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Hans Haider: DER BISSIGE BLEISTIFT

15.12.2019 | buch, CD/DVD/BUCH/Apps

Hans Haider
DER BISSIGE BLEISTIFT
Erich Gold – Goltz – Peters Karikaturen in Berlin, Wien, New York
224 Seiten, s/w und farbig, Bachmann Verlag 2019

Einige seiner „Bilder“ hat man schon einmal gesehen, vor allem die brillanten Porträts, mit spitzer Feder karikiert. Aber man hätte den Schöpfer nicht zu nennen gewusst. Es bedurfte dieses großen, schönen, prächtig recherchierten und edierten Buches von Hans Haider, dass man etwas über den Mann mit den drei Namen – Gold / Goltz / Peters – erfährt. Und für Theaterfreunde ist der Weg in die Welt seines „Bissigen Bleistifts“ eine Abenteuerreise in die Theater- und Kulturgeschichte vor allem der Zwischenkriegszeit und darüber hinaus. An die 5000 Zeichnungen dürfte er zwischen 1924 und 1950 geschaffen haben, erfährt man, viele davon kann man sehen – und genießen.

So frech, wie er den Zeichenstift führte, hat er auch gelebt, sich als Wirbelwind durch die Weltgeschichte geschlagen, die vor allem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts niemanden verschont hat. Geboren wurde Erich Gold 1899 in Wien, die Golds und die Peter (mütterlicherseits) waren angesehene jüdische Familien, auch seine Schwester Frieda Gold, verheiratete Boulle (die im Konzentrationslager umkam), behauptete ihren Platz unter den weiblichen Künstlern ihrer Zeit. Der Vater starb schon 1900, die Mutter 1919 (neben zahllosen Zeichnungen hat Hans Haider auch dokumentarisches Material wie Partezettel, Meldezettel und dergleichen sowie Fotos zur Illustration der Lebensgeschichte zusammen getragen).

Goltz – man wähle (wie Haider in dem Buch)  von den drei Namen jenen, den er sich in seinen „deutschen“ Jahren als Künstler gegeben hatte und von dem er annahm, er klinge nicht jüdisch, sondern „aristokratisch“ – studierte in Wien, u.a. bei Emil Orlik und Ferdinand Schmutzer, und ging in den Zwanziger Jahren nach Berlin. Das war für sein Talent und seine schnelle Feder der ideale Boden, und er fand nicht nur bei vielen Zeitungen Einlaß, sondern auch bei Max Reinhardt. Der Auftrag für ein Nestroy-Bühnenbild, den er (für die Wiener Josefstadt) an Land zog, bliebt allerdings unausgeführt (die Premiere fand nicht statt), und so blieb seine Bindung zum Theater eine „von außen“, indem er wohl jeden der damals berühmten Schauspieler, von Ernst Deutsch bis Albert Bassermann (die Anzahl ist nicht enden wollend), vielfach in ihren Rollen hinskizzierte. Man kann sagen, dass er so manche Karriere über Jahre begleitete.

Goltz, der es im Laufe der Zeit auf vier Ehefrauen brachte, war auch stets für schnellen Orts- und noch schnelleren Wohnungswechsel zu haben. Mitte der Zwanziger Jahre ging er ein, zwei Jahre nach Italien, wo in Capri auch Maxim Gorki unter seine Feder kam. Zurück in Berlin war Goltz – in mehr Zeitungen und Zeitschriften, als man aufzählen kann – „Mann für alles“, das heißt, er illustrierte nicht nur Stars und Theaterpremieren, sondern Alltagsszenen ebenso wie er politische Satiren produzierte. 1930 über Hitlers „Modefragen“ zu ätzen, war noch nicht übertrieben gefährlich (oder satirisch zu unterstellen, dass die Nationalsozialisten ein Indianerstamm werden…). Da konnte man ihn, wenn er zeichnerisch Beischlaf andeutete, eher wegen „Unsittlichkeit“ vor den Strafrichter bringen…


Alle Abbildungen: (c) Bildrecht GmbH Wien

An den „Kampftagen gegen die Nazis“ war Goltz ausreichend beteiligt, dass er sich nach der Machtübernahme besser nach Wien verzog, so wie viele andere jüdische Künstler auch. Hier wurde er nun vollends zum Chronisten der großen Schauspielkunst, die sich hier massierte. Das Buch bringt – Hans Haider ist schließlich Theaterwissenschaftler – eine bemerkenswerte Aufzählung von allen, die in Wien Zwischenstation machten (mit einer Schilderung, was aus ihnen geworden ist): Und Goltz hat sie gezeichnet, in Rollen, Szenenbildern von Aufführungen, immer wieder in Porträts.

Goltz leistete sich auch genügend an politischen Karikaturen (sogar Goebbels wetterte gegen ihn), dass für ihn die Emigration anstand, obwohl er (er hatte sich taufen lassen) darauf bestand, „römisch katholisch“ zu sein. Über die Schweiz und das faschistische Italien kam er per Schiff nach New York, wo er wenig Zeit verlor, seinen Namen erneut zu ändern: Nun hieß er „Eric Andrew Peters“ und fand mit Hilfe seiner dritten Frau (die auch aus Wien stammte) Anschluß an die Comic-Szene.

Es zeigte sich, dass ein guter Zeichner (wie ein guter Musiker) es in der Emigration leichter hatte als die an die Sprache gebundenen Schriftsteller und Schauspieler. Nun wurde Goltz ein souveräner Witze-Zeichner, wobei man seine Seitenhiebe gegen die Nazis schätzte. Die überbordende Welt der Comic-Hefte bot Arbeit in Hülle und Fülle.

1965 kehrte „Mr. Peters“ mit Gattin Nr. 4 nach Wien zurück, einer der Remigranten, der zwar Entschädigung verlangen konnte, es aber den Behörden mit seinen drei Namen schwer machte. 1974 konnte er ein Konvolut seiner Werke der Theatersammlung verkaufen, wo die Dinge mehr oder minder unbeachtet liegen blieben. Unbeachtet ist „Erich Gold“ als Mr. Peters auch 1979 gestorben.

Bevor Hans Haider sich über den Nachlaß setzte, hat die Historikerin Brigitte Hamann im Dorotheum ein Bündel Goltz-Blätter gekauft und später der Wien Bibliothek hinterlassen. Auch andere Institutionen besitzen einzelne seiner Werke. Der eine oder andere „Goltz“ taucht noch auf, vieles ist verloren.

War verloren, denn nun gibt es diesen sorglich gestalteten, auf Hochglanzpapier gedruckten, großformatigen Prachtband, der Leben und Werk von Goltz zusammen fasst. Es ist ein interessant „fluktuierendes“ Leben – und ein hoch talentiertes, vielseitiges Werk. Er zeichnete seinen Figuren gerne spitze, prominente, auch übertriebene Nasen, was seinen Werken den frechen Touch gibt, scharfe Linien, charakteristische Züge, viele Menschen (so man sie denn kennt) auf den ersten Blick unverkennbar. Dennoch ist seine stilistische Palette, wie die Abbildungen des Buches zeigen, bemerkenswert breit. Es ist – natürlich vor allem für Theaterfreunde – ein Vergnügen, „im Goltz“ zu blättern.

Renate Wagner

 

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