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HAMBURG: DIE MEISTERSINGER VON NÜRNBERG. Wiederaufnahme

08.04.2013 | KRITIKEN, Oper

Hamburg: DIE MEISTERSINGER VON NÜRNBERG am 7.4.2013 – Wiederaufnahme. (Premiere 3.11.2002)

 24. Vorstellung seit der Premiere

 Erwähnt man gegenüber Opernfreunden den Besuch von Richard Wagners „Die Meistersinger von Nürnberg“ an der Hamburgischen Staatsoper, kommt zuerst die Frage, wer denn wann die Schlußansprache des Hans Sachs unterbrochen habe. In der Wiederaufnahme am vergangenen Sonntag, waren es einige Meister, die den musikalischen Ablauf zum Stillstand brachten mit der Anmerkung, solchen“nationalistischen“ Text könne man doch heute nicht mehr singen, um dann von anderen Meistern und Evchen erklärt zu bekommen, es handele sich um einen Text geschrieben für Wagners Zeit, auch aus Angst vor Überfremdung (welschen Dunst), und es seien ja schließlich sich auf ihre musikalischen Wurzeln und Traditionen besinnende Handwerker, die dargestellt würden, keine machtgierigen Politiker. Dann konnte die Oper fortgesetzt werden.

Dabei wird übersehen, daß Regisseur Peter Konwitschny bis zur Prügelszene Ende des II. Aufzuges eine wunderbar einfühlsame, die heiteren und ernsten Elemente des Stücks bis in Kleinigkeiten darstellenden Inszenierung bot. Das begann damit, daß – o Freude – während des Vorspiels der Vorhang geschlossen blieb und so den Zuhörern ermöglicht wurde, ohne Ablenkung das polyphone Geflecht der Themen im behäbig-meisterlich Tempo, das Simone Young hier wählte, zu erkennen.

Das setzte sich fort im Bühnenbild von Johannes Leiacker, einem Holzgestell, unter dem sich besonders im II. Aufzug Stolzing und Evchen gut verstecken konnten. Dies wurde nach hinten abgeschlossen im I. Aufzug durch Projektion der Katharinenkirche und im II. Aufzug durch ein wunderschön kitschiges Alt-Nürnberg mit Fliederbusch, den Sachs besingen konnte, und Fenster im Obergeschoß rechts für Magdalenes Erscheinen bei Beckmessers Lied. Ganz köstlich waren die Kostüme (auch Johannes Leiacker) – alle Meister als kleine Richard Wagners, die dann unter dem Barett auch mal ihre Glatzen sehen liessen. Das gab einen besonders komischen Effekt, wenn sie zu Beginn der Prügelszene im Nachthemd, aber immer noch mit Wagner-Baretten auf den Köpfen sich zu prügeln begannen. Dem Stil der Premierenzeit von 2002 entsprachen wohl die Matrosenanzüge der Lehrbuben, auch ein Stuhl durfte umgeworfen werden und natürlich wurden die Kleider, von denen Sachs zu Ende der Schusterstube zu Stolzing spricht, in Koffern transportiert – früheres „Regietheater“ eben!

Nach der Prügelszene brannte Nürnberg, nur der Nachtwächter mit Taschenlampe (Jongmin Park) merkte es nicht. Ernst wurde es dann durch den Hintergrund der Schusterstube, die ein Luftbild Nürnbergs nach den Bombardierungen des II. Weltkriegs zeigte, wenn da von „Wahn überall Wahn“ gesungen wurde, war das sehr eindrucksvoll. Mit dem berühmten Quintett wandelte sich dies zur Festwiese, einer Wiese aus der Froschperspektive – ganz hohes Gras im Bühnenhintergrund, vor dem alle Mitwirkenden, auch die Bühnenmusiker, noch Wunden der Prügelei zeigten. Nach dem „normalen“ Auftritt der Zünfte kamen dann (Konwitschnys Opernrätsel) zusammen mit den Meistern Bühnengestalten Wagners kostümiert wie zu seiner Zeit auf die Bühne: Siegfried mit welligem blonden Haar, Brünnhilde mit Flügelhelm, ein zwergenkleiner Alberich, Wotan als einäugiger König mit Speer, Lohengrin mit Schwan und Tannhäuser mit Harfe, drei Rheintöchter mit Gold als Evas Begleitdamen, und alle sangen mit zu Ehren der Meistersinger oder etwa des Meisters ?

