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GRAZ/ Opernhaus: „SILK STOCKINGS“ – Musical von Cole Porter –  (Premiere)

16.12.2024 | Allgemein, Operette/Musical

Graz: „SILK STOCKINGS“ –  Opernhaus, 14.12. 2024 (Premiere)

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Nina Weiss/ Ballett Graz und Chor der Oper Graz. Foto: Werner Kmetitsch

 Cole Porter (1891-1964), der geniale Songwriter, ist im deutschen Sprachraum vor allem durch sein Musical „Kiss Me, Kate!“ sowie durch viele Songs, die zu Evergreens wurden bekannt. Der aus einer reichen Familie stammende Komponist führte viele Jahre lang ein mondänes Leben in Luxus und lebte viele Jahre in Paris, in Venedig und an der Riviera. Später pendelte er zwischen New York, wo seine erfolgreichen Musicals liefen, und Hollywood, wo er für viele Filme die Musik schuf. Ein schwerer Reitunfall im Jahr 1937 veränderte sein Leben dann grundlegend. Er musste infolge dieses Unfalls in den nächsten 20 Jahren mehr als 30 Operationen über sich ergehen lassen und dennoch musste schließlich 1958 sein rechtes Bein amputiert werden. Danach wurde er zunehmend depressiv und verlor nach und nach den Lebenswillen.

Für seine Musicals hat er auch die Songtexte selbst verfasst, wobei diese oft mit Wortspielereien gewürzt sind, die schwer zu übersetzen sind, weshalb die Entscheidung des Grazer Opernhauses, bei der nunmehrigen Aufführung von „Silk Stockings“ die Dialoge auf Deutsch, aber die Gesangsnummern in der Originalsprache zu präsentieren, richtig ist.  

Das letzte von Cole Porter komponierte Musical basiert auf dem Film „Ninotschka“ von Ernst Lubitsch aus dem Jahr 1939 mit Greta Garbo, der wiederum auf dem Theaterstück „Ninocska“ von Melchior Lengyel beruht. Nach Anpassungen des Stoffs an die weltpolitischen Veränderungen nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Handlung des Musicals nun in die Zeit des Kalten Krieges verlegt: Die strenge linientreue sowjetische Geheimagentin Nina Yaschenko (genannt Ninotschka) wird als Sonderbeauftragte in das kapitalistische  und dekadente Paris geschickt. Sie soll den sowjetischen Nationalkomponisten Pjotr Iljitsch Boroff zurückholen, nachdem drei Funktionäre der sowjetischen Kulturbehörde, die zuvor bereits mit diesem Auftrag entsandt worden sind, offensichtlich versagt haben. Der amerikanische Filmproduzent Steve Canfield will Boroff jedoch in Paris bis zur Vollendung seines Films, für den der Komponist die Musik schreiben soll, zurückhalten. Doch die überzeugte Kommunistin erliegt bald dem Charme der Seine-Metropole, den Vorzügen der westlichen Lebensart und erst recht den Verführungskünsten des Amerikaners, was sie sich anfangs aufgrund ihres festen Klassenstandpunktes aber nicht eingestehen will. Aber natürlich gibt es ein Happy-End. (In dieser Aufführung kehrt Ninotschka gar nicht mehr nach Moskau zurück. Im Original entschließt sie sich erst im Westen zu bleiben, als sie ein zweites Mal nach Paris entsandt wird.)

Das Musical hatte am 24. Februar 1955 am Imperial Theatre in New York seine Premiere. Interessant ist, dass Cole Porter persönlich darauf bestand, dass Hildegard Knef als Ninotschka engagiert wurde. Für viele Jahrzehnte war sie die einzige Deutsche, die eine Hauptrolle am New Yorker Broadway spielen durfte. Die deutschsprachige Erstaufführung fand übrigens in Österreich statt, und zwar 1974 am Linzer Landestheater. Einige Jahre später wurde das Musical auch am Stadttheater Klagenfurt gespielt.

Es war auch sehr klug, einige der besten Songs von Cole Porter in die Aufführung einzufügen, wie z.B. im Finale des 1. Aktes „I love Paris“, den Cole Porter ein Jahr zuvor für das Musical „Can-Can“ geschrieben hatte (und der von Caterina Valente mit dem deutschen Text „Ganz Paris träumt von der Liebe“ im deutschen Sprachraum zum Schlager wurde) oder im Finale des 2. Aktes „I get a kick out of you“ (aus dem Musical „Anything Goes“). .

Max Hopp, der auch aus TV-Serien bekannte deutsche Schauspieler, inszenierte das Musical ohne unnötige Aktualisierungen; dafür besticht seine Arbeit durch eine liebevolle Zeichnung der Charaktere. Man fragt sich langsam, warum in der Oper (und neuerdings auch in der Operette) das nicht mehr möglich ist? Mit dem richtigen Timing spult die Handlung ab, das Bühnenbild von Marie Caroline Rössle (sie hat auch die stilgerechten Kostüme entworfen) erlaubt schnelle Verwandlungen und schafft mit der ausgezeichneten Lichtregie (Sebastian Alphons) stimmungsvolle Bilder.

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Natalia Mateo und Michael Rotschopf. Foto: Werner Kmetitsch

Natalia Mateo ist als Ninotschka anfangs ein gefühlloser Eisberg. Nach und nach schmilzt sie dann dahin, als sie sich in den amerikanischen Filmproduzenten verliebt und langsam den Verlockungen der kapitalistischen Welt erliegt. Michael Rotschopf, den man heute fast nur noch aus deutschen Filmen und TV-Serien kennt, der aber am Anfang seiner Karriere in der Ära von Claus Peymann am Wiener Burgtheater engagiert war (u.a. spielte er an der Seite von Kirsten Dene als Tosca damals den Cavaradossi) war großartig als Steve Canfield. Wer hätte gedacht, dass er so gut singen und tanzen kann? Er könnte wohl auch im Musicalfach eine große Karriere machen.

Nina Weiß als temperamentvolle und stimmstarke Janice Dayton, die ihre Karriere als Hollywoods Badenixe vom Dienst satt hat, endlich eine seriöse Schauspielerin werden will und zu diesem Zweck die geplante Verfilmung von Tolstois „Krieg und Frieden“ in einen Film abändert, der Napoleons erste Frau Josephine zur Hauptrolle macht, liefert eine große Show ab. Zu diesem Zweck macht sie auch den Komponisten Boroff (Michael Großschädl) schöne Augen. Die drei komischen Kommissare Iwanow, Brankow und Bibinski, die in ihrer Mission Boroff zurück nach Moskau zu bringen versagt haben und sich deshalb gedanklich bereits in Sibirien sehen, wurden von Markus Murke, Falk Witzurke und Christian Scherler stimmlich ausgezeichnet und witzig dargestellt. (Alle drei sind übrigens Mitglieder des Chores der Grazer Oper.) János Mischuretz hatte als Kulturkommissar Markowitsch die Lacher auf seiner Seite.

Die Grazer Philharmoniker haben schon oft ihre Vielseitigkeit bewiesen. An diesem Abend durften sie wieder einmal zur Freude des Publikums unter der kompetenten Leitung von Koen Schoots mit Eleganz swingen.

Langanhaltender Applaus und begeisterter Jubel für eine großartige Musical-Aufführung, an der auch der Chor der Oper Graz (Einstudierung: Georgi Mladenov) und ganz besonders das Ballett Graz (Choreographie: Martina Borroni) beteiligt waren. Die Premiere war ein voller Erfolg und wird bis Mitte Mai wohl für viele ausverkaufte Vorstellungen sorgen.

Walter Nowotny

 

 

 

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