Heidelberg: TOSCA am 19.10.2013 (Neuinszenierung) Premiere war am 14.9.2013
Am Theater Heidelberg wird Puccinis Tosca als 1.Saisonpremiere gespielt. Die Regie hatte Andrea Schwalbach, die hier schon 2012 ‚Der 1000jährige Posten oder Der Germanist‘ inszeniert hatte. Die musikalische Leitung hat Yordan Kamdzhalov inne, der die Heidelberger Philharmoniker zu sehr elastischem, „veristischem“ aber nie plakativem Puccini-Spiel im tiefgefahrenen Orchestergraben inspirierte, so dass die Sänger auf der Bühne auch nie übertönt wurden.
A. Schwalbach zeigt ihre Regie, die sie in kleinen Kammer-ähnlichen Räumen (Bb.: Nanette Zimmermann) auf die Bühne bringt, besonders die psychologisch-affektiven Motive der Personen auf, besonders natürlich das Beziehungsgeflecht Tosca -Cavaradossi – Scarpia. Dabei wird Scarpia, der im römischen Kirchenstaat der Polizeichef ist, als grausamer Mensch, sogar als Lustmörder dargestellt, der im 1.Akt, im kirchlichen Raum, die Marchesa Attavanti (super gespielt von Katrin Schyns), die Schwester des entflohenen politischen Häftlings Cesare Angelotti wie ein Renaissancefürst auf offener Szene ersticht. Ihren Leichnam stellt er im 2.Akt gleichsam als Trophäe für die eifersüchtige Tosca aus, um diese sich womöglich dadurch gefügiger zu machen. Hier läßt er sich immer von einem jungen Mädchen (auch sehr gut gespielt von Lara Williams) beim Essen bedienen. Später mimt und singt das Mädchen auch den Hirten und tröstet Cavaradossi. Tosca singt in der Eifersuchtsszene nicht nur, dass der Maler Cavaradossi seiner „Magdalena“ ihre schwarzen Augen malen soll, sondern sie legt selbst Hand an und übertuscht das rechte Auge schwarz. In der Tötungsszene sticht sie mehrmals nahezu hysterisch auf Scarpia ein und behält dann das Messer, das sie schon zuvor hatte, bei sich. Nachdem Cavaradossi von Sciarrone mit Kopfschuß hingerichtet wurde, bedroht Tosca den Priester/vormals Mesner mit dem Messer, überlässt es diesem dann und stürzt sich, wie Tristan in Melots Schwert, in das vorgehaltene Messer und stirbt.
Die Kirche Maria della Valle ist mit Heiligenbildchen und Collagen bis zu modernen Popgrößen ausgestattet (Nora Johanna Gromer, auch Kostüme).
Im Palazzo Farnese ist der vordere Raum mit dem Attavanti-Sarg links und dem Esstisch rechts durch eine große Bordwand abgeteilt, dahinter werden zu Beginn die Madrigale gesungen, später Cavaradossi gefoltert.
‚Auf der Engelsburg‘ gibt es eine hügelähnliche Erhöhung mit den Heiligenbildchen darauf und ein großes mit Glühlämpchen beleuchtetes kitschiges Kreuz, vorne ein Tisch, an dem Cavaradossi vergeblich den letzten Brief an Tosca schreibt. Wenn bei ihm Flickenjeans und T-Shirt als Künstler durchgehen, während Tosca ihre Auftritt in gelb-orangen Pluderhosen-Rock-Ensemble absolviert, erscheint Scarpa in gewönlicher Alltagskleidung als „Banalität des Bösen“, nur im Kirchenraum trägt er einen etwas militärisch anmutenden Mantel darüber.
Der Sciarrone und hier auch wohl Vater des Mädchens singt mit kurzen Einwürfen David Otto. Den Spoletta, ebenfalls Chortenor, Sang-Hoon Lee mit gutartikulierten Antworten. Cesare Angelotti robbt auf dem Kirchenboden und wird von Wilfried Staber mit kräftig zupackendem Baß gesungen. Den Mesner gibt Ipca Ramanovic als edel gesungenen pietätsvollen Priester, ganz unterwürfig dem Kirchenstaat ergeben, mit schleimig süßlichem Bariton. Scarpia James Homannn fehlt zumindest stimmlich das Dämonische und Heldenbaritonale. Seine schauspielerische Gestaltung ist dagegen beachtlich. Angus Wood/Cavaradossi zieht zuerst, was die stimmlichen Mittel anbelangt, gegenüber Hye-Sung Na/Tosca den Kürzeren, kann aber später seine hübsche, etwas eng geführte Kopfstimme in weitere Räume placieren. Er sieht aus wie Sammy Khedira von der deutschen Nationalelf, ist also auch hier ein Abräumer. Später gelingt ihm eine schön gestaltete Sternenarie. Die koreanische Tosca ist das gesangliche Highlight der Aufführung.Mit schönem weichen, nie forciertem Sopran gelingt ihr eine eindrückliche Darstellung und konterkariert damit teilweise ihre gewaltsamen Handlungen. Gersanglich gelingen ihr aber am besten die dramatischen Szenen, in denen sie auftrumpft.
Friedeon Rosén