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GRAZ/ Musikverein: GIOVANNA D’ARCO – halbszenisch

23.09.2012 | KRITIKEN, Oper

GRAZ/ Musikverein: Verdis Giovanna d’Arco – 22.9.2012

Der Musikverein für Steiermark startete am 22.9.2012 das bevorstehende Verdi-Jahr mit einer halbszenischen Aufführung

 Der Musikverein für Steiermark unter seinem stets einfallsreichen Generalsekretär Dr. Michael Nemeth hat in Graz die Nase vorne.

 Noch vor der Oper Graz, die ihre Saison erst am 6.Oktober mit Puccinis „Manon Lescaut“ in einer Inszenierung von Stefan Herheim eröffnen wird, startet der Musikverein in seine 198. (!)Saison mit einer Rarität. Verdis siebte Oper „Giovanna d’Arco“ erlebt nach 155 Jahren ihre erste Aufführung in Österreich. Nach der mäßig erfolgreichen Uraufführung im Jahre 1845 an der Mailänder Scala (permanenter Streit mit der Primadonna und finanzielle Auseinandersetzungen mit dem Intendanten) wurde diese Oper in Österreich bisher nur einmal im Rahmen der italienischen Stagione 1857 im Wiener Kärntnertor-Theater aufgeführt.

 Vor dem Orgelprospekt der Konzertsaalbühne hängt eine Leinwand, auf die jeweils eine komprimierte deutsche Zusammenfassung des gesungenen italienischen Textes sowie geschichtliche Informationen und alte Stiche projiziert werden. Darüber die Embleme der englischen und französischen Königshäuser und eine Standarte der Jungfrau von Orleans. Chor und Solisten sind in Konzertkleidung. Zur Verdeutlichung der Handlung wechselt der Chor seine Chormappen, je nachdem, was er gerade repräsentiert. Und der Chor hat ja tatsächlich ganz verschiedene Gruppen zu verkörpern: Französisches Volk, französische Offiziere, englische Soldaten,Dämonen, Engel….. Einzige szenische Aktion: bei der Schlußszene der im Tod verklärten Giovanna wird die Standarte auf das Podium gebracht.

 Die Präsentationsform ist angemessen – der Ausdruck „halbszenisch“ allerdings wohl etwas hochgegriffen.

 Aber im Mittelpunkt stand ja die Musik Giuseppe Verdis – und die wurde unter der Leitung von Carlo Montanaro überaus spannungsvoll und engagiert wiedergegeben. Es spielte das ORF Radio-Symphonieorchester Wien (Konzertmeisterin: Maighréad McCrann, übrigens auch Professorin an der Grazer Kunstuniversität), es sangen Chor und Extrachor der Oper Graz (Einstudierung: Bernhard Schneider).

 Man erlebte die von einem frühen Verdi erwartete Musik mit einer Fülle von martialischer Musik, „knatternden“ Chorsätzen, zündenden Cabalettas nach den schon im „Nabucco“ erfolgreichen Schemata. Das Fehlen der wahren Aspekte eines Jeannes d’Arc-Dramas störte weder das Publikum der Uraufführung noch der Gegenwart – wenn auch schon Eduard Hanslick nach der Wiener Aufführung 1857 geschrieben hatte, der „gute deutsche Komponist“ (Beethoven) wäre zu einer psychologischen Schilderung der inneren Kämpfe von Jeanne d’Arc in der Lage gewesen…

 Der Dirigent Carlo Montanaro hat zurecht keine psychologisierende musikalische Interpretation versucht. Da wird ganz einfach mit nie nachlassender Spannung intensiv , saftig – und völlig ungekürzt – musiziert. Die drei Protagonisten waren sehr gut ausgewählt.

 Die musikalisch profilierteste Rolle ist die Bariton-Partie des Giacomo, der sich vom liebenden Vater in den seine Tochter verfluchenden Wüterich verwandelt, weil er sie von bösen Geistern besessen hält. Gabriele Viviani verkörpert diese Rolle ideal mit dunkler, breit strömender Stimme, langem Atem und man versteht,dass er demnächst an der Scala den Renato im Maskenball singen wird. Dazu eine Anregung: die Baritonpartien des reifen Verdi brauchen wohl noch mehr Differenzierung, als man diesmal hören konnte!

 In der Sopranpartie der Giovanna erlebte man Maria Agresta mit einer kompakten intensiven Leistung. Auch bei ihr wäre manchmal weniger mehr – wunderbare Pianotöne standen bisweilen etwas abrupt neben dramatischen Ausbrüchen. Sie wird übrigens gleich nach den beiden Grazer Aufführungen an der Scala die Mimi singen. In der Tenorpartie des Königs war ursprünglich der ungarische Tenor Attila Fekete angekündigt. Er wurde – offenbar relativ kurzfristig – durch den in Graz wohlbekannten und geschätzten Franzosen Jean-Francois Borras ersetzt. Man kennt ihn hier als Edgardo, Rodolfo oder Sänger im Rosenkavalier. Borras setzt sein stimmliches Metall durchaus wirkungsvoll ein, lyrische Phrasen klangen an diesem Abend manchmal etwas flach.

 Die beiden kleinen Nebenrollen wurden adäquat vom Tenor Robert Bartneck und vom Basisten Josef Pepper wiedergegeben.

 Viel Jubel im vollbesetzten Stefaniensaal – das Publikum freute sich über einen kaum bekannten Verdi und eine saftige Wiedergabe. Ein Mitschnitt ist am 29.9.2012 im Rundfunk zu hören: http://oe1.orf.at/programm/315886

 Hermann Becke www.deropernfreund.de

 Interview mit dem Dirigenten: http://www.kleinezeitung.at/nachrichten/kultur/3121259/schwarz-weiss-oper.story

 Solisten:

 http://imgartists.com/artist/gabriele_viviani

 http://www.mariaagresta.com/

 http://www.musicaglotz.com/musiciens/borras-jean-francois-2/?lang=en

 Diskographie der 15 vorhandenen Aufnahmen: http://www.operadis-opera-discography.org.uk/CLVEGIOV.HTM

 

 

 

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