
Foto: Andreas Etter
Das Ende der Habsburger Doppelmonarchie nach dem ersten Weltkrieg wird bei dieser hintersinnigen Inszenierung durchaus mitgezeichnet. Man blickt in geradezu nostalgischer Verklärung auf eine Welt, die es so nicht mehr gibt. Symbolisch für diese Sichtweise steht der große Kronleuchter, der sich immer wieder in geheimnisvoller Weise herabsenkt. Der Schmerz des Verlustes wird durch das märchenhafte Ende am Schluss deutlich abgemildert. Emmerich Kalmans persönlichste Operette behandelt sowohl das Gefühl des Ausgegrenztseins als auch das Problem des Verlustes von Heimat und Wohlstand. Denn Kalman musste schon als jüdischer Junge erfahren, dass sein Vater als Unternehmer Bankrott machte. Andreas Wiedermann unterstreicht in seiner suggestiven Inszenierung den „Tanz auf dem Vulkan“ als orgiastische Dauer-Party, die außer Rand und Band gerät. Die überkommene Hedonisten-Gesellschaft wird so grell überzeichnet. Selbst dadaistische Momente fehlen hier nicht. Die Verwundungen des Krieges werden bei den Protagonisten immer wieder deutlich. Der wirtschaftliche Ruin des Grafen Tassilo, die Schrullen des Hausdieners und ehemaligen Souffleurs Penizek, das imperiale Gebaren der Fürstin und der schneidige Tonfall des Fürsten Populescu runden sich zu einem grotesk überzeichneten Gesellschaftsbild voller Sarkasmus. Die Partys werden in penetranter Ausgelassenheit zelebriert, ein Innehalten ist selbst bei den Liebesszenen kaum möglich. Gräfin Mariza ist hier eine reiche und verwöhnte Dame, die aber auch die Gefühlskälte der High Society kennt. Bei der Begegnung mit Tassilo traut sie ihren eigenen Gefühlen nicht über den Weg. Darin ist sie für den Regisseur Andreas Wiedermann eine sehr heutige Figur. Tassilo und Mariza brauchen sehr lange, bis sie wirklich zueinander finden.
Foto: Andreas Etter
Das macht die Inszenierung recht gut deutlich. Zwischen dem gefallenen Grafen und der reichen Aristokratin liegen Welten. Die Pfalzphilharmonie Kaiserslautern musiziert unter der temperamentvollen und einfühlsamen Leitung von Massimiliano Iezzi voller Verve und Esprit. Vor allem der feurige Zauber des ungarischen Csardas blüht dabei immer wieder auf. Er ist der atemlos-rasante Gegenpol zum strengen Walzer. Die Intensität der Melodien und die elektrisierende rhythmische Verve der Musik kommen deutlich zum Vorschein. So können sich die Walzerlieder „Grüß mir die reizenden Frauen im schönen Wien!“, „Einmal möcht‘ ich wieder tanzen“, „Sag ja, mein Lieb, sag ja“ und „Schwesterlein, Schwesterlein“ in leidenschaftlicher Weise entfalten. Auch die Duette „Ich möchte träumen von dir, mein Puzikam“ und „Komm mit nach Varasdin“ haben es bei dieser Aufführung in sich. Alexander Geller kann als Graf Tassilo von Endrödy-Wittenburg vor allem beim Lied „Komm, Zigan, komm, Zigan, spiel mir was vor!“ mit tenoralem Schmelz überzeugen. Der sentimental-erregte Salonton wird bei dieser insgesamt ausgefeilten Interpretation aber nicht übertrieben. Trotz zuweilen starkem Vibrato vermag Caroline Melzer als Gräfin Mariza ihren Spitzentönen Glanz und Emphase zu verleihen. Johannes Fritsche als Fürst Populescu sowie Johannes Hubmer als Baron Zsupan liefern markante Charakterporträts. Als Tassilos Schwester Lisa überzeugt ferner Valerie Gels. In weiteren Rollen gefallen Astrid Vosberg als Fürstin Bozena Cuddenstein, Peter Floch als Kammerdiener Penizek, Bethany Yeaman als Wahrsagerin Manja, Radoslaw Wielgus als Baron Liebenberg, Andreas Neigel als Diener Tschekko sowie Evgeniya Selina als Ilka von Dambössy Grasuvesko, eine Freundin Marizas. Als Sologeiger treten bei den Aufführungen abwechselnd Pavel Anticona-Cabaliero und Alexander Jergens auf. Der Chor des Pfalztheaters imponiert immer wieder bei den fulminanten Einsätzen. Auch die Choreographie von Elisabeth Margraf unterstreicht den Kampf dieser morbiden Gesellschaft gegen den eigenen Untergang. Zwischen Folklore und unbändigem Temperament entspringen Töne und Rhythmen hier den Stimmen und Instrumenten. Marizas Auftrittsensemble gipfelt in einem spannungsvollen Csardas. Die Zigeunerkapelle heizt das Geschehen immer weiter an. Das schwermütige Lied der Zigeunerin Manja wird von Marizas und Tassilos gesanglichem Csardasfeuerwerk ergänzt. Magyarische Tempi und Intervalle überlagern dabei keineswegs störend die Boulevardklänge. Im letzten Akt fällt das Lied „Braunes Mädel von der Puszta“ mit den Rhythmen von „Blues und Boston“ besonders positiv auf. Die Salontänze werden zuweilen ganz bewusst übertrieben. Tassilo lässt sich hier im zweiten Akt von den launenhaften Damen mit Tennisschlägern vorführen: „Herr Verwalter, ich vergaß beim Tennis meinen Ball! Herr Verwalter, bringen Sie mir bitte meinen Schal!“ Auch der Slowfox „Pardon – Pardon – ich komme schon!“ heizt die Stimmung weiter an. So wird die Zeitlosigkeit dieser im Jahre 1924 im Theater an der Wien in Wien uraufgeführten Operette plastisch unterstrichen.
Viel Applaus und „Bravo“-Rufe des Publikums.