Auch musikalisch war es eine gelungene Aufführung. Als interessanteste Rolle gab Bo Skovhus gesanglich und darstellerisch ein brillantes Porträt des unglücklichen Stadtschreibers Beckmesser, den Wandel vom hochmütigen, pedantischen Besserwisser zum gescheiterten Sänger und Liebhaber in jedem Augenblick überzeugend gestaltend., Wie er am Ende des II. Aufzuges total verprügelt und demoralisiert von der Szene hinkte, erregte Mitgefühl. Dabei vermied er stimmliche Schärfe, war immer wohlklingender Sänger, so besonders bei den Koloraturen zu Beginn seines ersten Werbelieds im II. Aufzug, wo man hörte, daß es sich bei Beckmesser um einen erfahrenen aber in überholter Manier singenden Meister handelt, hier auch einen Opernsänger karikierend, begleitet von der „Beckmesser-Harfe“, die auf der Bühne von seiner Schülerin (Irina Kotkina) nach seinen Einsätzen gespielt wurde. Selbst das „entstellte“ Preislied im III. Aufzug versuchte er durch edles Singen glaubwürdig zu retten..

James Rutherford war ein Sachs der eher leiseren Töne, soweit das bei dieser Partie möglich ist. Er sang mit schönem Legato und sicher gehalten die langen Phrasen seiner beiden Soli, für das Grobe im II. Aufzug fehlte vielleicht die Stimmkraft, aber – Wagner singen heißt die Kräfte einteilen – er konnte sich bis zur Schlußansprache steigern.

Allen Opernfreunden im Revier in bester Tenor-Erinnerung bewies Burkhard Fritz, daß er diese auch als jugendlich-kräftig, aber auch legato-lyrisch singender Stolzing erfolgreich fortsetzen konnte. Vom Aussehen her war Meagan Miller das ideale Evchen – schlank und blond. Sie sang ihre kurze grosse Szene mit Sachs im III. Aufzug zwischen hohem A und tiefen cis fast hochdramatisch, dann aber dolce legato den Beginn des Quintetts, auch den berühmten Triller zu Ende des III. Aufzugs hörte man.Mit kräftigem Baß gab Peter Rose den Pogner. Aus der Premiere 2002 sangen noch Jürgen Sacher als im I. Aufzug die „ Meister Tön und Weisen“ stimmtechnisch perfekt erklärender David und Katja Pieweck als Magdalene mit beweglichem Mezzo ihre damaligen Rollen. Jan Buchwald war von Konrad Nachtigall 2002 zum markant die Meisterversammlung leitenden Kothner aufgestiegen. Auch alle anderen Meister passten stimmlich.

Schwungvoll in den kleinen Ensembles (Lehrbuben) genau in den mehrstimmingen Teilen klang der Chor in der Einstudierung von Florian Csizmadia, gewaltig zusammen mit dem Extrachor gesungen war das „Wach-auf“ eine Wucht.

Simone Young war schon jetzt im Dauereinsatz – am Abend vorher hatte sie die nicht einfache „Gloriana“ von Britten geleitet. Sie wählte flexible Tempi, wunderbare Ruhepunkte wie die Soli von Sachs und – als Höhepunkt das Quintett im III. Aufzug – steigerte sich zu rasantem Tempo in den Finali des I. und II.. Aufzuges, so schnell konnte bei letzteren gar nicht geprügelt und gesungen werden. Die Philharmoniker glänzten mit ihren Solostellen, besonders seien die rund und weich klingenden Bläser erwähnt.

Nach dem langen Theaterabend im wohl ausverkauften Haus ging niemand vorzeitig, sondern das aus Einheimischen und Touristen bestehende Publikum nahm sich Zeit für langen Applaus, auch stehend, und viele Bravis auch und vor allem für Simone Young.

Für ihren „Wagner-Wahn“, in dem sie zwischen dem 12. Mai und 2. Juni 2013 alle Opern Wagners vom „Holländer“ bis zum „Parsifal“ dirigiert, war das ein gelungener heiterer Auftakt. Unter anderem werden hier zwei wirkliche „Kult-Inszenierungen“ zu bestaunen sein, (vielleicht gehören diese „Meistersinger“ auch schon dazu!) der so bewegungsreduzierte „Parsifal“ in der Inszenierung von Robert Wilson und der bildmächtige „Tristan“ von Ruth Berghaus.

 Sigi Brockmann

 

 

 

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