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GRAZ/ Musikverein für Steiermark: AMARCORD UND ELISABETH KULMAN MIT WAGNER & CO.

Amarcord Wien und Elisabeth Kulman mit Wagner und Co. – Graz, Stefaniensaal, 20.November 2013

 Nein, Musikpuristen und Freunde der traditionellen Kammermusik sind nicht die primäre Zielgruppe – auch, wenn Sebastian Gürtler (Violine), Michael Williams (Cello), Gerhard Muthspiel (Kontrabass) und Tomasso Huber (Akkordeon) das natürlich hervorragend könnten. Aber wenn sie gemeinsam als „Amarcord Wien“ auftreten, dann steht bei aller Ernsthaftigkeit des Spielens der musikalische Spaß im Zentrum. Und wer sich bei manchen schrägen Tönen, die vom Podium in den Saal dringen, an ein Faschingskonzert denkt, der liegt komplett falsch. Wenn sich zu diesen vier Herren noch die Mezzosopranistin Elisabeth Kulman gesellt, kommt es zu einer sich gegenseitig befruchtenden Zusammenarbeit, die etwa für die gemeinsame CD mit Liedern von Gustav Mahler auch vom Publikum begeistert aufgenommen und mit Preisen belohnt wird.

Im 3.Kammerkonzert des Musikverein für Steiermark stellte dieses Team gestern am Abend im Grazer Stephaniensaal sein neuestes Programm vor. „Wer wagt mich zu höhnen ?“ ist der Titel dieses „Ständchen für Richard Wagner zum 200.Geburtstag“. Ausgehend vom Vorspiel zu Tristan und Isolde führt der Weg über Anton Webern, Claude Debussy, Hugo Wolf und Eigenkompositionen (Uraufführungen) von Tommaso Huber und Sebastian Gürtler zu einem grandiosen Giuseppe Verdi gewidmeten Finale aus der Feder von Tscho Theissing.

Die Arrangeure Sebastian Gürtler, im Hauptberuf Primgeiger des Hugo Wolf Quartett, und Gerhard Muthspiel  (Kontrabassist in der Volksoper) betonen den Tristan-Akkord als sich wie ein roter Faden durch das Programm ziehende Thema. Vom Vorspiel zu Tristan schaffen sie einen nahtlosen Übergang in den 5.Satz von Anton Weberns Streichquartett Nr.5; für die Verbindung unterschiedlicher Themen und Stile bietet Claude Debussy in seinem Golliwog´s Cake-walk (mit schon im Original versteckten Tristan-Thema) eine ideale Basis für Bearbeitungen; 5 Lieder von Hugo Wolf, beispielhaft gesungen von Elisabeth Kulman, setzten als wunderbare Miniaturen einen stilistischen Kontrapunkt; und mit einer Verquickung aus der Prügelfuge der Meistersinger und der Schlussfuge aus Falstaff wird das Publikum in die Pause entlassen.

Nach der Pause dann die Wesendonck-Lieder – bei Träume hätte man die berühmte Stecknadel fallen hören, so ergriffen waren die Zuhörer – gefolgt von Sebastian Gürtlers „Tristan´s Tango“, beinahe eine Hommage an Astor Piazzolla, und als krönender Abschluss, ebenfalls eine Uraufführung, „Exotenbonusmaterial“ als Würdigung des zweiten Jahresregenten mit Anklängen an Trovatore und Traviata. Und mit Elisabeth Kulman, die sowohl bei Wolf wie bei den Wesendonck-Liedern einmal mehr ihre Qualität als auch gestaltende Liedsängerin (leider zu selten mit dieser Kunstform zu hören) unter Beweis stellte, als überraschende Azucena (das macht Lust auf Mehr, auf die gesamte Oper). Als Zugabe gab es Mahler.

Man kann gegen die Form der Bearbeitungen durchaus berechtige Einwände haben; es muss dem Konsumenten nicht gefallen, dass der volle Orchesterklang auf das Akkordeon „reduziert“ ist oder sich ganze Streichergruppen in nur einem Instrument wiederfinden. Aber wer mit offenen Ohren dieses Konzert hörte, konnte einen durchaus inspirierenden Zugang zu bekannten Werken und deren Komponisten finden. Nicht zuletzt deshalb, weil Gürtler und Muthspiel in ihren Arrangements auch immer wieder halb verborgene Wurzeln offenlegen.

Das Konzert wird am 17.Dezember am Vormittag in Ö1 übertragen.

Michael Koling  

 

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