Heidelberg: BENJAMIN von Peter Ruzicka 9.2.2019 Premiere
(c)theater&orchestre Heidelberg
Walter Benjamin ist nach ‚Celan‘ und ‚Hölderlin‘ die 3. große Persönlichkeit, der Peter Ruzicka eine Oper widmet. ‚Benjamin‘ wurde letztes Jahr in Hamburg uraufgeführt und wird jetzt als ‚Zweitaufführung‘ in Heidelberg gegeben. Als Historiker, Philosoph und Schriftsteller hat Benjamin, der sich im spanischen Portbou vor der möglichen Überfahrt in die USA auf der Flucht vor den Nazis das Leben nahm, eine große Strahlkraft entwickelt. Am meisten Eindruck machten, besonders seit der Studentenbewegung 1968, seine Schrift ‚Die Geburt der Tragödie aus der Musik‘, ‚Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit‘ und die ‚Passagen‘, die sich auf die seine Pariser Zeit im Exil seit 1933 beziehen.
Peter Ruzicka schreibt mi seiner Librettistin Yona Kim ein ‚Musiktheater in sieben Stationen‘, die einzelne Phasen von Benjamins Leben beleuchten, zeitlich aber nicht aufeinanderfolgen und somit auch keine stringente Dramaturgie aufweisen. Die Sprachgestaltung ist heterogen, es wird deutsch und französisch, und ein Chor sogar in einer nicht auszumachenden Phantasiesprache gesungen. Die Komposition ist äußerst vielgstaltig, große Orchesterpassagen wechseln sich mit intimen Szenen ab, die auch in tonale Sphären führen können. Ruzicka erweist sich als Komponist mit großer Intuition sowie Inspiration, auch die Einbeziehung teils durcheinander sprechender Chöre und des Kinderchors mit Variationen des Volkslied vom Bucklichten Männlein, scheint geglückt. Das großartige Orchester wird von Elias Grandy mit viel Animo geleitet, auch die Chöre (E.: Ines Kaun) erledigen ihre teils intrikaten Parts überragend.
Die Inszenierung Ingo Kerkhofs kann sich besonders auf die Spielfreude aller Beteiligten verlassen und gibt keine besonderen Probleme auf, die Szenen sind nachvollziehbar gestellt, zuerst in Paris, wo Hannah A, und Gershom S. Benjamin zu beeinflussen suchen. In der nächsten Station tritt die litauische Revolutionärin und Theateregisseurin Asla L.von der großen Treppe aus dem Zuschauerraum auf und versucht Benjamin von ihren bolschewistischen Ideen zu überzeugen. In Dänemark trifft er dann auf Bertold B. und läßt sich auf dessen radikale Theateridee ein. Als Gegenmoment zu der neuen Liebe Asja hat auch seine geschiedene Ehefrau Dora K. einen Auftritt, die ihm seine Kindheit und Vergangenheit beschwört. In der letzten Szene vor den mit Tüchern verhängten Tischen haben alle Beteiligten ein großes Ensemble vor dem abrupten ‚Abbruch‘. Die z.T. zeitgenössischen, teilweise heutigen (Chor)kostüme stammen von Inge Medert, die Bühne von Anne Neuser.
Den Walter B. gestaltet eindrucksvoll Miljenko Turk mit kräftigem guttimbriertem Bariton, aber auch kontrollierter Zurücknahme in den angstbetonten Momenten. Asja L. ist Yasmin Özkan mit lieblichem Soprano leggero, den sie in höchste Spitzentöne und Tongirlanden umsetzen kann, und spielt dabei auch eine gut trainierte Kommunistin. Hannah A. ist Shahar Lavi mit teils breit schmelzendem (Mezzo)sopran. Winfried Mikus gibt mit hellem markantem Tenor den Bertold B. Mit tragendem ruhig prononciertem Baß gestaltet James Homann den Gershom S. Die Dora K. übernimmt die Sopranistin Denise Seyhan, und ein Mädchen ist Helena Weber.
Friedeon Rosén