Hanna Molden:
DER JAHRHUNDERTELEFANT
Eine literarische Familienbiographie
192 Seiten, Molden Verlag, 2021
Es ist ein absolut seltsames Buch, das die nunmehr achtzigjährige Hanna Molden über ihren verstorbenen Gatten Fritz Molden (1924 – 2014) hier vorlegt. Die „literarische Familienbiographie“ des Untertitels gibt sich in den groben, scherenschnittartigen Illustrationen und auch im Text selbst wie ein Kinderbuch, vor allem im ersten der vier Teile, wo es um den kleinen Bub Fritz, in der Familie „Feppchen“ genannt, geht.
Papa Ernst Molden, der berühmte Journalist, nahm sich nämlich die Mühe, für den jüngeren Sohn (Otto war sechs Jahre älter als Fritz und schon zu reif für solche Kindlichkeiten) einen eigenen Geschichten-Kosmos um den Elefanten Jacob zu erfinden. Dieser lebte im Budapester Zoo, ein Geschenk eines Maharadschas an Kaiser Franz Josef, und dieser Jacob schrieb dem Papa angeblich Briefe – eine aufregende Sache für einen kleinen Jungen…
Fritz Molden hatte zwar mit den Eltern (so beschäftigt sie mit Journalismus und Dichten auch waren, die Mutter war immerhin Paula von Preradović, man sage nur „Bundeshymne“, bevor man ihr die „großen Söhne“ irgendwie in „Söhne und Töchter“ umgequetscht hat) eine liebevolle, beachtete Kindheit erfahren, war aber selbst mit zu vielen Dingen befasst, um sich mit den eigenen Kindern groß zu befassen. Immerhin hat er versucht, die Elefanten-Geschichten weiter zu tragen, und angeblich hat er sie sogar einmal selbst nieder geschrieben. Irgendwie sind sie dann verloren gegangen.
Bis Hanna Molden sie nun, vermutlich aus dem Gedächtnis, rekonstruierte. Sie erzählt das Leben des Gatten kursorisch in Stationen (seine berühmte Zeit als Widerstandskämpfer gegen die Nazis lässt sie ganz aus). Da ist also zuerst „Feppchen“, und ob Molden sich selbst – auch als kleiner Bub – so niedlich-kinderbuchartig gesehen hätte, kann man nicht einmal vermuten.
Im Abschnitt 2, 1960, ist Molden der viel beschäftigte „Presse“-Chef, dann der Verleger (von Bruno Kreisky „Der Verschwender“ genannt), schließlich der alte Mann. Es gibt viele persönliche Details, auch über sein Versagen in finanziellen Dingen, was manches, das er geschaffen hat, untergehen ließ. Der Molden-Verlag, einst eine europäische Größe, wurde unter seinem Wert verkauft und fristet heute sein Dasein unter dem Dach des Styria-Giganten. Immerhin – dieses Buch konnte man herausgeben. Wäre doch gelacht, wenn die Molden-Witwe über den Gatten anderswo publizierte.
Natürlich sind es biographische Aufzeichnungen aus der Nähe, von der Frau, die (als Ehefrau Nr. 4 und die einzige, die aushielt) immerhin ein halbes Jahrhundert Leben mit Molden teilte. Sie erweckt aber nur den Wunsch nach einer echten, recherchierten, kritischen Biographie Fritz Moldens, der zu seiner Zeit ein wirklich bedeutender Mann in Österreichs intellektueller und politischer Szene war. Dieses Buch fehlt, ungeachtet der eigenen Werke, die er über sich geschrieben hat (über den Widerstand, über den Verlag).
Was den „Jahrhundertelefanten“ betrifft (mit einem so grau-in-grauen Umschlag, dass man nichts darauf sieht und nichts assoziiert), so muss man Sinn für diese Art von Betrachtungsweise haben, sonst findet man sie vielleicht etwas klebrig, allzu niedlich und künstlich. Andererseits ist es, wie es scheint, ein Faktum, dass es im Leben von Fritz Molden diese Art von „Magie“ gegeben hat… man hätte es nicht vermutet.
Renate Wagner