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HERRENCHIEMSEE-FESTSPIELE: KONZERTANTER „FIDELIO“ – Mendelssohns SOMMERNACHTSTRAUM unter Guttenberg mit Brandauer

19.07.2014 | KRITIKEN, Oper

HERRENCHIEMSEE FESTSPIELE 2014: Sommernachtstraum und Fidelio – 17. und 18.7.2014

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„Fidelio“: O namenlose Freude. Susanne Bernhard und Jörg Dürrmüller. Copyright: Herrenchiemsee Festspiele

Exquisites in königlicher Atmosphäre

Die unter der Schirmherrschaft Seiner Königlichen Hoheit Herzog Franz von Bayern stehenden Festspiele präsentierten sich dieses Jahr in einem wahren Kaiser-Wetter mit einem höchst atraktiven Programm, für welches der initiative Intendant Enoch zu Guttenberg verantwortlich zeichnete. Einen schöneren Ort als den Spiegelsaal des Schlosses Herrenchiemsee wird man wohl kaum finden können. Zudem ist der Saal akustisch erstaunlich gut geeignet und bringt den Klang deutlich und klar bis in die letzten Reihen. So geriet Beethovens Siebente, die A-Dur-Sinfonie, zu einem spannenden Stück Musik, ohne Pathos, aber mit viel Dramatik und Lyrik. Die von Enoch zu Guttenberg gewählten Tempi erschienen absolut natürlich, weder überdreht schnell noch zerdehnt langsam. Das Orchester der KlangVerwaltung, wie das Orchester originellerweise heisst, war wie üblich mit 6 ersten Geigen etc. besetzt, sodass die Streicher die Holzbläser nicht übertönten und so mit dieser  Orchester-Besetzung eine optimale Klang-Balance erreicht wurde. Alle Nebenstimmen traten wie von selbst hervor und fügten sich dann wieder ins Ganze ein. Die dramatischen Zuspitzungen ergaben sich wie von selbst und wurden nicht „vorgeführt“. Was gibt es Schöneres über eine Interpretation zu sagen, als dass sie einfach natürlich war und dadurch wirkte. Nach der Pause dann wurde die Bühnenmusik zu Shakespeares „Sommernachtstraum“ des genialen Jung-Genies Felix Mendelssohn-Bartholdy endlich einmal in einer vervollständigten Fassung aufgeführt. Kein Geringerer als Klaus Maria Brandauer sprach die teilweise neu von ihm selbst ergänzten Zwischen-Texte und entwarf so das ganze sommernächtliche Verwirrspiel nur durch das gesprochene Wort. Man konnte seiner Fantasie freien Lauf lassen und war von der Meisterschaft Brandauers verzaubert. Susanne Bernhard und Sarah Ferede gestalteten die wenigen Soli, der Frauenchor der Chorgemeinschaft Neubeuren (Leitung: Robert Schlee) sang die Elfenmusik Mendelssohns wunderbar leicht und zugleich auch klar intoniert und deutlich! Enoch zu Guttenberg dirigierte auch hier wieder erfreulich natürlich und liess die Musik sich entwickeln und aufblühen. Die wunderbaren Harmonien – Mendelssohn wusste, wie man mit einer simplen Quinte Elfenmusik hervorzaubert – , die träumerischen Lyrismen und die nahezu volkstümliche Nähe des Rüpeltanzes und Hochzeitsmarsches wurden wiederum von der KlangVerwaltung hinreissend musiziert. Ein wunderbarer sommernächtlicher Abend (17.7.).

