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GRIASS EICH DIE MADLN, SERVAS DIE BUAM!: DAS PHÄNOMEN HEINZ CONRADS

03.01.2022 | buch, CD/DVD/BUCH/Apps

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Hg. Suzie Wong, Thomas Mießgang
GRIASS EICH DIE MADLN, SERVAS DIE BUAM!:
DAS PHÄNOMEN HEINZ CONRADS
Conférencier, Schauspieler, Medienstar
312 Seiten, Residenz Verlag, 2021 

Wahrscheinlich ist nur „Guten Abend, meine Damen und Herren. Ich begrüße Sie zur ‚Tagesschau’“ berühmter, und auch das nur in Deutschland. In Österreich gab es keine bekanntere Grußformel als „Griaß eich die Madln, servas die Buam!“ aus dem Mund von Heinz Conrads. Wer alt genug ist, ihn erlebt zu haben, hat weder den Spruch noch den Mann vergessen.

Aber Heinz Conards (1913-1986) ist doch bereits seit 35 Jahren tot und solcherart vor allem als historisches Faktum zu betrachten. Das tut die Wien Bibliothek, die seinen Nachlass besitzt, mit einer Ausstellung, die das übliche Bild- und Dokumentenmaterial bietet und solcherart (Bilder kann man nicht ändern) die Ära Conards nostalgisch bestreicht.

Was die Wissenschaft zu ihm als Person, zu dem, was er verkörperte, und zu seiner Epoche zu sagen hat, findet sich in dem ausführlichen Buch, das die Ausstellungsgestalter Suzie Wong (Arbeitsschwerpunkt Populärkultur) und Thomas Mießgang (Fachmann für Pop) herausgegeben und mit Artikeln zahlreicher Wissenschaftler  zu vielen Aspekten des Phänomens Heinz Conrads bereichert haben. (Abgesehen davon, dass man natürlich durch die Bilder reichlich mit optischer Erinnerung versorgt wird.)

Nun ist dies ein Buch von heute, das sich dem Gestern nicht freudig unkritisch nähert, vielmehr von einem wissenschaftlichen Standpunkt, der es Lesern gelegentlich schwer  macht. Man könnte sich vorstellen, dass Heinz Conrads mit Formulierungen dieser Art wenig hätte anfangen können: „Genderpolitische Affektangebote für ein postfaschistisches Land“, so richtig das auch sein mag – denn Heinz Conrads trug in den fünfziger Jahren viel dazu bei, das Nachkriegsösterreich nicht nur zu unterhalten, sondern auch zu entproblematisieren.

Er, der Kabarett gemacht hatte (es gibt ein Foto von ihm und Karl Farkas in einer Duo-Szene im „Simpl“), schaffte es, unter dem Motto „Was gibt es Neues?“ die Politik völlig auszuklammern, um ja nicht anzuecken (eine Vorsicht, die er mit Peter Alexander gemeinsam hatte, der auch immer ausschließlich gefällig sein wollte), Conrads wäre in Jahrzehnten im Radio und im Fernsehen nie so schrankenlos populär geworden, wäre er je auf Konfrontationskurs gegangen – das lag anfangs auch nicht in der Zeit. Später dann, als sie Sitten rauer wurden, empfanden die Jungen ihn als altmodisch, während die Alten (vor allem die Frauen) nach wie vor mit geradezu leidenschaftlicher Zuneigung an ihm hingen – das Buch nennt es eine „libidinöse Beziehung“. Der treue Dackelblick des Saubermanns, das verschmitzte Lächeln – und alle schmolzen dahin. Begraben haben sie ihn wie einen König.

Conards war, das leugnet niemand, ein besonderes Talent als Conferencier und Entertainer. Aber er hätte auch, wie ein interessanter Artikel von Hilde Haider-Pregler zeigt, als „Volksschauspieler“ weit kommen können. Franz Stoß hatte zwar große Schwierigkeiten, ihn gegen den Protest der Kollegen in die „noble“ Josefstadt zu bringen (den Kollegen roch er zu „vorstädtisch“), aber er konnte sich dort bis zum „Liliom“ entwickeln. Vielleicht waren es tatsächlich die perfiden Verrisse von Hans Weigel, die den sensiblen (bzw. empfindlichen) Conrads dazu brachten, die  Bühne zu verlassen. Tatsächlich hätte er dort nie so berühmt werden können, wie es ihm als „Medienstar“ vergönnt war.

Conrads, der sein Privatleben immer bedeckt hielt, von dem man, wenn überhaupt, nur das Freundlichste erfuhr, hat mit seinen Talenten gewuchert – wobei ihm der Schauspieler, der er war, bei allem half, vor dem Radiomikrophon, wo er Texte ablas, als seien sie in der Sekunde frei improvisiert, vor der Fernsehkamera, vor der Filmkamera, wo er in den Filmen der fünfziger Jahre zwar immer nur Nebenrollen spielte, aber diese in erstaunlicher Vielfalt. Dass er vor dem Kitsch nie zurückschreckte, lassen auch heute noch seine Platten mit Wienerliedern hören. Er selbst zelebrierte sich als den echten Wiener, der bis in die Monarchie zurück reichte (Als Böhmen noch bei Österreich war – die Großeltern mütterlicherseits stammten von dort). er verkörperte sogar den „Rathausmann“, die Wiener Ikoine.

Hinter dieser Karriere steckte ungeheurer Fleiß und zweifellos auch Strategie, obwohl Leute, die ihn kannten, an ihm eher Instinkt als Intellekt feststellen wollten. So negativ ihn die Gegenwart sehen will, gewissermaßen als Ikone der Verlogenheit der fünfziger Jahre, so sind weder sein Können noch sein überdimensionaler Erfolg wegzudiskutieren.

Das Buch hat zweifellos die Absicht, ein Denkmal zu stürzen – bis zum Finale: Ein Kicker in die Magengrube sind die abschließenden Worte von mehr oder minder Prominenten, die zu Conrads befragt wurden, teilweise nichts zu sagen wussten und herumeierten, teilweise die totale Ablehnung formulierten, bis zu Franzobels „Heinz Conrads war grauenvoll“. Böse Nachrede von Podgorsky oder Wolfgang Lorenz, böse Satire (Conrads in der Karikatur als Muttergottes). Und nur Willi Resetarits erinnerte sich wohlwollend, dass es für ihn als Kind etwas bedeutet hatte, dass Conrads auch „die Buam“ ansprach: Das „hat mir das Gefühl gegeben, er ist auf meiner Seite, auf der Seite der kleinen Leute.“

Summa summarum kann man davon ausgehen, dass der Heinzi keine Freude damit gehabt hätte, wie unbarmherzig und negativ die Nachwelt ihn sieht. Aber er hätte sich wohl mit dem wienerischen Bewusstsein getröstet, dass den Wurschtl ja doch kana darschlog’n kann…

Renate Wagner

 

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