovanovich.
Ungewöhnlich inszeniert, restlos überzeugend.
– LES CONTES D’HOFFMANN: überzeugten in ihrer Reduktion auf das Wesentliche. Keine Ausstattungsrevue, bunt in den Kostümen, einfach, klar und konzise erzählt. Die Produktion kam während der Pandemie als Stream ins Haus.
Im Vergleich was RING-mässig im vergangenen Jahrzehnt weltweit „verbrochen wurde“, empfand ich Homoki’s Version als angenehm. Die Handlung wurde verständlich erzählt. Der Einsatz der Drehbühne erlaubte, dass es praktisch keine Umbaupausen gab, es ging voran und hatte meist Zug. Und die Sängerriege war grösstenteils von guter Qualität. Es gab u.a. vielbeachtete Debuts von Nylund als Brünnhilde und Vogt als Siegfried.
Ich bleibe gleich bei den zwei weiteren Wagner-Arbeiten: Die erste Homoki-Arbeit als Intendant, DER FLIEGENDE HOLLÄNDER, war eher in der Kolonialzeit als im hohen Norden Europas verortet, hatte zwei-drei Ungereimtheiten, die jedoch nicht gross störten. Die Sängerriege mit Urgestein Salminen, Kampe, Terfel und Jentsch war ausgezeichnet. Diese Produktion kam beim Publikum gut an.
Und nun zum LOHENGRIN (bei uns eher verschmitzt mit dem Übernamen „Trachtengrin“ versehen), der bei Euch in Wien wegen der Verortung ins Dorf Milieu mit ausgeprägtem Geme(r)cker(e) auf wenig Gegenliebe stiess. Ich kann es mir nicht verkneifen, anzumerken, dass sowohl die Vorgänger- wie die nachfolgende Lohengrin Inszenierung der Staatsoper Wien keinen Deut schlüssiger, traditioneller oder besser ausfiel.
Die Dernière der Wiederaufnahme am 4.Mai (ich habe berichtet) geriet mit Beczala, Schneider, Gantner und Smirnova zu einer musikalisch umjubelten Sternstunde. Wenn so grandios gesungen wird, verkommt die Regie zur Nebensache.
Erlauben Sie mir, bevor ich fortfahre, darauf hinzuweisen, dass A.Homoki sich mit einigen Raritäten auseinandergesetzt hat. JULIETTE von Martinu, MEDEE von Charpentier, der Uraufführung LUNEA von Holliger und SWEENY TODD von Abell. Hat für den Regisseur den Vorteil, dass kaum jemand die Werke kennt. Somit bleibt die Einordnung der Regie schwierig.
Zu Lunea und Médée kann ich mich nicht äussern, da ich beider Komponisten Musik nicht mag.
Neugierde hat mich Juliette und Sweeny Todd besuchen lassen. Bei der Martinu-Oper ist mir vor allem der Wow-Effekt einer auf die Bühne fahrenden Eisenbahn-Komposition in Erinnerung geblieben. Die nachtschwarze Komödie Sweeny Todd wurde vor allem durch Bryn Terfel zum Ereignis.
Mit der SALOME hatte ich ein Klimaproblem: das Bühnenbild war modern-kalt, im Weltraum
mit Mond, völlig gegensätzlich zur schwülen Musik und Atmosphäre der Handlung. Dieser Gegensatz ging für mich nicht auf. Und die Verdreifachung der Juden, also 15, anstelle von 5 Mann, erschloss sich mir nicht. Abhaken und vergessen trotz passenden Stimmen.
Als Auftakt zu seiner letzten Spielzeit nahm sich Andreas Homoki die ARIADNE AUF NAXOS vor. Ich gestehe, ich habe gekniffen, aus zwei Gründen. Die vorherige Kult-Inszenierung im Bühnenbild des berühmten lokalen Restaurants Kronenhalle, die ich x-mal mit berühmten Diven aus aller Welt in der Titelrolle besuchte. Bitte stellen Sie sich vor, die Wiener Produktion würde naturgetreu 1:1 im Bühnenbild im Hotel Sacher oder bei Demel spielen. Der zweite Grund war die Besetzung der Zerbinetta mit einer blutjungen Nachwuchssängerin. Ihre zwei Vorgängerinnen waren Gruberova und Mosuc.
Einige Kritiken blickten wie ich zurück, erwähnten jedoch positiv Homokis Mut, einer jungen Kraft, die überaus anspruchsvolle Koloraturen Partie im Sinne der Nachwuchsförderung anzuvertrauen.
Genau denselben Mut bewies Homoki mit der jungen Schweizerin Viotti, die er in CARMEN mit
der Titelrolle besetzte. Auch da wurden von der Kritik teilweise Vorbehalte laut, aufGrund von berühmten Vorgängerinnen wie Baltsa und Kasarova, weil die Nachwuchssängerin die grosse Rolle noch nicht in allen Facetten auszufüllen vermochte.