Am Abend darauf war dann Beethovens „Fidelio“ in einer konzertanten Form angesagt. Doch nicht Arie an Arie wurden aneinandergereiht, sondern der stellvertretende Intendant der Festspiele Klaus Jörg Schönmetzler trat in der Figur Jean-Nicolas Bouilly auf, der seinerzeit Zeuge des aktuellen Geschehens gewesen war und in dieser Verkörperung höchst aufschlussreiche Informationen zur Oper Beethovens geben konnte. So wurde die historische Begebenheit wieder in das Umfeld der Französischen Revolution zurückversetzt, was dem Librettisten Joseph Ferdinand von Sonnleitner durch die Zensur verwehrt war, weshalb die Handlung von Paris nach Sevilla verlegt werden musste. Dass sich dadurch einige Unstimmigkeiten ergeben mussten – Fidelio ist ja ein Revolutionsstück – , erstaunt dann nicht mehr, wenn man die Hintergründe kennt. Dass diese Informationen aber nicht belehrend, sondern mit Engagement und Liebe zum Werk von Herrn Schönmetzler vorgetragen wurden, sei hier lobend erwähnt.

Das Gesangs-Ensemble überzeugte durch die Ausgewogenheit der Stimmen. Susanne Bernhard sang ihre erste Fidelio-Leonore und sie tat das mit einer bewundernswerten Souveränität. Die schlank geführte Stimme von Susanne Bernhard ist kein hochdramatischer Heroinensopran, sondern ein jugendlich lyrisch-dramatischer Sopran mit einer tollen Höhe. Die Arie gelang ihr tadellos – wie viele andere Leonoren haben damit schon gekämpft! – und in der Kerkerszene entwickelte sie hochdramatische Attacke. Die Mittellage und Tiefe dürfte sich in Zukunft noch runden, sonst gibt’s da gar nichts auszusetzen. Als ihr Partner war der erfahrene Jörg Dürrmüller ein absolut sicherer Florestan und sang die Fiebervision ohne Probleme. Als Marzelline entzückte Sibylle Rubens mit silbernem Gesang, wogegen ihr Partner Daniel Johannsen (Jacquino) ihr gegenüber doch zu wenig tragfähig klang. Als Rocco hörten wir den etwas an Franz Crass erinnernden schönstimmigen jungen Bass David Steffens, der die nicht unumstrittene Handlungsweise des Gefängnisaufsehers doch etwas verständlich machen konnte. Mit Jochen Kupfer trat ein Pizarro auf, der sofort durch seine Präsenz und dramatische Baritonstimme gefangen nahm. Ideal in der Verschmelzung von Stimme und Sprache umriss der junge Sänger den verwerflichen Charakter des Gouverneurs. Erstaunlich diese Perfektion für ein Rollendebut! Als Don Fernando nahezu sprang Falko Hönisch ein, der seine Sache gut machte. Gut auch die Soli der beiden Gefangenen von Florian Richter und Thomas Lackinger. Ganz fabelhaft sangen die Herren und Damen der Chorgemeinschaft Neubeuern (Einstudierung wiederum: Robert Schlee). Ganz faszinierend gestaltete sich die musikalische Leitung durch Enoch zu Guttenberg. Wieder mit dem mit 6 ersten Geigen besetzten Orchester konnte der Dirigent alle Untertöne hörbar machen, die sonst bei gross besetzten Orchestern gerne untergehen: so das verschiedentliche Herzklopfen, die Unruhe der seelischen Bewegung, die Unterdrückung im autoritären Staate, das Aufbegehren zur Freiheit – alles war da und ging zu Herzen. Besonders schön geriet die Schluss-Kantate „Wer ein holdes Weib errungen“, wo Guttenberg bei den Choreinsätzen manchmal ein nahezu tänzerisches Element aufdeckte. So konnte der Chor nach den anstrengenden Fortestellen immer wieder auf einen schönen Klang zurückgeführt werden. In der Interpretation von Enoch zu Guttenberg wurde Beethovens Werk mit dem Finale gekrönt, da es nicht angehängt erklang, sondern folgerichtig als musikalischer Höhepunkt den Jubel um die Freiheit verkörperte. Eine fabelhafte Aufführung des unvergänglichen Werk Beethovens.

John H. Mueller    

 

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