Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

Herbert Lackner: RÜCKKEHR IN DIE FREMDE HEIMAT

09.05.2021 | buch, CD/DVD/BUCH/Apps

buchcover lackner, rückkehr

Herbert Lackner
RÜCKKEHR IN DIE FREMDE HEIMAT
Die vertriebenen Dichter und Denker und die ernüchternde Nachkriegs-Wirklichkeit
200 Seiten, ueberreuter, 2021

Um die Verfolgung und Vertreibung jüdischer Künstler durch das Nazi-Regime ist es in den vorigen Büchern des Journalisten und Sachbuchautors Herbert Lackner gegangen („Als die Nacht sich senkte“, „Die Flucht der Dichter und Denker“). Nun schließt er eine Trilogie zu diesem so tragischen wie für Österreich beschämenden Thema ab. Wobei man sagen muss, dass „Rückkehr in die fremde Heimat“ im Grunde nichts Neues erzählt.

Dass das zerbombte „Österreich“ (nicht mehr Ostmark) keineswegs daran interessiert war, die Vertriebenen zurück zu holen (und ihre geraubten Besitztümer zu ersetzen) – das ist oft festgestellt worden. Desgleichen, dass viele, die in der Nazizeit aktiv waren, mit dabei sein durften, die Zweite Republik aufzubauen. Ebenso, dass der Antisemitismus ja nicht verschwunden war, und damals keine „politische Korrektheit“ (und Ahndung durch die Sozialen Medien wie heute) viele Menschen daran hinderte, das auch offen auszusprechen. Tatsächlich begegnete man den einstigen Emigranten, wenn sie denn zurück kehrten, oft mit offener Feindseligkeit – als hätten diese es sich im Ausland gut gehen lassen, während man selbst den Krieg erleiden musste. Es ist eine Geschichte, die bis heute beschämt.

Lackner packt sie von vielen Ecken und Enden an. Einerseits erzählt er von Österreichern in der Emigration, wo es nicht vielen so gut ging, wie Alma Mahler-Werfel, die ihren Franz Werfel zu dauerndem lukrativen Romanschreiben zwang, große Parties veranstaltete, von Politik eigentlich nicht reden wollte und großes Mitleid mit dem gstürzten Mussolini empfand. Allerdings, das wird viel später erzählt, wurde die Rückkehr nach Wien, wo sie ihre verlorenen Besitztümer natürlich nicht fand, für sie zu einer großen Enttäuschung…

Damals in Hollywood: Man sollte vielleicht nicht zu sehr über die Filmfirmen schimpfen, die europäische Autoren beschäftigten und gleichzeitig ignorierten, an ihrer Arbeit überhaupt nicht interessiert waren, was für deren Selbstwertgefühl beschämend war, aber zumindest die Rechnungen zahlte… das war ja auch nicht selbstverständlich.

Für die Emigranten gilt wohl durchwegs, was Alfred Polgar formulierte: „Die Fremde ist nicht Heimat geworden. Aber die Heimat Fremde.“ In der Fremde nahmen sich viele das Leben, von Stefan Zweig bis Walter Benjamin. In der Fremde wurden sie vielfach verfolgt, wobei Bert Brechts Lüge vor dem „Komitee für unamerikanische Umtriebe“ des Senators Joseph McCarthy natürlich eine Geschichte für sich ist, denn natürlich war er Kommunist. Auch Brechts Versuch, unter dem Vorwand, seine Frau (Helene Weigel) sei Österreicherin, da stünde ihm doch ein österreichischer Paß zu (mit dem er sich ungehindert in beiden Teilen Deutschlands bewegen wollte) – das gehört zu den anders betrachteten unschönen Geschichten der Zeit – Schwarz und Weiß kann man hier nie zeichnen.

Lackner blättert Einzelschicksale auf. Er zeigt, dass Karl Farkas und Hermann Leopoldi nur einigermaßen unbehelligt heimkehren und wieder arbeiten konnten, weil sie bereit waren, nicht darüber zu reden, was ihnen passiert war, und weil sie niemandem Vorwürfe machten. Robert Stolz, als Nichtjude emigriert, stieß nach der Rückkehr auf völliges Unverständnis, warum er denn nicht in Nazi-Deutschland geblieben wäre…

Viktor Matejka, Wiens kommunistischer Kulturstadtrat, war der Einzige, der Emigranten immer wieder zur Rückkehr aufforderte. Manche kamen in Uniform wie Ernst Lothar, der dann über die Entnazifizierung alter Freunde wie Paula Wessely befinden musste. Richard Strauss war über die Befragung durch „hasserfüllte Rückkehrer“, wie er sagte, sehr verärgert. (In diesem Kapitel gibt es übrigens einen gravierenden Fehler: Werner Krauss hat nicht, wie hier behauptet, die Titelrolle in „Jud Süß“ gespielt, das war Ferdinand Marian, sondern mehrere Judenrollen erschreckend brillant verkörpert.) Friedrich Torberg spionierte für die Amerikaner und verfolgte Brecht, gemeinsam mit dem aus der Schweiz zurück gekehrten Hans Weigel. Auch Klaus Mann kam in US-Uniform, aber Franz Lehar wollte nicht von „unangenehmen Dingen“ reden. Und dass der Vater von Klaus Mann, Thomas Mann, von der „Kollektivschuld“ der Deutschen sprach, regte keinerlei Überlegungen an, sondern nur den blanken Haß auf den Mann, der dies zu behaupten wagte…

Emigrant Bruno Kreisky half, die Zweite Republik aufzubauen. Autor Herbert Lackner, einst führend bei der „Arbeiter Zeitung“ dabei, widmet den politischen Ereignissen im Nachkriegs-Österreich und deren Protagonisten so viel Platz wie den Emigranten, nicht zuletzt, um zu zeigen, dass kaum jemand mit sauberen Händen antrat und vieles verdrängt werden musste, damit man weiter machen konnte. Die „alten Nazis“ waren überall, sehr schön kann er es an der Geschichte des Staatspreises für Literatur zeigen, den sich die „Ehemaligen“ unter einander zuschoben, Rudolf Heinz, Felix Braun, Max Mell, Karl Heinrich Waggerl – nur Franz Theodor Csokor, aus der Emigration zurück, durchbricht die „illustre“ Reihe.

Was verbrochen worden ist, an Leben und an menschlichen Seelen – man kann es nicht gut machen. Vielleicht kann man daraus lernen.

Renate Wagner

 

Diese Seite drucken