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Hertha Kratzer: ALLES, WAS ICH WOLLTE, WAR FREIHEIT

23.11.2015 | buch, CD/DVD/BUCH/Apps

BuchCover Kratzer, Alles, was ich wollte~1

Hertha Kratzer:
ALLES, WAS ICH WOLLTE, WAR FREIHEIT
Außergewöhnliche Österreicherinnen der Moderne
224 Seiten, Styria Premium Verlag, 2015

Schon seit längerer Zeit setzt sich Autorin Hertha Kratzer auf die Spuren spektakulärer Frauenschicksale, und da geht der Stoff nicht so leicht aus. Ihr jüngstes Buch, „Alles, was ich wollte, war Freiheit“, teilt die außergewöhnlichen Österreicherinnen der Moderne nach drei Schwerpunkten: Schauplatz Manege und Bühne / Emanzipation und Extravaganz / Wagnis Wissenschaft. Liest man sich durch die Schicksale, was eine durchaus interessante, oft sogar spannende Lektüre ist, fällt eines auf: Kaum eine der Damen wurde in ihrem Leben, in dem sie alle bürgerliche Vorurteile und Hindernisse über Bord warfen, nach konventionellen Lebensanschauungen „glücklich“. Manchmal (Frieda Strindberg, Sir Galahad) so unglücklich, dass man beim Lesen aus dem Mitleid nicht herauskommt.

Dass Henriette Willardt es zur Löwenbändigerin brachte, trug ihr zwar Manegen-Glitzer, aber kein glanzvolles Leben ein. Tilla Durieux musste sich stets sagen lassen, wie häßlich sie sei, erkämpfte mühsam darstellerische Triumphe und hatte mit ihrem Privatleben gar kein Glück. Cilli Wang, Jüdin wie so viele Frauen dieses Buches, überlebte den Holocaust und baute sich ihre ganz eigentümliche Karriere als Pantomimin mit Puppen. Dass Hedy Lamarr zwar das machte, was man eine große Karriere nennt, aber Jahrzehnte ihres Lebens im Medikamenten- und Drogenabhängigkeit verbrachte, macht das Schicksal der aus Wien stammenden Hollywood-Diva mit sechs Ehen nicht glücklicher.

Unter dem Titel „Emanzipation und Extravaganz“ überwiegt Letztere – nicht bei der „braven“ Gräfin Nora Kinsky, die ihr Krankenschwesterndasein ernst nahm und daran früh starb, aber bei der bedauernswerten Wanda von Sacher-Masoch, die sozusagen ihr halbes Leben mit Pelz und Peitsche verbringen musste, um den Bedürfnissen ihres perversen Gatten nachzukommen. Und Frida Uhl, die August Strindberg heiratete und auch von Frank Wedekind ein Kind hatte, stellte wohl einen Rekord an missglückten Beziehungen auf.

Im „Wagnis Wissenschaft“ dürfte nur Gabriele Possanner, Österreichs erste Ärztin, ein einigermaßen befriedigendes Leben geführt haben, wobei die Autorin allerdings nichts über ihr Privatleben erzählt (vielleicht hatte sie keines). Der Kampf um ihren Doktortitel zu Zeiten, wo man Frauen geradezu empörend behandelte, war von unglaublichen Widerständen geprägt (Das Medizinstudium sei „ein ebenso operettenhaftes wie untaugliches Manöver des Weibes zur Lösung seines sexuellen Dilemmas“, fand Fritz Wittels, der, obgleich selbst eine höchst fragwürdige Erscheinung, damals durchaus die Überzeugung der Männerwelt kundtat).

Zwei Wissenschaftlerinnen / Schriftstellerinnen trafen es auch nicht gut: Bertha Eckstein-Diener, die unter dem Pseudonym „Sir Galahad“ Sachbücher und historische Romane schrieb, verließ einen bedeutenden Gatten (jenen Friedrich Eckstein, von dem Karl Kraus sagte, das Lexikon käme nachts, um in ihm zu blättern) für einen windigen Schönling (Theodor Beer) und landete in ihrem selbst bestimmten Leben am Ende bei jenen Ideologien, aus denen sich auch Hitler speiste. Den Beitrag über Helene von Druskowitz nennt die Autorin dann selbst „Die abnorme Philosophin“, denn sie hat gegen eine feindselige Männerwelt dermaßen aufbegehrt (mit Hassorgien gegen Nietzsche), dass sie die letzten 30 Jahren ihres Lebens in der Psychiatrie verbrachte, wo ihr brillanter Verstand nur in Schüben hervorkam.

„Der Mann als logische und sittliche Unmöglichkeit und als Fluch der Welt“, schrieb Helene von Druskowitz, und das zeigt, wie verhärtet die Fronten in einer Welt sein konnten, wo die halbe Bevölkerung noch in der Unterdrückung durch die andere lebte. Und die Freiheit, die sich die geschilderten Frauen gegen die Konventionen der Gesellschaft und den Widerstand der Männer genommen haben, mussten sie teuer bezahlen.

Renate Wagner

 

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