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GRAZ: DIE ZAUBERFLÖTE – Premiere

10.11.2013 | KRITIKEN, Oper

Graz: Die Zauberflöte – Premiere (9.11.2013)

 Meterhohes Gras, dazwischen Felsen, dahinter eine Hügellandschaft mit Gestrüpp, wo sich viel Plastik- und Papiermüll angesammelt hat, vorne links ein altes, verrostetes Wrack eines abgestürzten Flugzeuges: So präsentiert sich „Die Zauberflöte“ von Wolfgang Amadeus Mozart am Grazer Opernhaus im ersten Akt. Jetzt ist diese Koproduktion mit der Opéra du Rhin und der Opéra Nice Cote d’Azur, wo sie bereits Ende 2012 bzw. Anfang 2013 gezeigt wurde, in der steirischen Hauptstadt gelandet.

Mariame Clément stellt in dieser Oper die Natur der Wissenschaft gegenüber. Nur ist die Natur nicht mehr intakt, sondern schon sehr geschädigt und teilweise verdorrt. Seltsame Menschen, wie aus einem Science Fiction Endzeitfilm bevölkern die Bühne. Der eine steigt aus dem Cockpit des Fliegers, der ihm offensichtlich als Wohnung dient und fängt Vögel, die er dann in Plastiksackerln verstaut und aufhängt: Es ist Papageno, ein Gestrandeter, ein Sonderling, ein Aussteiger. Der andere spricht eine unverständliche Sprache, offensichtlich Koreanisch, trägt eine Lederjacke und seltsame technische Geräte herum, scheint überhaupt aus einem anderen Sonnensystem zu kommen und hier auch gestrandet zu sein:  Es ist Tamino. Die andere kriecht aus einem Erdloch und hat so gar keine königliche Präsenz an sich, obwohl sie die Königin der Nacht ist. Dann erscheinen Unmengen von Männern in Anzügen mit dicken Brillen und Notizblöcken und beginnen die Pflanzenwelt zu untersuchen: Es sind die Auserwählten. Und in einem cremefarbigen Anzug, wie ein Dandy gekleidet, stolpert einer daher, der sich mit einem langen Stab vortastet, denn er ist blind: Das ist Sarastro. So unpoetisch und unmärchenhaft sieht zumindest die französische Regisseurin die Figuren von Mozart Meisteroper.

Im zweiten Teil folgt dann die Wissenschaft: Ein abgewohnter, garstiger Forschungsraum, eine Art Bunker mit dunkelbraunen Holzwänden, wo sich beleuchtete Vitrinen mit allerlei Grünpflanzen finden (Ausstattung: Julia Hansen).  Dort fuhrwerkt auch ziemlich sinnlos eine Putzkolonne herum.  Auch mit Videoprojektionen wird nicht gespart: Die furchterregende Schlange zu Beginn, die Feuer- und Wasserproben sieht man als Naturkatastrophenfilme. Und zum Finale dürfen dann Sarastro und die Königin der Nacht heftig herumzuschmusen und finden sich entgegen den Handlungsvorgaben zu einem Liebespaar.

Aber all dies Suchen nach Neuem, nach einer neuen Deutung, was es eigentlich nicht wirklich ist, wirkt extrem krampfhaft, teilweise sehr rätselhaft und geht nicht wirklich auf. Da helfen auch einige witzige und noch mehr unwitzige Späßchen nicht zu Rettung der eher trostlosen Inszenierung.

Trostlosigkeit ist beim Sängerensemble nicht auszumachen aber auch nicht gerade eine umwerfende Qualität. Eine Ausnahme bildet zweifellos Yosep Kang, der im Frühjahr am Stadttheater Klagenfurt als Nadir in Bizets „Perlenfischer“ reüssierte. Sein Tamino klingt einfach prachtvoll mit seinem kräftigen, strahlenden Tenor. Auch André Schuen singt den Papageno mit großer Natürlichkeit, mit seinem ausgesprochen schönen Bariton und exemplarischer Wortdeutlichkeit. Er wird im Frühjahr 2014 am Theater an der Wien in Nikolaus Harnoncourts konzertanten Mozart-Da Ponte Zyklus den Figaro, den Don Giovanni und den Guglielmo singen. Manuel von Senden ist ein fieser Monostatos mit idealem Stimmmaterial. Wilfried Zelinka als Sarastro hat wenig von einem Herrscher. Er wirkt stimmlich zwar sehr gepflegt aber insgesamt eher blass und zurückhaltend. Hila Fahima, kurzfristig von der Staatsoper Wien eingesprungen, singt die Königin der Nacht zwar recht kleinstimmig aber mit perfekten und blitzsauberen Koloraturen. Nazanin Ezazi verfügt als Pamina über eine feine Höhe, singt sehr warmherzig, hat jedoch Intonationsprobleme, die aber vielleicht mit der Premierennervosität erklärbar sind. Tatjana Miyus ist eine ideale Papagena. Vibratoreich hört man David McShane als Sprecher. Fehlerlos singen Konstantin Sfiris und Taylan Reinhard die Priester. Mit reinster Intonation hört man die drei Damen – Margareta Klobucar, Dshamilja Kaiser, Xiaoyi Xu -, die, die drei Lebensalterabschnitte darstellen, eine sieht man als junges Mädchen, die zweite als Schwangere und die dritte als alte Frau, die am Stock geht. Hingegen nicht immer sauber singen die drei Knaben. Homogen klingt der Chor des Hauses (Einstudierung: Bernhard Schneider).

Die Grazer Philharmoniker unter dem neuen Chefdirigenten Dirk Kaftan musizieren Mozart mit Leichtigkeit und Vitalität aber auch mit extrem zugespitzten Tempi. Teilweise mit solcher Eile, dass die Sänger nicht mehr folgen können. Starker Applaus!

 Helmut Christian Mayer

 

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