Es war eine Koproduktion mit der Opéra Comique. Ich schaute mir vor der Première in Zürich den Stream der Pariser Aufführung an. Akt 1: Kahle Bühne bis auf Stellwände, nüchtern-kalt,
trostlose Leere. Dann Wachablösung, die Buben spielen gemäss Libretto Soldaten, bei Homoki ziehen sie den Sergeanten Don José bis auf die Unterhose aus … Bei mir bimmeln die Alarmglocken, diese Produktion muss ich mir nicht antun. Im Alter wird man selektiv.
Weiter zu den drei Verdi-Inszenierungen in den Jahren 2018/19/20: Die FORZA gilt als schwierig zu inszenieren. Die herrliche Musik tröstete mich über szenisch Ungereimtes hinweg. Es gab kein No-Go, es war nicht schlecht, aber es war nicht überzeugend, irgendwie mittelmässig.
Bei NABUCCO wurde wie öfters bei Homoki die Drehbühne eingesetzt, nur eine hohe Wand unterteilte die Bühne in zwei Hälften. Und die Wand drehte sich oft, zu oft. Es half die Chormassen, von der einen zur anderen Seite schreiten oder laufen zu lassen… gebückt oder erhobenen Hauptes, flehend, mit ausgestreckten Armen u.s.f. und wieder von vorn beginnend.
Kommt hinzu, dass Michael Volle, den ich im deutschen Fach überaus schätze, als Verdi-Bariton in der Titelpartie bei mir nicht ankam. Selbstverständlich schön gesungen und rollendeckend gespielt, aber es fehlte mir etwas Italinità.
Und nun zu SIMON BOCCANEGRA, Produktion, die als Stream während der Pandemie ins Wohnzimmer daheim geliefert/übertragen wurde. Strenge Regeln mussten eingehalten werden, die Ausführenden durften, selbst bei Duetten, nicht nebeneinander stehen. Und da war dann die in drei Segmente überbaute Drehbühne mit Winkeln, Torbögen, Türen und Fensteröffnungen hilfreich. Auch hier drehte sich die Bühne oft: dies half Homoki als Regisseur die Regeln einzuhalten, weil die Sänger stets nach einer Szene in den nächsten Raum gehen,
taumeln, eilen oder innehalten, weitergehen müssen. Auf diese Weise wurde sinnfreies Herumstehen ohne Aktion auf Grund der Vorschriften vermieden. Das muss man erstmal hinkriegen, Und das bei einem Werk mit verworrenem Inhalt und Zeitsprung. Ich winde Homoki einen Kranz dafür. Dass der begnadete Liederinterpret Gerhaher in der Titelrolle kein Zoll ein selbstbewusster Seefahrer, der zum Politiker und Doge von Genua erwählt wird, war, sondern von Beginn weg ein Zweifler, der sich und alles hinterfragt, schien mir falsch. Ob das von der Regie so gewollt oder vom Sänger so interpretiert wurde, ich weiss es nicht. Kommt hinzu, dass Gerhaher etwas Saft für eine Verdi Bariton Partie zu fehlen scheint.
Bleiben noch I PURITANI mit Yende/Florez/Petean/Pertusi: leicht hingearbeitet im positiven Sinne, die Sänger trugen den Abend…
… und IPHIGENIE EN TAURIDE mit Bartoli. Diese Aufführung habe ich verpasst.
Und zu seinem Abschied wählte Andreas Homoki das Oratorium ELIAS. Die internationale und lokale Kritik war sich einig, dass die szenische Umsetzung nicht überzeugte, die musikalische Seite mit den Solisten Gerhaher/Kleiter/Peter/Lehmkuhl ein Hochgenuss war, den Abend rettete.
Schlussbetrachtung:
Während der Intendanz Homoki haben Jetske Mijnssen, Jan Philipp Gloger und Barry Kosky mehrfach am Opernhaus Zürich inszeniert.
Mijssen hat mich zwar nicht verstört, jedoch ab und an gelangweilt. Gloger im leichten Genre, bei Rossini überzeugend, bei Mozarts Figaro nervend. Kosky arbeitet auch nicht in althergebrachter Sichtweise, seine Inszenierungen haben Schwung und Witz. Sein Raben-Macbeth, in Zürich ein Riesenerfolg/Kult, wurde in Wien von den meisten Merkern abgelehnt.
Leider wurden auch Tatjana Gürbaca und Sebastian Baumgarten oft mit Inszenierungen betraut: beide sind durch kopflastige Interpretationen und Konzepte mehrfach negativ aufgefallen. Ihre Arbeiten/Interpretationen wurden mehr als einmal als Etikettenschwindel abgelehnt. Manche waren klar dem gängigen Begriff des Genres Regietheater zuzurechnen.
Dies hatte zur Folge, dass Andreas Homokis Inszenierungen meist eher „gnädig“ beurteilt wurden.
Nun, sie alle sind nun Geschichte, ich weine Ihnen nicht nach.
Unter der Intendanz Schulz kommen für Neuinszenierungen andere, neue Namen zum Einsatz.
Mit mir hoffen viele auf neue Impulse/Sichtweisen und spannende Abende am Opernhaus Zürich.