Foto: Hans-Juergen Brehm-Seufert
Premiere „Das Land des Lächelns“ von Franz Lehar am 28. März 2019 mit dem Pfalztheater Kaiserslautern im Theater/HEILBRONN
REIZVOLLE IMPRESSIONEN AUS CHINA
In den 20er Jahren gab es in Wien einige Beziehungen zwischen Wienerinnen und chinesischen Diplomaten. Franz Lehar hat dieses brisante Thema in eine überaus erfolgreiche Operette verwandelt, die bis heute nichts von ihrer Beliebtheit eingebüßt hat. Die Uraufführung am Berliner Metropol-Theater im Jahre 1929 wurde enthusiastisch gefeiert.
Die Inszenierung von Cusch Jung ist ebenso konservativ wie einfallsreich (Bühne: Thomas Dörfler; Kostüme: Sven Bindseil). Facettenreich wirken vor allem die Tanzeinlagen in der Choreographie von Janet Calvert, die den chinesischen Glanz und geheimnisvollen Zauber gut einfangen. Das Wien des Jahres 1912 wird mit pompösem Ambiente beschworen, wobei immer wieder eine leise Ironie mitschwingt.
Lisa kann als Tochter des Grafen Lichtenfels den Sieg bei einem Reitturnier für sich verbuchen. Währenddessen verliebt sie sich in den chinesischen Prinzen Sou-Chong, der als Gesandter in Wien seinen Dienst tut. Gegen die Warnungen ihrer Familie begleitet sie Sou-Chong nach China. Trotz der Liebe des Prinzen fühlt sich Lisa in dem Land fremd. Der zentrale Konflikt flammt auf, als der Prinz aufgrund der Landessitte vier Mandschumädchen heiraten muss. Aus diesem Grund kehrt Lisa schweren Herzens wieder in ihre Heimat zurück. Obwohl Sou-Chong leidet, zeigt er es nie: „Immer nur lächeln und immer vergnügt…“
Ruth Theresa Fiedler, Daniel Kim. Foto: Hans Juergen Brehm-Seufert
Das opulente Bühnenbild zeigt Wien um 1912 im Kleinformat, im zweiten Akt sieht man dann überdimensionale Lampenschirme und eine betont exotische Aura in Nebelschleiern. Der dritte Akt beschwört eine fast irreal-surrealistische Szenerie mit langen Bändern. Der prächtige Art-deco-Stil wird bei dieser gelungenen Inszenierung ganz bewusst unterstrichen. Bei Lisas Abschied aus China wird das gesamte Bühnenbild hochgefahren. Die feinnervige Psychologie und die dramatischen Gestaltungsmittel dieser Musik kommen mit Chor und Orchester des Pfalztheaters Kaiserslautern unter der einfühlsamen Leitung von Anton Legkii überzeugend zum Vorschein. Auch der Chor ist von Gerhard Polifka mit voluminöser Ausdruckskraft einstudiert worden. Insbesondere die fernöstliche Stimmungslandschaft wird hier sehr gut herausgearbeitet. Harmonik, Melodik und Rhythmik fesseln ebenso bei den Sängerinnen und Sängern, die sich auch darstellerisch profilieren können. Ruth Theresa Fiedler als Lisa vermag mit farbenreicher und zielsicherer Sopranstimme den Klangzauber ihrer nuancenreichen Rolle zu beschwören, während Daniel Kim als Sou-Chong mit leidenschaftlicher Tenorstimme den seelischen Zwiespalt des Prinzen mit Belcanto-Schmelz herausarbeitet. Bernhard Schreurs gestaltet markant Lisas Vater Graf Ferdinand Lichtenfels – und auch Daniel Böhm als eifersüchtiger Graf Gustav von Pottenstein (der Lisa schließlich wieder nach Österreich zurückbringt) zeigt hier viele Gesichter. Gesanglich kann er vor allem im Duett mit Sou Chongs Schwester Mi (ausgezeichnet: Monika Hügel) das Publikum für sich gewinnen: „O du geliebtes, süßes, kleines, feines Chinagirl…“ Österreichischer Buffo und asiatische Soubrette ergänzen sich dabei mit fabelhafter Ironie. Die Inszenierung betont gleichermaßen das Groteske und Burlesk-Puppenhafte. Melancholische Erinnerungen an die Heimat Lisas stechen leuchtkräftig hervor. Sou-Chongs berühmte Lieder „Immer nur lächeln“, „Von Apfelblüten einen Kranz“ und „Dein ist mein ganzes Herz“ gewinnen dabei starkes und fesselndes Profil. Die lyrischen Zwiegesänge „Bei einem Tee en deux„, „Es ist nicht das erste Mal“ und „Wer hat die Liebe uns ins Herz gesenkt?“ besitzen hier eine bewegende Emphase, die auch das Duett „Meine Liebe, deine Liebe“ auszeichnet. Gelegentlich blitzt außerdem bereits die synkopenreiche Musik von Lehars Operette „Giuditta“ hervor.
In weiteren Rollen gefallen Thomas Kollhoff als robuster Onkel Tschang, Peter Floch als Obereunuch Exzellenz Hardegg, Rolf Schramm als alter Diener bei Lichtenfels, Shin Nishino als chinesischer Sekretär Fu-Li, Ralph Jaarsma als General, Selina Kuntz als Lore (Nichte von Graf Ferdinand) sowie Jessica Schauer als ihre überaus vergnügte Freundin Fini. Besondere Erwähnung verdient neben der Statisterie in jedem Fall das ausgezeichnete Tanz-Ensemble des Pfalztheaters Kaiserslautern mit Vittoria Carpegna, Daniela Castro Hechavarria, Anna Gorokhova, Camilla Marcati, Carlotta Squeri, Jura Wanga, Davide Degano, Ricardo Campos Freire, Christopher Kinsey, Salvatore Nicolosi, Ermanno Sbezzo und Goh Shibata. Diese Szene gehört zu den Glanzpunkten einer Inszenierung, die durchaus den tieferen Sinn der Musik Franz Lehars hinterfragt. Dabei stehen die asiatischen Akzente ganz bewusst im Mittelpunkt des Geschehens: „Wir sind Chinesen, keine europäischen Weiberknechte!“ Die Aufführung ist in jeder Beziehung ein überzeugendes Plädoyer für den genialen Melodiker Franz Lehar – obwohl Richard Strauss nichts von ihm gehalten hat. „Ich aber meine, dass in der Operette niemals der Zusammenhang mit dem Menschlichen verloren gehen darf“, meinte Franz Lehar in seinem Aufsatz „Was ist eigentlich eine Operette?“ Die Vorstellung verzichtet glücklicherweise auf Kitsch-Momente und rückt das Humane ins Zentrum.
Das Publikum feierte das gesamte Ensemble bei der Premiere mit Begeisterung.
Alexander Walther