Hamburg/ Staatsoper: FAUST
25.11.2022 (Marc Rohde)
Für nur vier Vorstellungen hat die Hamburgische Staatsoper die aus dem Jahr 2011 stammende Inszenierung von Andreas Homoki wieder aufgenommen. Die Bühnenbilder von Wolfgang Gussmann bestehen im wesentlichen aus dunkelgrauen zylindrischen, sich um sich selbst drehenden Elementen. Diese ermöglichen immer wieder bemerkenswerte neue Eindrücke und werden gekonnt in die spannende Personenregie mit einbezogen. Als zusätzliche Ausstattungselemente dienen hauptsächlich ein riesiger weißer Stuhl, überdimensionierte Blumentöpfe und eine im Verlauf des Abends immer größer werdende Puppe. Ganz ohne Feuerwerk und pathetischem Gehabe führen diese wenigen symbolträchtigen Elemente durch die packende und zeitlose Erzählweise des Regisseurs zu drei Stunden purer Spannung auf der Bühne.
Im Zentrum steht ganz klar Méphistophélès, der alle Fäden in der Hand hält und die anderen Protagonisten und den Chor wie Marionetten durch den Abend lenkt. Adam Palka würde ich als absolute Idealbesetzung dieser Rolle bezeichnen. Trotz seiner schönen Stimme vermag er die dämonischen und teils brutalen Akzente seiner Rolle perfekt zum Ausdruck zu bringen. Selbst mit kleinsten Gesten seiner Finger ist er stets präsenter Mittelpunkt des Geschehens und es bedarf keinerlei ausufernder Gesten um seine Dominanz zu demonstrieren.
Olga Peretyatko wandelt sich als Marguerite überzeugend vom unschuldigen jungen Mädchen bis hin zur wahnsinnigen Frau und besticht durch ihren sicher geführten Sopran, der keine Wünsche offen lässt. Die dramatischeren Passagen gelingen ihr überzeugend, obgleich sich ihre Stimme eine jugendliche Leichtigkeit bewahrt hat.
Bei dem starken Zusammenspiel dieser beiden Sängerpersönlichkeiten kam mir der Gedanke auf, ob Mephisto und Margarethe nicht gemeinsame Sache machen, um Faust in sein Verderben zu stürzen. Der Titelheld wird von Pavel Černoch solide gegeben. Er führte seine Stimme sicher, doch mangelt es ihr in einigen exponierten Passagen an Glanz. Oft wirkt sie nicht wirklich frei. Darstellerisch bleibt der Tenor ein wenig hinter den anderen beiden Protagonisten zurück, aber gibt ein insgesamt überzeugendes Rollenportrait ab.
Einen klangschönen und beeindruckenden Valentin gestaltet Alexey Bogdanchikov. Marte ist mit Renate Spingler optimal besetzt und auch Kady Evanyshyn als Siebel und Mateusz Lugowski als Wagner wissen zu begeistern.
Alexander Joel am Pult des Philharmonischen Staatsorchesters Hamburg gelingt eine imponierende Interpretation von Gounods Meisterwerk. Alle Sänger kommen stets gut über das Orchester, ohne je angestrengt zu wirken. Der Dirigent vermeidet hektische Tempi und scheint sehr sängerfreundlich zu dirigieren. Dabei bewahrt er dem konzentrierten Orchester stets eine gewisse Grundspannung, die sich in diesem intensiven Opernabend bis zum letzten Ton des Finales aufrechterhält.
Zu meinem Bedauern ist die Walpurgisnacht-Szene gestrichen worden, aber das ist sicher nicht erst seit dieser Wiederaufnahme der Fall.
Marc Rohde 11/2022