Günter Neuwirth
CAFFÈ IN TRIEST
Roman
464 Seiten. Gmeiner-Verlag, 2022
Vor einem Jahr war man zwischen Buchdeckeln mit einem Dampfer ab Triest unterwegs – und offenbar verlangen die Verlage von ihren Erfolgsautoren in Jahresfrist Nachschub. Hier ist er, Autor Günter Neuwirth hat Inspektor Bruno Zabini wieder in seinem heimatlichen Triest aufgefunden und einen neuen Roman um ihn herum geschrieben. Angesiedelt ist er wieder 1907, also ganz im letzten müden Schimmer der einst glanzvollen Habsburger Monarchie. Und die Hafenstadt Triest (auch heute noch eine Perle) glänzte in ihrer Bedeutung.
Im einleitenden Personenverzeichnis werden die Personen der Handlung in drei Gruppen geteilt. Rund um Bruno, der als Sohn einer Wienerin (sie lebt noch) und eines Italieners (verstorben) ein wenig zwischen den Welten steht (obwohl alles „habsburgisch“ ist) gibt es vor allem gleich zwei Damen, die seine Gunst genießen: Beide sind verheiratet, beider Gatten sind (glücklicherweise) viel auf Reisen. Ob die rassige Fedora, ob die adelige und intellektuelle Freifrau Luise Dorothea, Schriftstellerin, er will und muss sich nicht entscheiden – am Ende stellt sich heraus, dass die Damen ganz gut mit der Rivalin leben können.
Unter den Kollegen bei der Triestiner Polizei, wo Bruno als Inspektor I. Klasse tätig ist, gibt es einige Italiener, die Bruno übel wollen. Aber es sind eigentlich nicht die Deutschen, sondern die herandrängenden Slowenen und Kroaten, mit denen die Italiener im Clinch liegen. Der Nationalismus, der die Monarchie später zerbrechen lässt, liegt auf der Lauer, und Bruno hat es nicht immer leicht.
Das Hauptgeschehen rankt sich um den titelgebenden „Caffè“, aber das ist kein Kaffeehaus (obwohl es in Triest bekanntlich wunderschöne gibt), sondern Kaffee pur und höchst lukrativ. Da ist der junge Kroate Jure Kuzmin, der mit Innovation und Logistik ein Modell aufgebaut hat, das ihn mit geschickten Transaktionen hochwertigen afrikanischen Kaffee nach Triest importieren lässt – ein wichtiger Geschäftszweig in diesem regen Handelshafen.
Wenn nun zum merkantilen Konkurrenzneid dann noch der obligate Kampf um eine Frau dazu kommt, sie heißt Elene Pasqualini, reiche Händlerstochter, kann es früher oder später einen Mord geben (und im Lauf des Geschehens mehr als einen). Für die Polizei ist das besonders kritisch, weil Thronfolger Franz Ferdinand seinen Besuch angekündigt hat und die ganze Stadt auf dem Kopf steht. Mord bei Staatsbesuch – das ist unerwünscht.
Günter Neuwirth hat wieder einmal weniger einen „spannenden Krimi“ geschrieben, als ein wirklich interessantes Zeitbild der Monarchie zu Beginn des 20.Jahrhunderts, mit Sachkenntnis, sorglicher Personenzeichnung und überzeugender Milieuschilderung aus einer Welt, wo die gesellschaftlichen Klassen noch getrennt waren, sich aber unweigerlich schon vermischen mussten.
Renate Wagner