Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

GUENES GUERLE – und der Traum vom Grünen Hügel. Ein Portrait

18.02.2015 | Allgemein, Sänger

Guenes Guerle. Ein Porträt von Dr. Klaus Ulrich Groth

Gorle_Photo_Antwerpen
Guenes Guerle. Foto Barbara Badetti

Sein gefeierter Dulcamara in der Düsseldorfer Neuproduktion von Donizettis „Liebestrank“ gibt Veranlassung, den in Istanbul geborenen Bassbariton Guenes Guerle nä­her vorzustellen: Als Sieger des Belvedere-Wettbewerbs 2004 in Wien ist er auch dort kein Unbekannter, ist aber 2005 bereits ein Engagement an der Deutschen Oper am Rhein Düsseldorf/Duisburg ein­gegangen, welches er auch heute noch trotz Gastspieltätigkeiten (z.B. in Antwerpen, Genf und Oslo) innehat, obwohl eine ganze Reihe weiterer Gastspielangebote, darunter eine große Ros­sini-Partie an einem führenden deutschen Opernhaus, wegen des Festengagements und der damit verbundenen Präsenzverpflichtung nicht umgesetzt werden konnten.

Il_turco_in_Italia_05_FOTO_Hans_Joerg_Michel
Guerle als „Selim“ in „Il turco in Italia“ (mit Lisette Oropesa  in Düsseldorf. Foto: Hans-Jörg Michel

Guerle ist allerdings erst neununddreißig Jahre alt. Ihm steht daher die Zukunft offen, zumal ein Bass mit fundiertem Material noch jahrzehntlang erfolgreich singen kann. Einstweilen forciert er jedoch die Abwanderung ins Bassfach noch nicht, weil er auch die gute Höhe hat, um eine Tessitura zu bewältigen, die üblicherweise ein seriöser Bass nicht singen kann. Bei­spielhaft genannt seien Don Giovanni, Leporello und die vergleichsweise hoch notierten Ros­sini-Partien im Gegensatz zu einem Osmin, Sparafucile oder Basilio. Sein Repertoire ist weit gefächert und umfaßt dreiunddreißig Partien. Er möchte es langsam ins deutsche Fach erwei­tern und träumt insgeheim als begeisterter Verehrer der großen Werke Richard Wagners von einem Engage­ment am Grünen Hügel. Denkbar wäre das durchaus, denn die Stimme hat einerseits das belkanteske Potential für frühe Wagnerrollen wie König Heinrich, als auch die Kraft und das Fundament für einen Telramund oder mannigfaltige Aufgaben aus dem „Ring“.

Guenes Guerle stammt aus einer führenden türkischen Familie. Seine Eltern siedelten aller­dings früh nach Deutschland über. Sein Vater ist Architekt, die Mutter war Juristin. Eine sei­ner Schwestern ist Mikrobiologin, die andere Literaturkritikerin und Autorin. Verheiratet ist er mit einer deutschen Kostümbildnerin. Da lag es nahe, auch die Staatsangehörigkeit zu wechseln, zumal er ein grammatisch so sauberes Deutsch spricht, wie es die meisten Einhei­mischen nicht zu sprechen in der Lage sind.

Erst vor kurzem hat er in einem Konzert für den türkischen Staatspräsidenten und die deutsche Bundeskanzlerin gesungen. Das lag insofern nicht fern, als er noch 2013 zum türki­schen Opernsänger des Jahres gewählt worden ist.

Guenes Guerle hat noch einen weiteren Vorteil, der ihm für die Bühnenpräsenz und die dar­stellerischen Herausforderungen sehr entgegenkommt. Er ist körperlich hervorragend trai­niert, steht, wo immer es möglich ist, als Windsurfer auf dem Brett und schwimmt jeden Tag größere Strecken. Ein Sängerdarsteller mit dieser Fitness müßte speziell für „moderne“ Regis­seure mit ihren manchmal recht skurillen Ideen ein Glücksfall sein. So wundert es nicht, dass er besonders in den Produktionen von Him­melmann, Hilsdorf, Carsen, Loy und Savary reüssiert hat. Gesungen hat er unter so bekannten Dirigenten wie Fiore, Joel, Guidarini, Kober, Foremy, Carignani, Bellincampi, Dovico, Eschwè, Layer, Wellber und nicht zuletzt dem kürzlich verstorbenen Wallat. Der Rezensent ist sicher, dass in den nächsten Jahren noch einige re­nommierte Namen dazukommen werden.

 

Diese Seite drucken