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GRAZ: ELEKTRA – Premiere

22.01.2012 | KRITIKEN, Oper

Oper Graz: “ELEKTRA”. Premiere  21.Jänner 2012


Foto: Oper Graz/ Werner Kmetitsch

 Die Atriden im Kuckucksnest

 Mit Jubel wurde gestern Abend vom Premierenpublikum in Graz die Elektra-Version von Regisseur Johannes Erath und die musikalische Realisierung durch das Grazer Ensemble aufgenommen. Nicht zuletzt wurde man an den gängigen Kalauer erinnert, dass nämlich die Oper die Abteilung für die Unheilbaren innerhalb der Theaterszene darstellt, lässt doch der Regisseur die Handlung in eine psychiatrische Klinik verlegen, in welcher die Mitglieder der Familie Agamemnon ihre Störungen, Ängste und Träume ausleben.

 Nun, so weit ist die Idee mit der Verlegung in eine Klinik nicht hergeholt: Der ungesunde seelische Zustand der von traumatischen Störungen heimgesuchten Frauen um Agamemnon infolge unausgesetzter Morde und Ehebruchgeschichten auf Grund des sogenannten Fluches der Atriden ist nachvollziehbar. Die zum Zeitpunkt der Entstehung des Werkes dem Textdichter Hofmannsthal bereits bekannten Fakten über Erkenntnisse der Psychoanalyse, insbesondere der Traumdeutung bei Freud, aber auch so manche Anspielungen im Text auf die Konfliktsituationen in der Familie, die bis hin zu einer Auslegung von inzestiösen Vorgängen um den toten Vater reichen, sind zu berücksichtigen. Das alles ist lang und breit im Programmheft dargelegt, das Ergebnis ist jedenfalls eine detailreiche und spannende Regiearbeit und wenn man davon absieht, dass wieder einmal ein Stück nicht so auf die Bühne gestellt wurde, wie es das Libretto hinsichtlich Ort und Zeit vorgibt, kann man der Arbeit von Johannes Erath vieles abgewinnen. Katrin Connan hat mit einem zentralen Podest und Raumtrennungen aus durchschimmernden und gut ausgeleuchteten Kunststoffplanen (Licht Joachim Klein) ein einfaches aber stimmiges Bild für die Klinik geschaffen, in welcher die uns bekannten Figuren aus der “Elektra” als Anstaltsinsassen die Handlung des Stücks als Traum, als Täuschung, im Wahn oder in Angstzuständen wahrnehmen und spielen und ihren psychischen Zustand in körperlichen Auffälligkeiten darstellen. Und das gelingt alles, dank der guten Personenregie, ganz ausgezeichnet.

 Eine Klytämnestra der Extraklasse ist Iris Vermillion, schrill, gefährlich, gesanglich den klassischen Opernstil fast im Stil einer Disseuse hinter sich lassend. Mit eindringlichen Höhen und wirksamen Sprechgesang in Mittellage und Tiefe liefert sie, auch dank ihrer schlacksigen Figur eine unter die Haut gehende Darstellung ab. Stephanie Friede wiederum stellt eine glaubhafte, von Rachsucht getriebene Elektra dar, wie schon in der “Frau ohne Schatten” im Vorjahr trifft die Amerikanerin den richtigen Strauss-Ton, die dramatischen Höhen bringen sie, zumindest in diesem Haus, nicht in Verlegenheit. Auf der Bühne steht da nicht die große Heroine, sondern ein vom Leid geprägtes Wesen, das sich mit aller Kraft aufzubäumen versucht. Ihre Schwester ist mit Gal James typmäßig in guten Händen, die junge, aus Israel stammende Sängerin hat sicher noch Steigerungspotenzial für ihre Jubeltöne und vor allem für die Mittellage, der sie noch einiges schuldig bleiben mußte.

Rund um dieses Trio kommen die Ensemblemitglieder mit den Anforderungen an die Darstellung von Irrenhausinsassen bestens zurecht. Fran Lubahn, Kristina Antonie Fehrs, Dshamilja Kaiser, Tatjana Miyus und Margareta Klobucar als Mägde, Taylan Reinhard in rosa Röckchen, mit seinem Schaukelpferd ganz rührend schmusend, als junger Diener. Konstantin Sfiris als alter Diener aber auch Pfleger des Orest, dieser wieder von James Rutherford, souverän und zum Teil aus dem Zuschauerraum gesungen und somit bewußt als Nichtinsasse herausgestellt. Eindringlich der Ägisth des Manuel von Senden.

 Johannes Fritsch setzte mit dem Grazer Philharmonischen Orchester die Partitur souverän und straff um, setzte nicht auf übertriebene Lautstärke, was dem Gesamtklang des Riesenapparates, der Hörbarkeit der zahlreichen motivischen Elemente, aber auch den Sängern gut tat.

 Fazit: Sehenswerte, teilweise bunte und schrille Auslegung des Stoffes, mit blutigem Finale.

 Peter SKOREPA

 

 

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