Haydn – Mozart:
Cellokonzert, Sinfonia Concertante
1B1, Clemens Hagen
SIMAX classics CD
Veröffentlichung am 30. September 2016
Unter dem nach Schulklasse klingenden Kürzel 1B1 findet man im Internet Elektrotechnik Artikel – Bildfrontplatten, Dampflokomotiven Achsfolgen, aber auch ein seit dem Jahr 2008 existierendes Streicherensemble aus Norwegen. Es vereint Musiker, die an der Universität von Stavanger unterrichten, ihre besten Schüler und Mitglieder des Stavanger Symphony Orchesters. Die erste Geige spielt dort nicht nur im Orchester Jan Bjøranger, der auch als Solist auf der 2016 in der Stavanger Concert Hall entstandenen Neuaufnahme der Sinfonia concertante von W. A. Mozart zu erleben ist. Gemeinsam mit dem berühmten Cellokonzert in C-Dur von Joseph Haydn verschlägt es das innovative Ensemble mit der neuen CD ganz auf die klassische Seite ihres vielfältigen musikalischen Aktivitäten, die auch Kooperationen etwa mit den Komponisten Arvo Pärt, Steve Reich, aber auch dem Schlagzeuger von Wilco, Glenn Kotche, umfassen.
Das Spiel der 1B1 Musiker ist von höchster Präzision, transparent, ohne jeglichen Schleifer oder Larmoyanz, aber dennoch zu Legati befähigt. Der Klang ist hell, die Phrasierung geschmeidig. Der Zugriff der Streicher ist ausbalanciert zupackend, ihr Zusammenspiel lustvoll konzertierend, eher auf die Auslotung des Stimmengeflechts denn auf programmatisches Beiwerk konzentriert. Nichts ist exzentrisch, in Extreme gedehnt oder verkürzt, gewollt aufgeraut oder klanglich weichgespült. Gerade wegen dieser hoch musikantischen Seite gefällt mir das Spiel der 1B1. Vielleicht fehlt noch etwas der „Stallgeruch“, die eigene Duftmarke, die dem technisch mehr als perfekten Spiel noch die ganz spezifisch unverwechselbare Note verleiht.
Eine solche wiederum bringt das Salzburger Urgestein, Cellist Clemens Hagen mit seiner Stradivari aus dem Jahr 1698 eindrucksvoll mit. Er interpretiert das erst im Jahr1961in Prag wieder aufgefundene Haydn-Konzert nicht nur mit herausragendem Sinn für die akzentuiert flotten Sequenzen im ersten Satz, sondern auch mit untrüglichem Gespür für das Wiener Salonflair. Das Allegro Molto gerät zu einem launigen Konversationsstück voller Witz und tempovoller Rhetorik. Großartig sind die eigens für Hagen vom dänischen Komponisten Henning Kraggerud geschaffenen Kadenzen. Nicht zuletzt sind es ja die Kadenzen, die die Neuanschaffung eines Werks, das man vielleicht schon dreimal im Regal stehen hat, rechtfertigen. Es gibt ja etliche fantastische Aufnahmen des Haydn Konzertes, etwa mit Pieter Wispelway oder Jaqueline du Pré, die durch die Neuerscheinung sicher nicht entthront werden. Dennoch möchte ich eine Lanze für dieses hochinteressante und klanglich bestens eingefangene Album brechen, schon alleine des unvergleichlich elegant und individuell timbrierten sanglich differenzierten Spiels von Clemens Hagen wegen.
Bei Mozarts Sinfonia Concertante, KV 364, ist neben Jan Bjøranger auf der Violine der norwegische Bratschist Lars Anders Tomter zu hören. Erstaunlich auch, wie sehr das Ensemble 1B1 trotz eher „objektivem Klang“ offenbar ein spezifisches Gen für Mozart hat. Stupend gelingen die Gestaltung des emotionalen Wechselbads und das harmonische, beinahe symbiotische Zusammenspiel der Violine mit der höher gestimmten Viola. Da hat der Musikfreund die Qual der Wahl, sind ja gerade von diesem Meisterwerk Mozarts in den letzten Jahren mindestens zehn neue Einspielungen erschienen…
Dr. Ingobert Waltenberger