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HAMBURG/ Staatsoper: AIDA – festspielwürdige Repertoireaufführung

04.10.2014 | KRITIKEN, Oper

Hamburg Staatsoper  Aida  – festspielwürdige Repertoire – Aufführung

 besuchte Vorstellung 3. Oktober 2014 3. Vorstellung dieser Serie. 25. Vorstellung seit der Premiere am 16. Mai 2010

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Foto von Monika Forstner zur Premiere 2010

 Hamburgs Anspruch soll es sein, nicht nur Deutschlands Hafen-, sondern auch Deutschlands Musikstadt Nummer eins zu sein, verkündete kürzlich der Hauptgeschäftsführer der Handelskammer. Damit sind wohl auch  Musical-Aufführungen gemeint sowie die vielleicht schon in zwei Jahren  mögliche Eröffnung der Elbphilharmonie, die dann neugierig alle besuchen wollen, ob musikalisch mehr oder weniger interessiert.  Auch daß in der durch den Mäzen Alfred Toepfer aufgebauten Peterstrasse neben den bereits bestehenden Brahms-Museum und Telemann-Gedenkstätte Museen für J. A. Hasse, CPE Bach, Mendelssohn-Geschwister und Mahler eröffnet werden sollen, die alle hier tätig waren, paßt dazu. Das soll dann „Komponisten-Quartier“ heissen. Weil aber Staatsoper und Philharmoniker den allergrößten Teil der für Musik ausgegebenen Subventionen erhalten, sind diese für das angestrebte Ziel besonders wichtig. Da kommt es vielleicht nicht nur auf die überall besprochenen Premieren oder die schon weniger besprochenen Wiederaufnahmen an. Vielmehr ist entscheidend, welche Art Aufführung dem Abonnenten, hier der Reihe Fr2, oder einem am Feiertag angereisten Touristen als „normales“ Opernerlebnis geboten wird. Für die  hat Simone Young in ihrer letzte Spielzeit unter  dem Motto „Ein Sängerfest zum Schluß“ das Auftreten internationaler Stars versprochen. Ein solches Sängerfest wurde die Aufführung der „Aida“ am vergangenen Freitag.

Darstellerin der Titelpartie war Liudmyla Monastyrska, bekannt geworden in dieser Rolle durch den Live-Stream der Met in die  Kinos. Stimmlich beherrschte sie alle Facetten der Partie, auch den grossen Tonumfang ohne hörbare Registerwechsel. Besonders die „Romanze“ im Nil-Akt zeigte ihre p-Kultur berührend  gegen Ende pp aufsteigend bis zum hohen c, dann ganz schnell ppp wieder absteigend vom hohen a  bis zum tiefen b. Auch über die notwendige Stimmkraft verfügte sie, so überstrahlte ihre Stimme treffsicher bis zu den Spitzentönen das lange Finale des II. Akts. 

Das gelang auch  Johan Botha als Radamès. Mit seinem helltimbrierten Tenor traf er anscheinend mühelos die Spitzentöne, sang mit unendlich langem Atem die Legato-Bögen der Kantilenen und fand zusammen mit Aida  berührende Klangfarben für das Schlußduett bis zum hohen piano- b.

Michaela Schuster sang zuerst inszenierungsbedingt mit etwas flackernder Stimme – angetrunken und hochmütig gegenüber Aida. Zum Schluß steigerte sie  sich stimmlich – nicht nur in ihrem Mezzo-Bereich, sondern bis zu Spitzentönen – und schauspielerisch zu geradezu tragischer Grösse als leidende verschmähte Liebende – ein grosses Rollenporträt, das mit Blumen belohnt wurde.

Als langjähriger Besucher war es eine Freude, wieder einmal Ks. Franz Grundheber in einer wichtigen Rolle zu erleben. „Schon zähl ich nicht die Jahre mehr“ kann er mit  den Worten des von ihm häufig gesungenen „Holländers“ sagen, nämlich die Jahre, die er an der Staatsoper Hamburg singt. Stimmlich überzeugte er im kantablen  Lobpreis beider Heimat im Duett mit Aida, schleuderte ihr dann wie gewohnt stimmgewaltig das „Dei Faraoni tu sei la schiava“ (Du Sklavin der Pharonen) entgegen. Bewunderung erregten seine grosse Bühnenpräsenz und Textverständlichkeit.

