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HEIMITO VON DODERER: BRIEFE AN ASTRI UND HANS VON STUMMER

17.01.2023 | buch, CD/DVD/BUCH/Apps

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„WER SICH IN FAMILIE BEGIBT…“
HEIMITO VON DODERER
BRIEFE AN ASTRI UND HANS VON STUMMER
Herausgegeben von Claudia Girardi und Gerald Sommer
320 Seiten, KRAL Verlag, 2022 

Angeblich soll Heimto von Doderer selbst das Sprichwort „Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um“ in „Wer sich in Familie begibt, kommt darin um“ paraphrasiert haben, und in manch einem seiner Werke kann man das nachvollziehen.  Allerdings mutet es für sein Privatleben ungerecht an, wenn man bedenkt, wie wichtig seine Schwester Astri für ihn war. Das bezeugt nun ein Band von Briefen an sie, die erst kürzlich aus dem Kasten, wo sie ruhten, hervor geholt wurden…

Heimito von Doderer (1896-1966) war der jüngste von sechs Geschwistern, aber nur eine Schwester, die ihm im Alter am nächsten war, die um drei Jahre ältere Astri ((1893–1989), die ihn um fast ein Vierteljahrhundert überlebte und sich sehr für sein Werk und Andenken einsetzte, spielte eine große Rolle in seinem Leben.

Doderer lebte die meiste Zeit in Wien, Astri hingegen, die 1914 Hans von Stummer (1888-1972) heiratete, verbrachte den Großteil ihres Lebens auf dem Doderer-Familiensitz in Prein an der Rax. Dieser Riegelhof war auch für Doderer selbst ein häufiger Rückzugsort, und die Schwester war ihm Gesprächspartnerin im Leben und auf dem Papier.

Sie hat seine Briefe und Karten, 175 Korrespondenzstücke,  sorglich aufbewahrt (er ihre offenbar nicht, sonst wären sie zweifellos gemeinsam veröffentlicht worden…). Das Konvolut ruhte in einem Kasten im ersten Stock des Riegelhofs. Mit Dr. Claudia Girardi und Gerald Sommer, dem Mitbegründer und seit 2008 Vorsitzenden der Heimito von Doderer-Gesellschaft, haben sich die richtigen Liebhaber gefunden, würdig, diesen Schatz von Astris Enkelin (und Doderers Großnichte) zur Publikation erhalten zu haben. Es eröffnet sich, wie die Herausgeber schreiben, ein „interessantes, kurioses, ja auch berührendes Geschwisterbild“.

Das aufwendig und schön gestaltete Buch, das im KRAL Verlag und zusätzlich als Band 7 der Schriften der  Heimito von Doderer-Gesellschaft erschienen ist, ist ein  Gustostück für Doderer-Fans. Für Normalleser, die den Dichter zwar kennen, aber weder Leben noch Werk gänzlich verinnerlicht haben, eine schwierige Lektüre.

Erhalten sind Doderers Schreiben aller Art (Karten, Briefe, dazu seine originellen, wenn auch künstlerisch nicht wirklich begabten Zeichnungen, die vielfach abgebildet werden)  zwischen den Jahren 1931 und 1966 (die letzte Nachricht stammt vom Sommer 1966, im Dezember ist Doderer gestorben).

Zu Beginn lag die literarische Berühmtheit des damals 35jährigen, die sich erst 1951 mit der „Strudlhofstiege“ einstellen sollte (in der Astri ja als Asta Stangeler vorkommt), noch in der Ferne, da war ein großes Gesamtwerk noch im Entstehen. Für den Leser ist er aber schon in den Briefen „ganz Doderer“, verschnörkelt denkend und formulierend, immer wieder Begriffe erfindend – die Herausgeber sind im Kommentar gefordert, hier Erklärungen zu geben. Manches hat noch Astri selbst aufschlüsseln können, bei manchem müssen sie die Waffen strecken und zugeben, dass sie nicht wissen, was gemeint ist („Wohl ein familiensprachliches Kennwort, dessen Bedeutung sich im nachhinein kaum erschließen lässt“, heißt es einmal).

Überhaupt sind die Briefe, zumal neben schlicht Familiärem so viele Menschen aus Doderers Kreis vorkommen, die nicht allgemein bekannt sind („Auftritte wie aus einem Panoptikum“ nennen es die Herausgeber),  ohne Kommentar kaum zu verstehen. Damit haben sich die Herausgeber viel Mühe gemacht, er nimmt fast ein Drittel des Buches ein. Zusammenfassend kann man sagen, dass diese Briefe in erster Linie für Wissenschaftler von Nutzen ist, die jeden biographischen Brocken zu Doderers Werk suchen und hier manches finden. Aber auch jene leidenschaftlichen Doderer-Leser, die von diesem ebenso sonderbaren wie besonderen Menschen nicht genug bekommen haben, werden reich bedient.

Renate Wagner

 

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