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HOF: TANNHÄUSER UND DIE KEILEREI AUF DER WARTBURG

19.07.2012 | KRITIKEN, Oper

Gelungene Opernparodie in Hof: „Tannhäuser und die Keilerei auf der Wartburg“ von Carl Binder und Johann Nestroy (letzte Vorstellung: 18. 7. 2012)


Karsten Jesgarz als Tannhäuser in vollstem Einsatz (Foto: SFF Fotodesign, Hof)

Das Theater Hof feierte mit der Wiederaufnahme der Produktion der Opernparodie „Tannhäuser und die Keilerei auf der Wartburg“ von Carl Binder und Johann Nestroy aus der Saison 1995 / 96 einen großen Publikumserfolg. Fast alle Vorstellungen seit der Premiere am 29. Juni waren ausverkauft.

Johann Nestroy brachte die köstliche Opernparodie am 31. Oktober 1857 am Wiener Carl-Theater, deren Direktor er war, zur Uraufführung, wobei er selbst den Landgraf Purzel spielte. Richard Wagners Original erlebte seine Wiener Erstaufführung an der Hofoper erst am 19. November 1857. Ein besonderer Coup! Die Musik schrieb der österreichische Komponist und Dirigent Carl Binder (1816 – 1860), der den Großteil seiner Laufbahn am Theater in der Josefstadt und am Carl-Theater verbrachte und zu insgesamt 150 Lust- und Singspielen die Musik verfasste, darunter zu sieben Stücken von Nestroy. Überlebt hat allerdings nur die Parodie auf den Tannhäuser.

Nestroys Tannhäuser-Version ist eine Posse, in der es ausgesprochen komisch und ausgelassen zugeht. Wolfram von Dreschenbach und Walter von Finkenschlag treten als Mitglieder des landgräflichen Männergesangsvereins auf, Heinrich Tannhäuser ist ein „bis in den Venusberg heruntergekommener Tenor“ und die Venus entpuppt sich als Inhaberin eines Delikatessenkellers. Statt ehrfurchtsvoll den „holden Abendstern“ zu besingen, wendet sich Wolfram in dieser Opernparodie auch an den Mond: „Guter Mond, du gold’ne Zwiebel, ach, dich seh’ ich äußerst gern. Doch auch du bist gar nicht übel, hochgeehrter Abendstern!“

Dass das Stück im Studio des Theaters Hof in deftig-bayerischer Biergarten-Atmosphäre über die Bühne ging, hatte für das Publikum den Vorteil, dass es seine Getränke und Speisen in den Aufführungsraum mitnehmen konnte. Die Inszenierung und die musikalische Leitung der fünfköpfigen „Tannhäusers Höllenfahrts-Kapelle“ hatte Klaus Straube inne, der überdies auch am Klavier spielte. Schon die erste Szene im Venusberg war auf pfiffig-ironische Art komödiantisch-erotisch angelegt und brachte das begeistert mitgehende Publikum in launige Stimmung, für die der literarische Zynismus des Werks und die deftige schwäbische Mundart sorgten. Da es dem Regisseur gelang, auch die Chorszenen und den „Sängerkrieg“ mit ausgelassener Komik spielen zu lassen, vergingen die zwei Stunden wie im Flug. Ein paar klamaukhafte Szenen musste man zwar in Kauf nehmen, dennoch überwog der zünftige Spaß.

Die Titelrolle lag beim Tenor Karsten Jesgarz in besten Händen, mit denen er sich schon in der ersten Szene wollüstig in die attraktiven Kurven der Venus wühlte. Durch seine komödiantische Darstellungskunst, gepaart mit seiner geschulten Opernstimme, bedeutete er eine Idealbesetzung für diese Rolle. Köstlich Inga Lisa Lehr als Venus, die ihre weiblichen Formen verführerisch ins Spiel brachte und dazu mit ihrem Koloratursopran alle Anforderungen ihrer Rolle erfüllte.

Sehr publikumswirksam agierte der Bariton Jürgen Schultz als Wolfram von Dreschenbach. Sein urkomisches Mienenspiel und seine etwas unbeholfen wirkenden Bewegungen verursachten beim Publikum von Anfang an Heiterkeit, köstlich seine Version der Arie vom Abendstern. Mit subtilem Humor stattete der Bass Hans-Peter Pollmer die Rolle des Walter von Finkenschlag aus, witzig auch die Mezzosopranistin Marianne Lang in der Hosenrolle des Fridolin von Taubenklee. Der Schafhirt wurde von Wojciech Miazga dargestellt.

Den Landgraf Purzel von Thüringen stellte der Bariton Peter Stöckigt großväterlich dar, leider war er stimmlich indisponiert, was bei dieser Posse allerdings kaum ins Gewicht fiel. Umso quirliger dafür die Sopranistin Ingrid Katzengruber als seine Nichte Elisabeth, die ihre Liebe zu Tannhäuser sehr körperlich zum Ausdruck brachte. Auch stimmlich konnte sie überzeugen.

Der stimmkräftige männliche Teil des Opernchors trat in bayerischer Jägertracht auf, der weibliche in körperbetonten Seidengewändern als verführerische „Venustöchter“ (Einstudierung: Michel Roberge). Zu erwähnen ist noch die Regieassistentin Claudia-Maria Wagner, die am ersten Tisch vor der Hauptbühne Platz nahm (die zweite Bühne an der hinteren Wand des Studios blieb dem Venusberg vorbehalten). Sie war als Souffleuse im Einsatz und sorgte überdies für die Getränke der durstigen Akteure. Für die Bühne zeichnete Thomas Mogendorf verantwortlich, die auf die einzelnen Rollen gut abgestimmten Kostüme (beispielsweise Tannhäuser in bayerischer Lederhose, Venus in tiefdekolletierte roter Robe, Landgraf in hochdekorierter Hoftracht etc.) entwarf Barbara Schwarzenberger.

Das Publikum, das auch mit Szenenbeifall nicht geizte, drückte seine Begeisterung am Schluss der Vorstellung mit minutenlangem Applaus und Bravorufen für alle Akteure aus. Unterbrochen wurde er schließlich von Intendant Uwe Drechsel, der das langjährige Ensemblemitglied Jürgen Schultz mit einer Laudatio, in der er seine langjährigen Verdienste um das Theater Hof hervorhob, in die Pension verabschiedete.

Leider wurde der dritte Akt von einem vom Publikum unbemerkten tragischen Unglücksfall eines Chormitglieds überschattet, der hinter der Bühne geschah. Schon während der letzten Szenen der Vorstellung, die bis zum Schluss gespielt werden konnte, war an den Mienen und Tränen einzelner Darstellerinnen abzulesen, dass ein Missgeschick passiert sein musste.

Udo Pacolt, Wien – München

 

 

 

 

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