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Größing: KAISER MAXIMILIAN I. & DIE FRAUEN

28.02.2017 | buch, CD/DVD/BUCH/Apps

BuchCover  Grössling, Maximilian und die Frauen

Sigrid-Maria Größing:
KAISER MAXIMILIAN I. & DIE FRAUEN
224 Seiten, Amalthea Verlag, 2016

Dass ein Herrscher des ausgehenden Mittelalters – also gut ein halbes Jahrtausend von uns entfernt – Held einer dreiteiligen Fernsehserie wird, kann nur mit einer Liebesgeschichte erklärt werden. Und die hatten Maximilian von Habsburg, der spätere Kaiser Maximilian I., und Maria von Burgund, eine der schönsten und reichsten Erbinnen Europas, wahrlich zu bieten. Eine Romanze, eine glückliche Ehe, ein tragischer früher Tod – ja, der Stoff aus dem Fernseh-Dreiteiler sind.

Doch wie jeder Mensch war Maximilian von Frauen, von „Familie“ umgeben, hatte Mutter, Schwester, Ehefrauen, Tochter, Schwiegertochter, Enkelinnen. Sigrid-Maria Größing, eine souveräne Autorin vieler Habsburgischer Familiengeschichten, bietet in „Kaiser Maximilian I. & die Frauen“ eine Reihe von hoch interessanten Porträts weiblicher Schicksale und macht dabei unmissverständlich klar, dass es keinesfalls glücksverheißend war, in eine Herrscherfamilie hineingeboren zu werden. Denn in einer Zeit, wo Frauen für Macht und auch sehr stark für Geld verschachert wurden, war der Spielraum für persönliches Glück gering.

Das hat auch Eleonore von Portugal gespürt, die von Lissabon nach Rom kam, um 1452 dort jenen Friedrich III. zu heiraten, der eben vom Papst zum Kaiser gekrönt worden war. Sie gebar sechs Kinder in der Residenz in Wiener Neustadt, nur zwei, Maximilian und Kunigunde, überlebten, bevor die Mutter mit 30 Jahren starb… Das Kindergebären am laufenden Band gehörte zu den dynastischen Pflichten, viele Frauen haben sich dem unterzogen, viele sind daran zugrunde gegangen.

Maximilian war acht Jahre alt, als Eleonore, die er innig geliebt hatte, starb, seine Schwester Kunigunde gar erst zwei. Die Geschwister schlossen sich eng aneinander an, und für Maximilian hat die Reizlosigkeit des jungen Mädchens wohl keine Rolle gespielt. Aber was schadete das bei einer Kaisertochter? Der bayerische Herzog Albrecht IV. wusste, was es bedeutete, hier zuzugreifen – auch wenn er den Fehler beging, sich mit dem kaiserlichen Schwiegervater zu überwerfen. Kunigunde musste nur beschwichtigen und mit ihrem Geld einspringen. Ihren geliebten Bruder Maximilian, der 1519 starb, überlebte sie nur um ein Jahr. Ehen zwischen Habsburgern und Wittelsbachern zogen sich durch die weiteren mehr als fünfhundert Jahre der Familiengeschichten.

Maximilians erste Gattin, die schöne Maria von Burgund, bot einem finanziell armen Erzherzog alles, was er sich wünschen konnte – eine geliebte, kluge, schöne Gemahlin und ihren Reichtum, den er tatsächlich für die Familie (und seine dynastischen Bestrebungen, die vielfach erkauft werden mussten) einkassieren konnte. Tu felix austria nube – niemand hat die Habsburgischen Besitzungen entschlossener erweitert als Maxmilian. Maria brachte Burgund, noch lange Zeit herrschten die Habsburger über niederländische Gebiete.

So untröstlich er über Marias Tod sein mochte – sofort warf er den Blick auf die nächste reiche Erbin. Am Beispiel von Anne de Bretagne zeigte sich, wie schamlos hier Frauen verschachert wurden. Maximilian heiratete sie per procurationem, kam aber nie dazu, die Ehe zu vollziehen. Der französische König Karl VIII. hatte gleicherweise ein Auge auf sie geworden – um sie zu heiraten, musste sowohl die Ehe mit Maximilian für ungültig erklärt werden wie auch die „Hochzeit“ Karls mit der dreijahrigen (!) Tochter von Maximilian und Maria, Margarete…

Kein Ruhmesblatt für Maximilian ist schließlich seine dritte, oder, wie man es nimmt, zweite Ehe mit Bianca Maria Sforza aus dem norditalienischen Fürstenhaus, das gerne bereit war, für die Heirat mit dem mächtigen, aber finanzschwachen Habsburger viel an Mitgift springen zu lassen. Maximilian nahm das Geld, seine Gattin hingegen nahm er kaum wahr. Sie lebte allein mit ihrem Hofstaat unter schäbigsten Bedingungen und ist möglicherweise an körperlicher und seelischer Verwahrlosung gestorben…

Das Buch befasst sich auch mit den vielen unehelichen Kindern von Maximilian (wobei man von deren Müttern kaum etwas weiß), aber mit seinen beiden einzigen überlebenden Kindern aus der Ehe mit Maria von Burgund hat er wahrlich familienpolitisch „gewuchert“. Sohn Philipp und die um zwei Jahre jüngere Tochter Margarete wurden in einer spektakulären Doppelhochzeit mit zwei Kindern der „Katholischen Könige“, Ferdinand und Isabella, verheiratet.

