Gregor Auenhammer:
AUF DEN SPUREN VON OTTO WAGNER
128 Seiten, Verlag Styria
in der Reihe: „Spaziergänge durch Wien“,
2018
Ein Architekt unterscheidet sich von andern Künstlern. Man muss für ihn nicht ins Museum gehen – man kann ihn abwandern. Hilfreich ist es, wenn man die konzentrierten Tipps dazu in einem Buch findet. Für Otto Wagner (1841-1918), der vor hundert Jahren gestorben ist und der heuer die Anerkennung fand, die er hoch verdient hat, gibt es mehrere Angebote verschiedener Verlage zu diesem Thema.
Bei Styria setzt sich Autor Gregor Auenhammer, von dem es im Klappentext heißt, er habe eine Begabung für das Gegen-den-Strich-Gebürstete, auf die Spuren von Otto Wagner, und wer die Dinge schön geordnet und nicht „impressionistisch“ aufbereitet haben will, soll sich gleich ein anderes Buch suchen. Denn Auenhammer unternimmt zwar, wie die Styria Reihe heißt, „Spaziergänge durch Wien“, aber er mäandert gewaltig herum.
Und, das ist das Entscheidende, er besucht nicht nur Bauten, für die Otto Wagner verantwortlich war, sondern auch viele, die mit seinem Leben nur peripher zu tun haben – und kommt dann, aus seiner Wissensfülle schöpfend, vom Hundertsten ins Tausendste. Warum es den Leser in diesem Zusammenhang interessieren soll, dass in den heutigen Räumen des längst nicht mehr existierenden Depeschenbüros der Zeitung „Die Zeit“ (Kärntnerstraße 39) später die „Standard“-Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid gewohnt hat? Auch kommt der Autor zu Schlüssen, die seltsam anmuten, nämlich angesichts des Karl-Marx-Hofes, den wohl niemand mit Otto Wagner im Sinn aufsuchen wird, dass man auch Wagner als Repräsentanten des „Roten Wien“ betrachten könnte… Seine Schüler vielleicht, auch das bestenfalls auf mäandernden Umwegen.
Aber kommen wir zum Positiven des schmalen Bandes, der hübsch bebildert ist und den man in die Tasche stecken kann (dann wird man allerdings angesichts der kleinen Schrift vielleicht Mühe haben, zwischendrin zu lesen): Der Wagner-Spaziergang beginnt auf der Baumgartner Höhe, die der Architekt ja nun beispielhaft angelegt hat (so dass einen die Idee der Zerstörung des Konzepts für „Wohnungen in bester Lage“ das Herz zerreißt), begibt sich über die Kirche am Steinhof (die in ihrer Pracht noch ein paar Fotos vertragen hätte) zur Otto Wagner-Villa, die man dank Ernst Fuchs besichtigen kann. Auch die geniale Stadtbahnverbauung ist noch ganz Otto Wagner, ein paar Stationen werden auch gewürdigt (sowohl Karlsplatz wie Kaiserpavillon kommen später), ebenso die Jugendstilhäuser auf der Wienzeile.
Aber wenn dann „Billard im Café Sperl“ angesagt ist, mischt sich das Leben des Otto Wagner, also Schauplätze seines Lebens, mit seinen Werken, und im Buch ist das ununterscheidbar, die Aufmachung ist dieselbe. Natürlich weiß der Kenner, dass Otto Wagner die Secession nicht gebaut hat, aber man ist ja nicht auf einem allgemeinen Jugendstil-Spaziergang? Privater Einschub bei dieser Gelegenheit: Wagner vergötterte Gustav Klimt. Man bekommt allerlei Lesenswertes über den privaten Wagner geboten. Aber es findet sich an den seltsamsten Stellen.
Immerhin wird auf die Wagner-Gedenksäule aufmerksam gemacht, die man leicht übersieht – spektakulär ist sie wohl nicht und als Ersatz für ein Denkmal wahrlich mikrig. Dass man später erfährt, dass es eine Wagner-Büste von Gustinus Ambrosi gibt, ist auch wissenswert, ebenso die Zeichnung, die Schiele von ihm anfertigte (im Buch per Adresse Café Heinrichshof, das nun wahrlich nicht mehr existiert), die allerdings nicht zum Auftrag für ein Ölbild führte… Andererseits ist der „Zwiebelrostbraten bei Alma Mahler“ arg feuilletonistisch, und die Frage, ob auch Otto Wagner von ihrer Erotik geblendet war, hängt höchst vage und sinnfrei in der Luft.
Natürlich bekommt man noch Postsparkasse und Löwen an der Nußdorfer Wehr, Wagners trauriges, einsames Sterben in einem von ihm gebauten Haus, und man staunt ein wenig, dass ein so funktionaler Mann sich und seiner Familie am Hietzinger Friedhof ein Grabmal im Renaissancestil gebaut hat. Ja, um auch etwas Gutes zu sagen, es steht viel drin in diesem Buch.
Und doch noch eine Reklamation: Es gibt kein Register, wer also konkret etwas sucht, wird Mühe haben, es zu finden. Aber das Buch ist ja ganz offensichtlich für Schlenderer und Genießer und nicht für Systematiker gedacht…
Renate Wagner