Helsinki: Tristan und Isolde – Premiere am 17.5.2013
Natürlich huldigte auch die Finnische Nationaloper in dieser Saison den beiden Jubilaren mit zwei Neuinszenierungen. Verdis „Don Carlo“ war wenig zufriedenstellend ausgefallen, was hauptsächlich an der missglückten Regie lag, aber auch an einem inhomogenen Sängerensemble, doch mit Wagners „Tristan und Isolde“ ist ihr nun ein einhelliger Erfolg beschieden, ich würde sogar sagen, ein Triumph für alle Beteiligten. Kompliment an die für die Besetzung Verantwortlichen, denen es gelungen war, ein Stückensemble aus Haussängern und Gästen zu verpflichten, das schwerlich zu überbieten sein dürfte. Zwar beschränkte sich der Noch-Künstlerische Leiter des Hauses (Mikko Franck) darauf, in den Pausen die Gäste zu begrüßen, doch für dieses Stück, das eigentlich in die Hände des GMDs gehört, war mit PINCHAS STEINBERG ein überaus kompetenter Dirigent gefunden worden, der das Orchester hervorragend vorbereitet hatte. In der Anlage seiner Interpretation in den ersten beiden Aufzügen vielleicht eine Spur zu sinfonisch, die Sänger dabei mehr wie Farben im Orchester behandelnd, gelang ihm im 3. Aufzug eine perfekte Balance aus Anpassen und Führen – eine Leistung, die zu Recht stark akklamiert wurde. Zwar ist Tristan keine Choroper, doch der voluminöse Männerchor zeigte das immense Potenzial finnischer Chöre.
Warum die großen Opernhäuser Mitteleuropas bisher an der Isolde der Schweizerin MARION AMMANN vorübergingen, wird mir schleierhaft bleiben. Eine im Kern jugendlich-dramatische Stimme, doch tragfähig und durchschlagskräftig genug, um allen Anforderungen ihrer Partie perfekt gerecht zu werden, dazu eine attraktive „irische Maid“, deren nordische Schönheit gepaart mit großer Ausdrucksstärke auch optisch eine Augenweide war. Ihr als Tristan auch in Bayreuth bewährter Partner ROBERT DEAN SMITH bestach vor allem durch die Selbstverständlichkeit, mit der er alle Schwierigkeiten seines Parts singend bewältigte, ohne jemals Zuflucht ins bloße Deklamieren zu suchen. Auch er eigentlich mehr ein jugendlicher als ein schwerer Heldentenor, besaß seine Stimme doch eine beeindruckende Durchschlagskraft bei gleichbleibender Tonschönheit. LILLI PAASIKIVI (ab 1.8. die neue Intendantin des Hauses) war eine großartige Brangäne, deren apartes Timbre sich sehr gut von dem der Isolde abhob, ohne Mühe mit ihrer hoch liegenden Partie zu haben. Im Kurwenal hat TOMMI HAKALA eine seinem Stimmtyp wie ein Handschuh passende Rolle gefunden, metallisch, höhensicher – eine Leistung, wie man sie auch (oder gerade?) in Bayreuth nicht besser zu hören bekommt. Im Mittelpunkt der Ovationen stand MATTI SALMINEN, dessen Marke man nur bei wenigen, nicht voll ausgesungenen Höhen das fortgeschrittene Alter des Künstlers anmerkte, der ansonsten gerade in dieser Partie alle Vorzüge seiner Stimme, ja seines Künstlertums vereinte. TUOMAS KATAJALA war ein klangschöner Junger Seemann; der aus dem Off singende Hirt (KAI PITKÄNEN), WALTTERI TORIKKA (Melot) und ARTO HOSIO (Steuermann) ergänzten unauffälliger.
Der ebenfalls diese Premiere besuchende Wagner-Experte des Online-Merker Klaus Billand wird sich sicherlich eingehender (und kompetenter) mit der Inszenierung beschäftigen. Daher von mir nur ein erster Eindruck: Dem dänisch-schwedischen Produktionsteam aus ELISABETH LINTON (Regie), STEFFEN AARFING (Bühnenbild), MARIE I DALI (Kostüme) und JESPER KONGSHAUG (Lichtgestaltung) ist meiner Ansicht nach eine sehr poetische Umsetzung des Stoffes gelungen, im besten Wortsinn stückgerecht, weder den Anfänger überfordernd (das Stück wurde zuletzt vor 40 Jahren in Helsinki gegeben), noch den Kenner des Werkes langweilend –außer ggf. die Zuschauer, die ein Gegen-den-Strich-Bürsten benötigen, um über eine Oper nachdenken zu können. Einige Ideen, auf die Klaus Billand sicherlich ausführlicher eingehen wird, waren ungewohnt, ohne sich zwischen Werk und Publikum zu stellen. Alles in allem also eine erfreulich gelungene Premiere, auf die das neue künstlerische Leitungsteam Lilli Paasikivi und Michael Güttler (Chefdirigent) aufbauen kann.
Sune Manninen