Dem bösen Oberpriester Amfis von Alin Anca  fehlte ein wenig die grausame Tiefe des Basses, über die verfügte Florian Spiess als auch figürlich gewaltiger Pharao (Il Re) Ida Aldrian vom Opernstudio zeigte Koloraturkünste als meist hinter der Bühne singende Priesterin.

Chor – und für das grosse Finale des II. Aktes der Extrachor – sangen in der Einstudierung von Eberhard Friedrich rhythmisch prägnant – etwa die kriegslüsternen „Guerra“ Rufe im I. Akt – , wenn nötig mächtig steigernd, die Herren Priester  exakt auch ohne Orchesterbegleitung

Letzteres war sicher auch der überlegenen musikalischen Leitung von  Stefan Soltesz zu danken, der schon früher manchmal an der Staatsoper Hamburg dirigierte, jetzt mehr Zeit dafür hat! Der herzliche Applaus schon vor Beginn zeigte, wie beliebt er  bereits ist  Wo es angebracht war, ließ er es bei den zügig gespielten Massenszenen  krachen, sorgte für italienischen Rhythmus, begleitete umsichtig die Sänger und gab dem Orchester Raum, Verdis Klangfarben hören zu lassen. Das zeigten die Soli, beispielhaft seien nicht nur die mächtig klingenden Aida-Trompeten genannt, sondern auch etwa Flöte, Klarinette, Oboe und natürlich die Harfen.

 Rahmen für dieses Sängerfest war die Inszenierung von Guy Joosten aus dem Jahre 2010 – damals recht positiv beurteilt und auch heute noch sehr schlüssig wirkend. Er verzichtete auf jegliche Pharaonen-Folklore, stattdessen war Party angesagt mit einer alkoholabhängigen Amneris und dem Triumphmarsch-Geschehen als einer Art Fototermin der siegreichen ägyptischen Haute-Volée und Sex-Spielchen der heimkehrenden Soldaten und ihrer Geliebten. Betont wurden nicht so sehr politische Konflikte, sondern – wohl im Sinne Verdis – die privaten Schicksale, was durch ein fast dauernd auf der Bühne befindliches grosses Bett angedeutet wurde, auf dem vor und während des Vorspiels Aida und Radamès schon mal einiges ausprobierten – es war die Zeit, in der häufig Betten auf die Bühne mußten, etwa auch im Hamburger „Rheingold“ nur kurz vorher inszeniert! Wiederum als großartig empfand man den beweglichen und variablen Bühnenraum mit Wänden voller Ameisendarstellungen ( als Symbol des perfekt durchorganisierten Staates) von Johannes Leiacker zusammen mit der Lichtgestaltung von Davy Cunnigham. Unvergeßlich bleibt das letzte Bild, die sich scheinbar ins Unendliche erstreckende zum Schluß abgedunkelte Grabkammer, in der nicht nur Aida und Radamès sondern weit getrennt von ihnen auch Amneris tödliches Gift einnahmen. Die Kostüme von Jörge Jara zeigten Eleganz für die herrschenden Damen, grosse Uniformen und Soutanen für die herrschenden Militärs und Priester und Kampfanzüge für die geschlagenen Äthiopier.

Das Publikum im vollbesetzten Haus geizte wohl hanseatisch zurückhaltend mit Zwischenapplaus, holte das aber vor der Pause und besonders zum Schluß mit langem Beifall und Bravos nach.

 Ks. Johan Botha trat bereits am folgenden Sonntagmorgen in Wien bei einem Künstlergespräch auf, in den folgenden beiden Vorstellungen ist Roberto Alagna als Radamès vorgesehen.

 Sigi Brockmann 6. Oktober 2014

 

 

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