GRAZ/ Musikverein für Steiermark: Donizettis Einakter „Rita“ am 17.3.2012
Der Musikverein für Steiermark veranstaltet seit einigen Jahren eine sehr verdienstvolle Reihe unter dem Titel „Amabile – Junge Musiktalente“. Sehr erfreulich ist dabei auch, daß mit dieser Reihe wieder der Kammermusiksaal des „congress graz“ bespielt wird, der zweifellos der geeignetste Saal für Kammermusik und Liederabende in Graz ist, allerdings nicht für die Zyklen der Abonnements genutzt wird – das Publikumsinteresse (und damit finanzielle Überlegungen) zwingt in den großen Stefaniensaal, dem mit seinen über 1000 Plätzen die nötige Intimität fehlt.
Und so ist es sehr erfreulich, wieder einmal den akustisch und atmosphärisch wunderbaren Kammermusiksaal – diesmal mit einer Kammeroper – erleben zu können. Die Initiative von Generalsekretär Dr. Michael Nemeth ist sehr zu unterstützen:
Er stellt in seiner „Amabile“-Reihe an vier Abenden in jeder Saison junge Künstlerinnen und Künstler vor, wobei ein Abend einer Kammeroper gewidmet ist. In den letzten Jahren war es Rossini (zuletzt mit „La Cambiale di Matrimonio“), heuer ist es der Einakter „Rita“, ein Spätwerk Donizettis, das er angeblich in nur acht Tagen zu Papier brachte und dessen Uraufführung erst nach Donizettis Tod 1860 in Paris erfolgte. In Graz erklang die erst 2006 publizierte französische Originalfassung, die bisher in Österreich noch nicht aufgeführt wurde.
Der bekannte Film-und TV-Regisseur Peter Patzak (übrigens ein Neffe des unvergessenen Julius Patzak) hat mit sparsamsten Mitteln eine sehr überzeugende szenische Lösung gefunden. Zwischen und vor dem Orchester ist ein Steg aufgebaut, auf dem die drei handelnden Pesonen agieren, sodass das Publikum die Protagonisten gut sieht – als Hintergrund läuft ein Film des Treibens in den Hallen des Flughafens Wien-Schwechat samt den deutschen Übertiteln.
Mit einem geschickten Kunstgriff löst die Produktion das Sprachproblem – „Rita“ ist ja eine Opéra-comique mit recht umfangreichen gesprochenen Dialogen zwischen den acht Musiknummern. Entsprechend der internationalen Situation auf einem Flughafen (und den mangelnden Deutschkennissen) sprechen die beiden Herren ganz einfach russisch und chinesisch, nur die Französin Julie Fuchs spricht ihren Part deutsch – schade nur, dass die deutschen Übertitel sehr oft durch die Akteure verdeckt werden. Die Übertitel sind übrigens wahrhaft keine Übersetzung des Originals, sondern eine dem Inszenierungskonzept angepasste „Nacherzählung“. Ein Beispiel: Der (russische) Bassist singt als Beschreibung seines handgreiflichen Umgangs mit Frauen „fidèle à mon système“ – als Übertitel liest man „nach altrussischem System“… Die Arien und Ensembles werden im französischen Original gesungen – von der Sopranistin gut artikuliert, von den beiden Herren bemüht.
Die Aufführung lebt von den erfrischend jungen Protagonisten, die alle typengerecht besetzt sind: Da ist der bescheidene (zweite) Ehemann der Titelfigur, den der Chinese Lianghua Gong mit beachtlich höhensicherem, wenn auch nicht sehr farbenreichem Tenor sympathisch gestaltet. Der überraschend wieder auftauchende erste Ehemann wird vom Weißrussen Anatoly Sivko als Macho mit mächtigem Bassmaterial gestaltet, das wohl noch eines Feinschliffs – speziell für italienische Belcantorollen – bedarf. Die Frau, um die sich alles dreht, ist auch der stimmliche Mittelpunkt: Die Französin Julie Fuchs hat einen in allen Lagen sicher sitzenden und ausgeglichenen Sopran, den sie (im Unterschied zu ihren männlichen Partnern) auch durchaus dynamisch differenziert einsetzt – und vor allem hat sie Charme! Von ihr kann man sicher auch international noch Erfreuliches erwarten – ab 2013/14 ist sie Ensemblemitglied des Opernhauses Zürich.
Es begleitet das „Kammerorchester con fuoco“, das auf Initiative von Michael Nemeth im Jahre 2007 aus den Reihen ambitionierter Studierender und Absolventen der Kunstuniversität Graz gebildet wurde – geleitet vom jungen bulgarischen Dirigenten Svetoslav Borisov. Die durchaus anregende Partitur wird frisch und ambitioniert umgesetzt – etwas mehr dynamische und klangliche Schattierung würde man sich wünschen.
Insgesamt jedenfalls eine sehr erfreuliche Förderung des musikalischen Nachwuches, die auch das Kennenlernen eines anregenden Werks vermittelte – man ist schon gespannt, was im nächsten Jahr auf dem Programm stehen wird!
Hermann Becke
Hier noch zwei Links:
Homepage der jungen Sopranistin Julie Fuchs:
Interview mit dem Regisseur Peter Patzak über seine erste Opernregie:
http://www.kleinezeitung.at/nachrichten/kultur/2969793/melancholie-des-kommens-gehens.story