Margarete – nach der kindlichen „Ehe“ mit dem französischen König nahm sie den Weg nach Spanien – liebte ihren Johann über alles, er sie auch, und dass er ein halbes Jahr nach der Hochzeit mit 21 Jahren starb, war eine Tragödie. Margarete hatte „Glück“, dass sie auch in ihrer zweiten Ehe mit Philibert von Savoyen einen Mann fand, mit dem sie ebenfalls glücklich war, aber auch er starb bald – sie waren beide 24, als Margarete nach dreijähriger Ehe zum zweiten Mal Witwe wurde.

Von da an ließ sie keine weiteren Heiratspläne zu und kümmerte sich um die Kinder ihres verstorbenen Bruders – vor allem den späteren Karl V., der 1519 seinem Großvater in die Kaiserwürde folgte, hat sie zu einem wahren „Flamen“ herangezogen… abgesehen davon, dass sie wie viele Frauen des Hauses Habsburg eine überaus begabte Statthalterin abgab (aber sie hatte natürlich auch den Bonus im Land, die Tochter der geliebten Maria von Burgund zu sein).

Die Habsburgischen Gebietserweiterungen ergaben sich immer wieder durch die Tode junger Männer. Margaretes Gatte, Johann, war als der Erbe von Kastilien und Aragon vorgesehen gewesen. Als er starb, trat Johanna, die Gattin von Margaretes Bruder, die Erbschaft an (ihre älteren Schwestern waren an die Könige von Portugal und England verheiratet – die berühmte Katharina von Aragon, Gattin von Heinrich VIII.). Philipp, „der Schöne“ genannt, der alles andere als ein Mustergatte war, wurde von Johanna nichtsdestoweniger exzessiv geliebt, und als er 28jährig starb, betrieb sie einen Kult um seine Leiche, der ihr den Beinamen „die Wahnsinnige“ eintrug. Mit Spanien, den Niederlanden, den österreichischen Gebieten und den Eroberungen der Spanier in der Neuen Welt ging im Reich von Maximilians Enkel Karl „die Sonne nicht unter“…

Maximilian, der 1519 starb, alle Gattinnen (auch die nicht wirkliche Gattin Anne de Bretagne) überlebte, der seinen Sohn zu Grab trug, erlebte, dass Schwiegertochter Johanna das Habsburgische „Heiratsmaterial“ mit zwei Söhnen und vor allem vier Töchtern entscheidend bereichert hatte. Zwei der Enkelinnen, Eleonore (die in zweiter Ehe unglückliche Königin von Frankreich wurde) und Katharina, wurden an Könige im benachbarten Portugal verheiratet, Isabella erlitt ein besonders tragisches Schicksal an der Seite des Dänenkönigs.

Aber mit Maria gelang Maximilian der besondere, der letzte „Heirats-Coup“ seines Lebens. Wieder eine Doppelhochzeit mit Geschwistern: Während Karl, der spätere Karl V., auch mit einer portugiesischen Prinzessin verheiratet wurde, traten der zweite Sohn Ferdinand und die Infantin Maria an, 1515 im Stefansdom jene Hochzeit zu feiern, die den Habsburgern Böhmen und Ungarn einbrachten. Denn während Ferdinand mit seiner Anna, der Tochter von König Vladislav II. von Böhmen und Ungarn, lange und glücklich verheiratet war und viele, viele Kinder bekam, starb Marias Gatte, der junge Ludwig II. König von Böhmen und Ungarn, 1526 in der Schlacht bei Mohács gegen jenen Sultan Suleyman, der drei Jahre später Wien belagerte…

Das Erbe des toten Gatten fiel an die Habsburger, die kinderlose Maria folgte ihrer Tante Margarete als Statthalterin der Niederlande, und so, wie die politischen Verhältnisse gar nichts mit den menschlichen Bindungen zu tun hatten, stand sie im Krieg gegen Frankreich ihrem Schwager Franz I., dem zweiten Gatten ihrer Schwester Eleonore gegenüber… Sie gewann die Schlacht übrigens.

Nicht die einzige Frau im Umkreis von Maximilian I. und seinem Enkel Karl V., die sich im Dienst der Familie bewährt hat, persönlich aber nicht sehr glücklich geworden ist.

Renate Wagner

 

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