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HAMBURG: FÜRST IGOR

16.09.2012 | KRITIKEN, Oper

Hamburg: „FÜRST IGOR“ von Alexander Borodin am  15.9.2012

 Vor 74 Jahren, im März 1938 war das von Borodin unvollendete Werk, das von Rimsky-Korsakow und Glasunow vervollständigt wurde, zum ersten und einzigen Male an Hamburgs Oper zu erleben. Jetzt ist es eine Koproduktion mit dem Opernhaus Zürich, die dort im vergangenen April ihre Premiere feierte.

Die Inszenierung besorgt der jetzige Leiter der Bregenzer Festspiele, David Pountney, im Bühnenbild von Robert Innes Hopkins mit den grandiosen farbenfrohen Kostümen von Marie-Jeanne Lecca. Die Choreografie stammt vom bekannten Renato Zanella, der das Bundesjugendballett und Solisten der Ballettschule des Hamburger Balletts hervorragend für die berühmten Polowezer Tänze einstudiert hat. Für das Licht ist Jürgen Hoffmann zuständige. Wegen des Konzepts der Inszenierung, Bühnenbild und Kostüme verweist der Hamburger Merker auf die Kritik im „Der neue Merker“ Nr. 5, 2012, S. 73.

Zur Aufführung gelangt die ergänzende Bearbeitung durch den britischen Dirigenten David Lloyd-Jones und Dimitri Smimov unter Einbeziehung des von Pawel Lamm edierten Originalmaterials (Klavierauszuges). Simone Young dirigiert die Premiere in der von ihr und David Pountney geschaffenen sog. Hamburger Spielfassung. Wie in Zürich wird hier der 2. Aufzug mit dem 1. getauscht. Außerdem singt Fürst Igor im 3. Akt eine wunderschöne zusätzliche Arie.

Die umfangreichen Aufgaben des Chores werden unter der Leitung des stellvertretenden Chordirektors Christian Günther vom Chor der Staatsoper glänzend gemeistert. In Hamburg überzeugt Hausherrin Simone Young, Generalmusikdirektorin und Opernintendantin, bei ihrem Premierendirigat mit einer ausgezeichneten Leistung: zügige Tempi, die die Brillanz der Musik zu einem Genuss für das Publikum werden lassen. Auch bei der Auswahl der Sänger beweist sie ein glückliches Händchen. Außer zwei Aushilfen im großen Chor stehen viele Ensemblemitglieder und ausgezeichnete Sängerschauspieler als Gäste auf der Bühne. Von letzteren überragen vor allem der bereits relativ oft in Hamburg engagierte Andrej Dobber als Fürst Igor mit beweglichen durchschlagskräftigem Bariton und die zu Recht vom Publikum umjubelte hier debutierende junge Veronika Dzhoieva als seine Ehefrau Jaroslawna mit wunderschönem ausgeglichenem Sopran. Sie überzeugt vor allem stimmlich, aber auch ihre Gestaltung der dramatischen Rolle geht zu Herzen. Dobber hingegen, den Pountney fast ständig am Schreibtisch sitzend zeigt, vermag da verständlicherweise nicht mitzuhalten. Der Pole Rafal Slwek (Jaroslawas Bruder und Bösewicht) mit schwarzem profundem Bass – auch er in Hamburg debütierend – überzeugt, vor allem durch seine eindringliche Darstellung. Aus dem Hausensemble profiliert sich besonders der junge lyrische Tenor Dovlat Nurgeldiyev mit zartschmelzender Stimme als Wladimir, Sohn des Fürsten Igor. Hervorragend auch Cristina Damian (Kontschakowna, Tochter des von Pountney als wilden Terrorkhan gezeichneten Kontschak, mit Bassesgewalt ausgezeichnet verkörpert von Tigran Martirossian. Zuverlässig ergänzen Moritz Gogg (Skula), Markus Petsch (Eroschka) und die neuen Mitglieder des Opernstudios Sergiu Saplacan (Owlut) sowie Solen Mainguené (Polowezer Mädchen).

Die Inszenierung auf der völlig überladenen Bühne kann den Hamburger Merker leider nicht völlig überzeugen. Besonders ärgerlich ist jedoch der in Zürich im April verständlicherweise noch nicht von David Pountney inszenierte Schlussgag, drei grell-bunte mit Strickmasken geschmückte „Pussy Piot“-Mädchen mit dem Schlusschor auf die Bühne stürzen zu lassen.

Viel Beifall für alle Beteiligten; keine Buhs aus dem Publikum.

Horst H. Hennebach

 

 

 

 

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