Katharina von der Leyen,
Philipp Hochmair:
HOCHMAIR, WO BIST DU?
Biografie
256 Seiten, Brandstätter Verlag 2025
Der um sich selbst kreist
Da mögen sich jeden Sommer noch so viele berühmte Sänger in Salzburg tummeln, der „König“ der Festspiele ist ja doch der „Jedermann“. Also seit dem Vorjahr – und heuer, mit einem gewaltigen Publicity-Schub noch mehr – Philipp Hochmair. Schon als kleiner Junge stand er liebend gern im Mittelpunkt, also hat er mit Anfang 50 (dabei mit dem Aussehen eines Jünglings) wohl seinen bisherigen Höhepunkt erklommen. Den er offensichtlich genießt, ununterbrochen medial unterwegs. Und nun kann man über ihn auch detailfreudig nachlesen.
Das Buch ist kaum wenige Wochen auf dem Markt und bei Amazon schon die Nr. 1 unter den Biographien von Theaterkünstlern, die Nr. 2 bei den Bios über die Reichen und Berühmten (Nr. 1 ist angeblich JD Vance, der hat den amerikanischen Markt). Und wenn dann bei den Rezensionen geschwärmt wird, nach der Lektüre halte man Hochmair für ein Genie – was will man mehr?
Die Autorin Katharina von der Leyen tut viel, um den Mythos Hochmair zu bekräftigen. Sie erzählt zwar in der dritten Person, stützt sich aber auf zahllose Gespräche und Ich-Statements des Schauspielers. Sie hat auch viele Kollegen und Bekannte befragt, und wo er selbst nicht allzu schamlos mit Superlativen über sich selbst herumwerfen will, tun sie es (er sei der „disziplinierteste Mensch“, wie ein „Hochleistungssportler“, Bewunderung fließt)..
Heraus kommt die klassische Geschichte eines Talents (einer Ich-Besessenheit?), das / die sich gegen alle Widerstände durchsetzt. Denn das Wiener Elternhaus war höchst bürgerlich, und dass der Vater ungeachtet der Mega-Erfolge des Sohnes noch immer nicht begeistert ist von dem, was dieser zeigt und in seiner Welt bedeutet – ja, damit muss man leben.
Jemand, der so danach strebte, zu gestalten und gesehen zu werden, für den war das Theater der richtige Ort. (Schon als Ministrant hatte ihn das „Theatralische“ an der Messe mehr fasziniert als die Religion. Und wenn er Texte à la Albin Skoda brüllte – es gab Schallplatten als Vorlage -, konnte der Vater nur erschrecken…)
Mit dem Faust-Zitat „Des Chaos wunderlicher Sohn“ charakterisiert, folgt man Hochmair also durch das Leben, Schauspieler, natürlich, gegen den vehementen Widerstand der Eltern. Er hat Widerstand zum Konzept gemacht, weil er weißt, dass die meisten Menschen da einknicken und dass einem die bewundernde Beachtung der farblosen Normalos sicher ist.
Im Theater hatte er das Glück, im Sommer 1997 in Nürnberg dem Regisseur Nicolas Stemann zu begegnen (Netzwerken ist alles) und mit ihm große Rollen an großen deutschen Häusern zu spielen. Auch am Burgtheater ist er in seiner Frühzeit schon aufgefallen als einer, der anders ist als die anderen, mehr ist als die anderen. „It’s better to burn out than to fade away“, lässt er uns wissen, und so hat er es gehalten. Das Leben ist ein Spiel, ein Experiment, in dem alles Platz hat, „hysterische“ Soloabende und ORF-Durchschnittskrimis als blinder Ermittler, ja, sogar bei den „Vorstadtweibern“ war er dabei. Karriere auf allen Ebenen, auch mit nacktem Oberkörper, ein Mann muss auch sexy sein. Selbst wenn in seinem Leben, wie er selbst einräumt, kein Platz für menschliche Beziehungen ist.
Hochmair hat für das Buch tief ins Familienalbum gegriffen, von Anfang bis zum Ende sprechen Bilder reichlich von seiner Geschichte, ganz wenige sind „ganz normale Fotos“, die meisten dokumentieren seine zelebrierte Exzentrik. Man sieht Hochmair auch Arm in Arm mit Klaus Maria Brandauer, dessen Nachfolger er in vieler Hinsicht ist. Das letzte Bild zeigt ihn als Hamlet mit dem Totenkopf – „Wer bin ich überhaupt?“, grübelt er und fragt sich, ob dieses Buch auch ihm selbst eine Antwort gibt… Schwer zu sagen.
Wie sympathisch man diesen in sich selbst versponnenen Philipp Hochmair nach dieser Selbstdarstellung finden mag (oder auch nicht), eines ist sicher – er ist derzeit der schillerndste Vogel in der großen Voliere der Kultur. Und jedenfalls einer, der es nicht durch Bluff, sondern durch Können (wenn auch mit beachtlichem Kalkül) so weit gebracht hat, wie er heute ist.
Renate Wagner