Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

HAMBURG/Staatsoper: FÜRST IGOR von Alexander Borodin. Nach Zürich nun in Hamburg

28.04.2014 | KRITIKEN, Oper

Nach Zürich nun in Hamburg: „Fürst Igor“ von Alexander Borodin (Vorstellung: 27. 4. 2014)

Unbenannt
Foto: Hamburgische Staatsoper

 In Koproduktion mit dem Opernhaus Zürich zeigt seit einiger Zeit auch die Staatsoper Hamburg die selten gespielte Oper „Fürst Igor“ von Alexander Borodin (1833 – 1887). Er arbeitete an seinem Hauptwerk 18 Jahre lang, dennoch war es zu seinem Tod unvollendet und wurde von Nikolai Rimsky-Korsakow und Alexander Glasunow vervollständigt und instrumentiert. Der Text wurde von Borodin nach dem russischen Epos „Igor-Lied“ verfasst. Die Uraufführung seiner Oper fand erst 13 Jahre nach seinem Tod in St. Petersburg statt.

Es ist die Geschichte von Fürst Igor, der mit seinen Truppen gegen den wilden Stamm der Polowetzer in den Krieg zieht und seine Gemahlin Jaroslawna in der Obhut ihres Bruders, des Fürsten Galitzky zurücklässt. Doch sein Schwager vertritt Igor schlecht, gibt sich Ausschweifungen hin und strebt selbst nach der Macht. Als die Nachricht eintrifft, dass Fürst Igor besiegt wurde und in Gefangenschaft des Polowetzer Khans geraten ist, glaubt sich Galitzky am Ziel. Doch Fürst Igor gelingt die Flucht, er kehrt heim und wird als Held gefeiert.

David Pountney, der für Hamburg gemeinsam mit der Opernintendantin Simone Young eine eigene Spielfassung erarbeitete (so ließ er den 2. Akt vor dem ersten ablaufen), bot in seiner Inszenierung einen illustren, manchmal allzu karikaturhaften Querschnitt durch die russische Geschichte, wobei er keine Grausamkeiten, wie beispielsweise Vergewaltigung junger Mädchen bei Saufgelagen, ausließ und in der Schlussszene auch nicht scheute, noch drei „Pussy Riot“-Frauen in Strickmasken und mit Gitarren um den Hals auftreten zu lassen. Eigentlich wirkte vieles lächerlich.

Für die oft opulenten Bühnenbilder – am Schluss mit goldener Fürst-Igor-Statue – zeichnete Robert Innes Hopkins verantwortlich, für die kunterbunten, teils folkloristischen, teils arbeiterkluftähnlichen Kostüme Marie-Jeanne Lecca. Für die das Publikum oft unangenehm blendenden Lichteffekte sorgte Jürgen Hoffmann.

Zu den Höhepunkten des vierstündigen Opernabends zählten vor allem die Tanzszenen, die von dem in Wien gut bekannten Renato Zanella äußerst ideenreich choreographiert waren. Wohl in Absprache mit dem Regisseur oder sogar auf dessen Wunsch wurde dabei ebenfalls nicht auf Gewaltexzesse verzichtet. So wurden die Tänzerinnen mit der Peitsche angetrieben, mussten in einer Szene wie heutige Terroristen maskiert und mit Maschinengewehren für ihren nächsten Einsatz trainieren und wurden nach einem der Tänze wie Vögel abgeschossen. Dass nach dieser Tanzszene viele Buhrufe den Beifall eines Teils des Publikums übertönten, war verständlich! Das Tanzensemble rekrutierte sich aus der Ballettschule des Hamburg-Balletts und bot insbesondere bei den berühmten Polowetzer Tänzen eine sensationelle Leistung.

 Die Titelrolle verkörperte mir ruhiger, sonorer Stimme der polnische Bariton Andrzej Dobber, der von der Regie verdammt war, fast die ganze Zeit sitzend an einem Schreibtisch zu verbringen. Ganz anders sein Gegenspieler Kontschak, der vom georgischen Bass Paata Burchuladze dargestellt wurde. Stimmlich wieder auf der Höhe, zeigte er in der Darstellung des Polowetzer Khans auch recht gut dessen zwischenmenschliche Regungen – wie in der Wertschätzung von Fürst Igor, dessen Mut er bewunderte und dessen Sohn Wladimir er mit seiner Tochter Kontschakowna zu vermählen beabsichtigte.

Eine großartige Leistung bot die russische Sopranistin Veronika Dzhioeva als Fürst Igors zweite Ehefrau Jaroslawna. Mit ihrer von Glut und Leidenschaft geprägten Stimme, die von intensiver Strahlkraft war, animierte sie das Publikum des Öfteren zu Szenenapplaus und am Schluss zu vielen Bravorufen. Ebenso überzeugend der armenische Bass Tigran Martirossian als Fürst Galitzky. Mit seiner dunkel gefärbten, finsteren Stimme war er eine Idealbesetzung für die Rolle des Bösewichts und Machtmenschen, der auch gegenüber seiner Schwester keine Skrupel kennt.

Exzellent besetzt war auch das junge Liebespaar: Fürst Igors Sohn stattete der junge Tenor Dovlet Nurgeldiyev aus Turkmenistan mit jugendlichem Charme und lyrischer Stimme aus. Die Flucht mit seinem Vater verhindert die in ihn verliebte Tochter des Polowetzer Khans, die von der jungen rumänischen Mezzosopranistin Cristina Damian hervorragend gespielt und gesungen wurde. Mit subtiler Komik agierten die beiden Bänkelsänger Skula und Eroschka, dargestellt vom ungarischen Bass Levente Páll und vom deutschen Tenor Markus Petsch. Besonders köstlich gelang ihr Spottlied auf den gefangenen Fürsten, nicht ahnend, dass er bereits heimgekehrt war.

In zwei kleinen Rollen rundeten der rumänische Tenor Sergiu Saplacan als getaufter Polowetzer Owlur und die französische Sopranistin Solen Mainguené als ein Polowetzer Mädchen die großartige Leistung des Sängerensembles ab. Eindrucksvoll auch der Chor der Staatsoper Hamburg (Einstudierung: Christian Günther), dem als Stimme des Volks seine größte Bedeutung zukam.

Unter der Leitung des österreichischen Dirigenten Christian Arming warteten die Philharmoniker Hamburg mit einem musikalischen Klangteppich auf, der das Herz der Besucherinnen und Besucher höher schlagen ließ. Aus den Gesprächen in den zwei Pausen war immer wieder die Begeisterung über die farbenreiche und mitreißende Partitur dieser Oper herauszuhören.

Das Publikum belohnte am Schluss alle Mitwirkenden mit nicht enden wollendem Beifall, unter den sich auch viele Bravorufe für Veronika Dzhioeva und Tigran Martirossian mischten.

Udo Pacolt

 

 

Diese Seite drucken